Erfahrung - Antike, Scholastik
Bei den antiken Philosophen herrscht vielfach eine Bevorzugung des (spekulativen) Denkens vor der Erfahrung. So bei den Eleaten, welche geradezu das Erfahrungswissen für ein Scheinwissen erklären; so auch bei HERAKLIT und DEMOKRIT, auch bei PLATO, obgleich dieser die Erfahrung methodisch nicht verwirft. Noch mehr zur Geltung kommt die Empirie bei ARISTOTELES, der gleichwohl ebenso Rationalist ist wie seine Vorgänger. Die Erfahrung ist Erkenntnis des Einzelnen, Besonderen (hê men empeiria tôn kath' hekaston esti gnôsis, Met. I 1, 981 a 15). Nur das Was (hoti), nicht das Warum (dioti) lehrt uns die Erfahrung kennen (Met. I 1, 981 a 29). Doch ist die Erfahrung das Mittel zur Gewinnung allgemeiner Einsichten (ek... tês empeirias tên katholou lambanomen epistêmên, Phys. VII, 3). Aus der Ansammlung von Erinnerungen geht die Erfahrung hervor (gignetai d' ek tês mnêuês empeiria tois anthrôpois hai gar pollai mnêmai ton autou pragmatos mias empeirias dynamin apotelousin, Met. I 1, 980 b 28; Anal. post. II, 19). Ähnlich lehren die Stoiker (empeiria gar esti to tôn homoeidôn phantasiôn plêthos, Plac. IV, 11; Dox. 400). Von der gemeinen Erfahrung ist (nach POLYBIUS) die empeiria methodikê zu unterscheiden. Bei den Epikureern wird der Empirismus zum Sensualismus (s. d.).
Die Scholastiker vernachlässigen die Erfahrung gegenüber dem begrifflichen Denken. Erfahrung ist nach ALBERTUS MAGNUS »singularium cognitio« (Sum. th. II, 25, 2). THOMAS erklärt: »Experientia fit ex multis memoriis« (Sum. th. I, 54, 5 ob. 2; Contr. gentil. II, S3; vgl. Sum. th. I, 114, 2). Bei WILHELM VON OCCAM, noch mehr bei ROGER BACON kommt die Erfahrung mehr zur Geltung. Letzterer stellt das Erfahrungswissen dem »cognoscere per argumentum« gegenüber (Op. maj. VI, 1). »Sinne experimento nihil sufficienter sciri potest.« Es gibt eine äußere (»per sensus exteriores«) und eine innere, aufs Übersinnliche gehende Erfahrung (»scientia interior, illuminatio«) (l.c. p. 446). Nach J. BURIDAN heißt erfahren »ex multis memoriis consimilium prius sensatorum indicare de alio simili occurrente« (bei PRANTL, G. d. Log. IV, 35). SUAREZ bemerkt: »Relinquitur, experientiam solum requiriri ad scientiam, ut intellectus noster manuducatur per eam ad intelligendas exacte rationes terminorum simplicium, quibus intellectis ipse naturalis videt clare immediatam connexionem eorum inter se, quae est prima et unica ratio assentiendi illis« (Met. disp. 1, sct. 6). Bei den Mystikern gilt die innere Erfahrung als übersinnliche Erkenntnisquelle. »Innere Erfahrung« kommt schon bei V. WEIGEL vor. In der Renaissancephilosophie wird auf die Erfahrung schon Nachdruck gelegt, so auch bei L. DA VINCI, nach welchem alle Erkenntnis auf Erfahrung beruht, auch bei PARACELSUS (Paragran. p. 208).