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Hermann Schneider, Vom Wallenstein zum Demetrius. Untersuchungen zur stilgeschichtlichen Stellung und Entwicklung von Schillers Drama. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 1933. VIII, 104 S. (Tübinger germanistische Arbeiten. 18.)

Schneiders Untersuchungen sind aus zwei Jahrzehnten akademischer Lehrtätigkeit hervorgegangen. Ihre Methode ist einleuchtend und solid. Es überrascht nicht, daß sie einer Reihe von Arbeiten des Tübinger germanistischen Seminars den Weg vorgezeichnet hat. Der Verfasser erklärt, den Anstoß zu seinen Forschungen durch das eigentümliche »Fremdheitsgefühl« erfahren zu haben, das für seine Generation – geschweige denn für die späteren – Schillers Dramen umwittert. Er kann sich für diese unbestreitbare Wahrnehmung zudem auf das gewichtige Zeugnis von Dilthey berufen. Mit kritischem Verstände spürt er die Ursachen dieses Fremdheitsgefühls auf. Wenn er freilich in der Vorrede es als seine letzte Absicht erklärt, dies Gefühl im heutigen Publikum abzumildern, so ist nicht leicht ersichtlich, worauf diese Hoffnung sich gründet. Zwar stellen seine Analysen, die in der des »Demetrius« gipfeln, die ausgereifteren Teile dieses Dramas als diejenige Stätte dar, an der zum ersten Male die in Schiller sich befehdenden Stilelemente des Shakespeareschen Historiendramas und der französischen Tragödie einem Ausgleich nahegekommen sind. Aber wenn das richtig ist – der Verfasser verficht es mit guten Gründen – so fällt doch diese Synthese eben aus dem Schillerschen Lebenswerke, wie es von der Bühne zu uns spricht, heraus. – Wie dem auch sei, die Arbeit – nüchtern und ohne weite Perspektiven, wie sie vorliegt – kann sich getrost neben der Mehrzahl jener geisteswissenschaftlichen Untersuchungen sehen lassen, die heute im Schwange gehen. Deren Ansprüche sind gewiß größer, ihre Ergebnisse aber vielfach geringer als die der vorliegenden Betrachtungen. Daß sie von der literarischen Analyse aus auf den Theaterpraktiker Schiller ein Licht werfen, ist ihr besonderes Verdienst. Der Verfasser hat also recht, wenn er sagt, er fürchte nicht den Einwand, »solche Untersuchungen seien vor 20 Jahren am Platz gewesen, heute habe man andere Mittel und Methoden, um stilgeschichtliche Fragen zu lösen. Es gibt viele Arten, einer so merkwürdigen Erscheinung wie dem Schillerschen Dramenstil nahezukommen; ich will nur zeigen, daß ein entstehungsgeschichtliches und vergleichendes Verfahren in die Lage setzt, vieles zu verstehen, manches wohl auch zu entschuldigen. Es ist oft ein seltsames Bild, das hier vom Schaffen des Dramatikers erwächst. Man ist gewohnt, sich das Verhältnis von Intuition und Willensleistung, von Eigenem und Angeeignetem anders vorzustellen. Es gibt doch offenbar mehr Erlernbares und Erlerntes in der dichterischen Kunst, als man gemeinhin annimmt.«