Der Sänger
1
Siehst du die Wälder glühen,
Die Ströme flammend sprühen,
Die Welt in Abendgluten
Wie träumerische Fluten,
Wo blühnde Inseln trunken
Sich spiegeln in dem Duft? —
Es weht und rauscht und ruft:
O komm, eh wir versunken!
Eh noch die Sonn versunken:
Gehn durch die goldnen Funken
Still Engel in den Talen,
Das gibt so leuchtend Strahlen
In Blumen rings und Zweigen. —
Wie frommer Widerhall
Weht noch der Glocken Schall,
Wenn längst die Täler schweigen.
Leis wächst durchs dunkle Schweigen
Ein Flüstern rings und Neigen
Wie ein geheimes Singen,
In immer weitern Ringen
Zieht’s alle, die da lauschen,
In seine duft’ge Rund,
Wo kühl im stillen Grund
Die Wasserkünste rauschen.
Wie Wald und Strom im Rauschen
Verlockend Worte tauschen!
Was ist’s, daß ich ergrause? —
Führt doch aus stillem Hause
Der Hirt die goldne Herde,
Und hütet treu und wacht,
So lieblich weht die Nacht,
Lind säuselt kaum die Erde.
2
Und zu den Felsengängen
Der nächt’ge Sänger flieht,
Denn wie mit Wahnsinus Klängen
Treibt ihn sein eignes Lied.
Bei leuchtenden Gewittern
Schreckt ihn das stille Land,
Ein wunderbar Erschüttern
Hat ihm das Herz gewandt.
Bereuend sinkt sein Auge —
Da blickt durch Nacht und Schmerz
Ein unsichtbares Auge
Ihm klar ins tiefste Herz.
Sein Saitenspiel zur Stunde
Wirft er in tiefsten Schlund,
Und weint aus Herzensgrunde,
Und ewig schweigt sein Mund.