Zentralisation der Bevölkerung


Die zentralisierende Tendenz der Industrie bleibt aber hierbei nicht stehen. Die Bevölkerung wird ebenso zentralisiert wie das Kapital; ganz natürlich, denn in der Industrie wird der Mensch, der Arbeiter, nur als ein Stück Kapital angesehen, dem der Fabrikant dafür, daß es ihm zur Benutzung sich hingibt, Zinsen, unter dem Namen Arbeitslohn, erstattet. Das industrielle große Etablissement erfordert viele Arbeiter, die zusammen in einem Gebäude arbeiten; sie müssen zusammen wohnen, sie bilden schon bei einer mäßigen Fabrik ein Dorf. Sie haben Bedürfnisse und zur Befriedigung derselben andere Leute nötig; Handwerker, Schneider, Schuster, Bäcker, Maurer und Schreiner ziehen sich hin. Die Bewohner des Dorfs, namentlich die jüngere Generation, gewöhnt sich an die Fabrikarbeit, wird mit ihr vertraut, und wenn die erste Fabrik, wie sich versteht, nicht alle beschäftigen kann, so fällt der Lohn, und die Ansiedlung neuer Fabrikanten ist die Folge davon. So wird aus dem Dorf eine kleine Stadt, aus der kleinen Stadt eine große. Je größer die Stadt, desto größer die Vorteile der Ansiedlung. Man hat Eisenbahnen, Kanäle und Landstraßen; die Auswahl zwischen den erfahrnen Arbeitern wird immer größer; man kann neue Etablissements wegen der Konkurrenz unter den Bauleuten und Maschinenfabrikanten, die man gleich bei der Hand hat, billiger anlegen als in einer entferntern Gegend, wohin Bauholz, Maschinerie, Bauleute und Fabrikarbeiter erst transportiert werden müssen; man hat einen Markt, eine Börse, an der sich die Käufer drängen; man steht in direkter Verbindung mit den Märkten, die das rohe Material liefern oder die fertige Ware abnehmen. Daher die wunderbar schnelle Vermehrung der großen Fabrikstädte. Allerdings hat das platte Land dagegen wieder den Vorteil, daß dort gewöhnlich der Lohn billiger ist; das platte Land und die Fabrikstadt bleiben so in fortwährender Konkurrenz, und wenn heute der Vorteil auf Seite der Stadt ist, so sinkt morgen draußen der Lohn wieder so viel, daß neue Anlagen auf dem Lande sich vorteilhafter anbringen lassen. Aber dabei bleibt die zentralisierende Tendenz der Industrie doch in voller Kraft, und jede neue Fabrik, die auf dem Lande angelegt wird, trägt den Keim zu einer Fabrikstadt in sich. Wäre es möglich, daß dies tolle Treiben der Industrie noch einhundert Jahre so voranginge, so würde jeder der industriellen Bezirke Englands eine einzige große Fabrikstadt sein und Manchester und Liverpool bei Warrington oder Newton sich begegnen; denn auch im Handel wirkt diese Zentralisation der Bevölkerung ganz auf dieselbe Weise, und darum monopolisieren ein paar große Häfen wie Liverpool, Bristol, Hull und London fast ganz den Seehandel des britischen Reichs.

Da in diesen großen Städten die Industrie und der Handel am vollständigsten zu ihrer Entwicklung kommen, so treten also auch hier ihre Konsequenzen in bezug auf das Proletariat am deutlichsten und offensten hervor. Hier ist die Zentralisation des Besitzes auf den höchsten Punkt gekommen; hier sind die Sitten und Verhältnisse der guten alten Zeit am gründlichsten vernichtet, hier ist man weit genug gekommen, um sich bei dem Namen Old merry England gar nichts mehr denken zu können, weil man das Old England selbst nicht einmal aus der Erinnerung und den Erzählungen der Großeltern mehr kennt. Daher gibt es hier auch nur eine reiche und eine arme Klasse, denn die kleine Bourgeoisie verschwindet mit jedem Tage mehr. Sie, die stabilste Klasse früher, ist jetzt die beweglichste geworden; sie besteht nur noch aus den wenigen Trümmern einer vergangenen Zeit und einer Anzahl von Leuten, die sich gern ein Vermögen machen wollen, kompletten Industrierittern und Spekulanten, von denen einer reich wird, wo neunundneunzig Bankerott machen und wo von diesen neunundneunzig mehr als die Hälfte nur vom Bankerottieren leben.

Die ungeheure Mehrzahl in diesen Städten bilden aber die Proletarier, und wie es diesen ergeht, welchen Einfluß die große Stadt auf sie ausübt, werden wir jetzt untersuchen.


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