
Lage der Ackerbautagelöhner
Bis auf den heutigen Tag gilt diese Schilderung für den größten Teil der Taglöhner in den Ackerbaubezirken. Die "Times" sandte im Juni 1844 einen Korrespondenten in diese Gegenden, um über die Lage dieser Klasse zu berichten, und der Bericht, den er gibt, stimmt vollkommen mit Obigem überein. In einigen Gegenden war der Lohn nicht höher als sechs Shilling wöchentlich, also nicht höher als in vielen Gegenden Deutschlands, während die Preise aller Lebensbedürfnisse in England doch wenigstens doppelt so hoch sind als hier. Wie das Leben beschaffen ist, das diese Leute führen, läßt sich denken. Ihre Nahrung schlecht und knapp, ihre Kleidung zerlumpt und ihre Wohnungen eng und erbärmlich - eine kleine elende Hütte ohne alle Komforts, und für junge Leute Logierhäuser, wo Männer und Frauen fast gar nicht getrennt sind und die zu illegitimem Verkehr herausfordern. Ein paar unbeschäftigte Tage im Monat müssen solche Leute notwendig in das tiefste Elend stürzen. Dazu können sie sich nicht assoziieren, um den Lohn hoch zu halten, weil sie zerstreut wohnen, und weigert einer, zu niedrigem Lohn zu arbeiten, so sind Dutzende von Brotlosen und Armenhausgenossen, die sich freuen, wenn ihnen das Geringste geboten wird, während dem Weigernden als einem faulen, liederlichen Taugenichts von der Armenverwaltung jede andre Unterstützung als die verhaßte des Armenhauses abgeschlagen wird; denn in der Verwaltung sitzen ja grade die Pächter, von denen oder deren Nachbarn und Standesgenossen er allein Arbeit erhalten kann. Und nicht nur aus einem oder dem andern der ackerbauenden Distrikte Englands erhalten wir solche Berichte; im Gegenteil, die Not ist gleich groß im Süden und Osten, im Norden und Westen; die Lage der Arbeiter in Suffolk und Norfolk stimmt genau mit der von Devonshire, Hampshire und Sussex; der Lohn ist in Dorsetshire und Oxfordshire so niedrig wie in Kent und Surrey, Buckinghamshire und Cambridgeshire.
Eine besonders hervorzuhebende Barbarei gegen das Ackerbauproletariat sind die Jagdgesetze, die in England so streng sind wie nirgends, während zu gleicher Zeit der Wildstand über alle Begriffe zahlreich ist. Der englische Bauer, der nach alter Sitte und Gewohnheit in der Wilddieberei nur eine ganz natürliche, noble Äußerung des Mutes und der Verwegenheit sieht, wird durch den Gegensatz zwischen seinem eignen Elend und dem car tel est notre plaisir des Lords, der Tausende von Hasen und jagdbaren Vögeln zu seinem Privatvergnügen hegt, noch mehr dazu gereizt. Er legt Schlingen, schießt auch wohl einmal ein Stück Wild - es schadet ja dem Lord im Grunde nichts, der hat ja doch Überfluß daran, und ihm bringt es einen Braten übers Feuer für seine hungernde Familie. Wird er entdeckt, so wandert er ins Gefängnis, beim Wiederholungsfalle wird er mindestens sieben Jahre transportiert. Aus der Strenge dieser Strafen entstehen die häufigen blutigen Konflikte mit den Wildhütern, die jedes Jahr eine Reihe von Morden herbeiführen. Das Gewerbe eines Wildhüters wird dadurch nicht nur gefährlich, sondern auch verrufen und geächtet. Im vorigen Jahre kamen zwei Fälle vor, daß Wildhüter sich lieber eine Kugel durch den Kopf jagten als bei ihrem Handwerk blieben. Das ist der wohlfeile Preis, um den sich die grundbesitzende Aristokratie das edle Vergnügen der Jagd erkauft - aber was verschlägt das den edlen "lords of the soil"? Ob ein paar Überflüssige mehr oder minder am Leben sind, ist ja doch höchst gleichgültig, und wenn die Hälfte der "Überflüssigen" erst infolge der Jagdgesetze auf die Seite geschafft wären, so würde es der übrigbleibenden Hälfte desto besser gehen - so räsoniert die Philanthropie der englischen Besitzenden.