Samtscherer


Von den übrigen, mit der Fabrikation von Kleiderstoffen beschäftigten Arbeitern bleibt uns wenig zu sagen; die Bleicher haben eine sehr ungesunde Arbeit, bei der sie fortwährend Chlor, einen der für die Lunge nachteiligsten Stoffe, einzuatmen haben; die Arbeit der Färber ist schon gesunder, in vielen Fällen sehr gesund, da sie Anstrengung des ganzen Körpers erfordert; wie diese Klassen bezahlt werden, darüber hört man wenig, und das ist Ursache genug zu dem Schluß, daß sie nicht unter dem Durchschnittslohn bekommen, weil sie sich sonst schon beschweren würden. Die Samtscherer, die bei dem großen Verbrauch von Baumwollensamt ziemlich zahlreich sind und sich auf 3 000 bis 4 000 belaufen, haben indirekt sehr hart durch den Einfluß des Fabriksystems gelitten. Die Ware, die früher mit Handwebstühlen gemacht wurde, war nicht ganz egal gewebt und erforderte eine geübte Hand im Aufschneiden der einzelnen Fadenreihen; seitdem sie mit mechanischen Stühlen gemacht, laufen die Reihen ganz egal, jeder Einschlagsfaden ist genau dem vorhergehenden parallel, und das Aufschneiden ist keine große Kunst mehr. Die durch Maschinerie brotlos gewordenen Arbeiter werfen sich auf das Samtscheren und drücken den Lohn durch ihre Konkurrenz; die Fabrikanten entdeckten, daß sie Weiber und Kinder zum Samtscheren gebrauchen konnten - und der Lohn sank auf den von Weibern und Kindern, während Hunderte von Männern verdrängt wurden, die Fabrikanten entdeckten, daß sie die Arbeit in ihrem Fabriklokal billiger tun lassen konnten als in der Werkstatt des Arbeiters, für die sie doch die Miete indirekt bezahlten; seitdem stehen die zu Scherzimmern eingerichteten niedrigen Oberstockwerke vieler Cottages leer oder werden als Wohnungen vermietet, während der Samtscherer die Freiheit der Wahl seiner Arbeitsstunden verloren hat und unter die Botmäßigkeit der Fabrikglocke gebracht ist. Mir ein sagt Samtscherer, der 45 Jahre alt sein mochte, er könne sich der Zeit erinnern, wo er für dieselbe Arbeit, die er jetzt für 1 d. die Yard tun müsse, 8 d. erhalten habe; allerdings könne er das egalere Gewebe rascher scheren als das frühere, aber er könne in der Stunde lange nicht das Doppelte von dem tun, was er früher in derselben Zeit getan - so daß sein Wochenlohn auf weniger als 1/4 seines früheren gesunken ist. Leach gibt (Stubb. F. p. 35) eine Liste der Löhne, die 1827 und 1843 für verschiedene Stoffe bezahlt wurden, woraus hervorgeht, daß die Artikel, welche 1827 4 d., 2 1/2 d., 2 3/4 d., 1 d. per Yard bezahlt wurden, im Jahre 1843 nur 1 1/2 d., 3/4 d., 1 d. und 3/8 d. per Yard Scherlohn erhielten. Das Verhältnis des durchschnittlichen wöchentlichen Verdienstes stellt sich nach Leach so: 1827 Pfd. St. 1-6-6 d., Pfd. St. 1-2-6 d., Pfd. St. 1~-~-, Pfd. St. 1-6-6 d., und für gleiche Waren 1843 Pfd. St. ~-10-6 d., Pfd. St. ~-7-6 d., Pfd. St. ~-6-8 d., Pfd. St. ~-10-~, und es gibt Hunderte von Arbeitern, die zu diesen letzten Lohnsätzen nicht einmal ankommen können. - Von den Handwebern der Baumwollenindustrie haben wir schon gesprochen; die übrigen Webestoffe werden fast ausschließlich durch Handweber verfertigt, die meist auf dieselbe Weise wie die Samtscherer durch Eindringen der durch Maschinen verdrängten Arbeiter gelitten haben, und außerdem, wie die Fabrikarbeiter, unter einem strengen Strafgesetz wegen schlechter Arbeit stehen. Nehmen wir die Seidenweber. Der Seidenfabrikant Brocklehurst, einer der bedeutendsten von ganz England, hat einem Parlamentskomitee Listen aus seinen Büchern vorgelegt, aus denen hervorgeht, daß er für dieselben Artikel, für die er 1821 30 sh., 14 sh., 3 1/2 sh., 3/4 sh., 1 1/12 sh., l0 sh. Lohn bezahlte, 1831 nur 9 sh., 7 1/2 sh., 2 1/4 sh., 1/3 sh., 1/2 sh., 6 1/4 sh. bezahlt, während doch hier keine Verbesserungen der Maschinerie eingetreten waren. Was H[er]r Brocklehurst aber tut, kann wohl als Norm für ganz England angenommen werden. Aus denselben Listen geht hervor, daß der Durchschnittsverdienst seiner Weber nach allen Abzügen 1821 wöchentlich 16 1/2 sh. und 1831 nur 6 sh. betrug. Seitdem ist der Lohn noch mehr gefallen - die Gewebe, die 1831 1/3 sh. oder 4 Pence Weblohn per Yard brachten, bezahlen 1843 nur 2 1/2 Pence (es sind die single sarsnets Lohnverkürzung. Jeder Weber, der eine Kette holt, bekommt eine Karte dazu, worauf gewöhnlich steht: daß zu diesen oder jenen Tagesstunden die Arbeit angenommen wird, daß ein Weber, der krankheitshalber nicht arbeiten kann, dies innerhalb drei Tagen am Kontor muß anzeigen lassen, sonst gilt Krankheit für keine Entschuldigung; daß es nicht als genügende Entschuldigung angenommen wird, wenn der Weber sagt, er habe auf Garn für den Einschlag warten müssen, daß für gewisse Versehen an der Arbeit (wenn z.B. auf eine gewisse Lange des Stoffs mehr Einschlagsfäden kommen, als vorgeschrieben etc.) nicht weniger als der halbe Lohn abgezogen werden soll und daß, wenn der Stoff nicht in der bestimmten Zeit fertig ist, für jede Yard des aufgegebenen Stücks ein Penny deduziert wird. Die Lohnverkürzungen infolge dieser Karten sind so bedeutend, daß z.B. ein Mann, der zweimal wöchentlich nach Leigh in Lancashire kommt, um die Gewebe anzunehmen, seinem Fabrikanten mindestens fünfzehn Pfund (100 Taler preußisch) an Strafgeldern jedes Mal mitbringt. So sagt er selbst - und er gilt für einen der Tolerantesten. Früher wurden dergleichen Sachen durch Schiedsrichter entschieden, aber da die Arbeiter meist entlassen wurden, wenn sie darauf drangen, so ist dies jetzt ganz abgekommen, und der Fabrikant verfährt ganz willkürlich, ist Ankläger, Zeuge, Richter, Gesetzgeber und Vollstrecker, alles in einer Person. Und geht der Arbeiter zum Friedensrichter, so heißt es: Dadurch, daß Ihr die Karte annahmt, seid Ihr einen Kontrakt eingegangen, und den müßt Ihr jetzt erfüllen. Gerade wie bei den Fabrikarbeitern. Ohnehin läßt der Fabrikant den Arbeiter jedesmal ein Dokument unterzeichnen, worin dieser erklärt, er "willige in die gemachten Abzüge". Und sperrt er sich, so wissen gleich alle Fabrikanten der Stadt, daß er ein Mann ist, der, wie Leach sagt, der

"durch Karten verbrieften Ordnung und Gesetzlichkeit widerstrebt und die Frechheit hat, an der Weisheit derer zu zweifeln, die, wie er wissen müßte, doch seine Vorgesetzten in der Gesellschaft sind." (Stubb. Facts, p. 37-40)

Natürlich, die Weber sind vollkommen frei, der Fabrikant zwingt sie ja nicht, seine Ketten und Karten zu nehmen, aber er sagt ihnen, wie Leach es in gutes Englisch übersetzt:

"Wollt ihr nicht in meiner Schmorpfanne gebraten werden, so könnt ihr auch geradezu ins Feuer spazieren" (if you don't like to be frizzled in my frying-pan, you can take a walk into the fire).


 © textlog.de 2004 • 22.11.2024 18:48:31 •
Seite zuletzt aktualisiert: 11.10.2005 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright