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Freiheit

Freiheit, im weitesten Sinne, ist die einem Wesen gegebene Möglichkeit, so zu handeln, wie es will. In dieser weitesten Fassung schließt die Freiheit auch die Willkür in sich ein und bildet den Gegensatz sowohl zur Notwendigkeit wie zum Zwange. Enger gefaßt, wie es gewöhnlich geschieht, ist die Freiheit die Möglichkeit der Selbstbestimmung eines vernünftigen Wesens im Gegensatze zur Abhängigkeit von fremder Macht. Derjenige Mensch handelt frei, für dessen Handlungen die Ursachen in ihm selbst liegen und nicht in fremden Gewalten. So gedacht, ist die Freiheit dem Zwange, aber nicht der Notwendigkeit entgegengesetzt. Die Freiheit kann nun eine vollständige (absolute, metaphysische) oder eine beschränkte (relative) sein. Zur Annahme einer absoluten oder metaphysischen Freiheit muß konsequenter Weise der streng idealistische Standpunkt führen, der die Außenwelt als eine Setzung des Subjektes und das mit Selbsttätigkeit begabte Ich als die einzige unmittelbare Wirklichkeit ansieht. Eine solche Freiheit hat Fichte (1762-1814), von Kants praktischer Philosophie ausgehend, gelehrt, während Spinoza (1632 bis 1677), der andere Denker, von dem Fichte beeinflußt ist, den entgegengesetzten Standpunkt einnahm, die Wirklichkeit in Gott-Natur und den notwendigen Gesetzen suchte und dem Menschen die metaphysische Freiheit absprach. Auch Schopenhauer (1788-1860) nimmt wie Fichte eine metaphysische Freiheit an. Er rückt aber die Freiheit aus dem Gebiete des Handeins, in dem der Satz des Grundes herrscht, in eine höhere, unserer Erkenntnis schwerer zugängliche transzendente Region hinaus. Indem er den Willen, den er sich blind und ziellos vorstellt, als das metaphysische Prinzip annimmt und dem Menschen diesen Willen als intelligiblen Charakter angeboren sein läßt, führt er aus: „Jedes Ding wirkt gemäß seiner Beschaffenheit, und sein auf Ursachen erfolgendes Wirken gibt diese Beschaffenheit kund. Jeder Mensch handelt nach dem, wie er ist, und die demgemäß jedesmal notwendige Handlung wird im individuellen Fall allein durch die Motive bestimmt. Die Freiheit, welche daher im Operari nicht anzutreffen sein kann, muß im Esse liegen. Es ist ein Grundirrtum, ein hysteron proteron aller Zeiten gewesen, die Notwendigkeit dem Esse und die Freiheit dem Operari beizulegen. Umgekehrt im Esse allein liegt die Freiheit; aber aus ihm und den Motiven folgt das Operari mit Notwendigkeit, und an dem, was wir tun, erkennen wir, was wir sind. Hierauf, und nicht auf dem vermeinten libero arbitrio indifferentiae, beruht das Bewußtsein der Verantwortlichkeit und die moralische Tendenz des Lebens“ (Über d. Freiheit des menschlichen Willens Werke Bd. IV S. 47). Auch in der Konsequenz der Humeschen metaphysischen Gedanken hätte, da Hume (1711-1776) die Gültigkeit des Kausalitätsgesetzes bestreitet, die Annahme einer metaphysischen Freiheit liegen müssen; aber Hume hat diese Konsequenz nicht gezogen, sondern huldigt vielmehr, rein empirischen Betrachtungen folgend, einem psychologischen Determinismus. -

Innerhalb der relativen Freiheit ist zu scheiden zwischen äußerer und innerer Freiheit, der Unabhängigkeit von äußeren und inneren Gewalten, die die Möglichkeit der Selbstbestimmung aufheben. Die äußere Freiheit ist entweder eine okkasionelle oder physische oder nationale oder soziale oder politische Freiheit. Die okkasionelle Freiheit ist die jeweilige Nichtexistenz äußerer beschränkender und hindernder Umstände für die Person, wie Kerker und Fessel; ihr Gegensatz ist die Gefangenschaft, Fesselung und Ähnliches. Die physische Freiheit ist Möglichkeit des Gebrauchs der körperlichen Werkzeuge beim Handeln; ihr Gegensatz ist Ohnmacht, Hemmung, Lähmung usw. Die nationale Freiheit ist da vorhanden, wo ein Volk, gleichviel wie es regiert wird, seine Angelegenheiten durch sich selbst bestimmen kann und nicht von einer anderen Nation abhängig ist. Nationale Unfreiheit ist dagegen da vorhanden, wo ein Volk unter das Joch eines anderen gerät. Ein solcher Zustand ist der Zustand vieler Völker in der Weltgeschichte gewesen, so der Mittelmeervölker nach Unterwerfung unter die römische Republik, so der Iren in Großbritannien in der Jetztzeit. Aus der nationalen Unfreiheit hat sich vielfach die soziale Unfreiheit, die Ausnutzung der Kräfte eines zum dienenden Stande herabgedrückten, unterjochten Volkes, das Sklaventum und Schutzbürgertum (Metöken), ein jetzt wesentlich überwundener Zustand, entwickelt. Sein Gegensatz, die soziale Freiheit, ist die Zugehörigkeit eines Menschen zu den Rechten des Staatsbürgers. Die politische Freiheit entsteht nur bei besonderer Gestaltung des Staatswesens und ist die Unabhängigkeit des einzelnen Bürgers von der Gewalt eines Einzelnen, einer Gruppe von Menschen oder einem Stande. Ein solche Freiheit gewährender Staat ist, im Gegensatz zur Monarchie, Tyrannis, Oligarchie, Aristokratie usw., ein Freistaat, eine Republik, wie z.B. die Schweiz, Frankreich, die amerikanische Union. - Der die Philosophie aber am meisten beschäftigende Begriff der Freiheit ist der Begriff der inneren Freiheit, der Willensfreiheit, der Möglichkeit, aus reiner Selbstbestimmung sich zu entschließen und zu handeln. Die Frage, ob der menschliche Wille sich selbst bestimmen könne, autonom sei, oder ob er von fremden Mächten bestimmt werde, unfrei, heteronom sei, hat die Philosophie zu allen Zeiten beschäftigt und hat im allgemeinen drei verschiedene Antworten hervorgerufen. Entweder haben Philosophen den Willen für autonom erklärt, und diese Autonomie als den Gegensatz zur Ursächlichkeit, als die Aufhebung des Kausalitätsgesetzes für den Willen angesehen, oder sie haben den Willen für heteronom und alles Handeln lediglich für verursacht erklärt, wie die Vorgänge in der Natur es sind, oder sie haben die Selbstbestimmung des Willens nicht geleugnet, aber die Freiheit des Willens nicht für den Gegensatz zur Ursächlichkeit, sondern für eine bestimmte Form der Verursachung genommen. Der erste Standpunkt heißt Indeterminismus, der zweite Determinismus, der dritte psychologischer Determinismus. Im einzelnen haben diese Standpunkte durch das Eingreifen religiöser Lehren und individueller Auffassung mannigfaltige Färbung angenommen. Am schärfsten hat den Indeterminismus Kant (1724 -1804) vertreten. Zwar steht nach seiner Lehre die Natur unter der Herrschaft des Kausalitätsgesetzes, und das menschliche Handeln, insofern es in die Erscheinung tritt, ist ebenfalls diesem Gesetz unterworfen. Aber der Mensch ist Bürger zweier Welten, einer sichtbaren und einer intelligiblen, und als Bürger der letzteren besitzt er völlige Willensfreiheit. Die intelligible Freiheit ist die Fähigkeit des Menschen, eine Kette des Geschehens, die erst, sobald sie in die Erscheinung tritt, nach Naturgesetzen abläuft, ursachlos durch Selbstbestimmung und Selbsttätigkeit der praktischen Vernunft zu beginnen, und auf die Existenz dieser Freiheit gründet sich das Sittengesetz mit seiner Überordnung der Pflicht über die Neigung und mit seiner Forderung: Du sollst, denn du kannst, und der Glaube an Gott und die Unsterblichkeit der Seele als Postulaten der praktischen Vernunft. Auf ähnlichem Standpunkt wie Kant steht auch Aristoteles (384-322). Er erklärt den Menschen für die Quelle seiner Taten (eoike dê, kathaper eirêtai, anthrôpos einai archê tôn praxeôn Arist. Eth. Nicom. III 5 p. 1112b 31) und definiert das freiwillige Handeln als die bewußte Selbstbestimmung ('Ontos de akousiou tou bia kai di' agnoian, to hekousion doxeien an einai, hou hê archê en autô eidoti ta kath' hekasta en hois hê praxis - Eth. Nie. III 3 p. 1111 a 22). Der Indeterminismus begnügt sich aber meist damit, nicht wie Kant eine intelligible Freiheit, sondern nur eine Wahlfreiheit des Willens, bei verschiedenen Möglichkeiten des Handelns, anzunehmen. Einen solchen Indeterminismus vertritt z.B. Platon (427-347), wenn er sagt: »Die Tugend untersteht keinem Herrn, und je nachdem jeder sie ehrt oder mißachtet, wird er mehr oder weniger von ihr besitzen. Die Schuld fällt dem Wählenden zu. Gott trägt keine Schuld« (aretê de adespoton, hên timôn kai atimazôn pleon kai elatton autês hekastos hexei. aitia helomenou; theos anaitios. Rep. X, 16, 617 E). Von den neueren Philosophen ist außer Fichte und Kant vor allem Descartes (1596-1650) Anhänger des Indeterminismus. Er nimmt eine unbeschränkte Wahlfreiheit des Willens an und rechnet diese Annahme zu den angeborenen und verbreitetsten Begriffen (»Daß aber unser Wille Freiheit besitzt, und daß wir vielem willkürlich zustimmen oder nicht zustimmen können, ist so offenkundig, daß es unter die obersten und allgemeinsten Begriffe, die uns angeboren sind, zu rechnen ist« Princ. phil. I, 39). Der Indeterminismus, der sich auf die Wahlfreiheit bei der Möglichkeit verschiedener Handlungen stützt und behauptet, daß die Verantwortlichkeit der menschlichen Handlung nur im Zusammenhange mit seiner Auffassung nachgewiesen werden könne, übersieht aber, daß die Antriebe des Willens keineswegs immer eine Wahl in sich schließen, und daß bei stattfindender Wahl der Wille tatsächlich unter dem Einfluß mannigfaltiger äußerer und innerer Bestimmungsgrunde steht, und endlich, daß eine Verantwortlichkeit auch im Zusammenhange mit anderen Theorien angenommen werden kann. Der Wille steht, wo eine wirkliche Wahl stattfindet, stets unter dem Einfluß von Motiven und dem Charakter der wählenden Person. Die Möglichkeit, verschieden zu wählen ist oft vorhanden; aber die wirkliche Entscheidung erfolgt stets durch Gründe. Inbesondere ist Kants Annahme einer intelligiblen Freiheit auf eine in Wirklichkeit nicht zutreffende Scheidung der empirischen Willenstätigkeit und der Vernunfttätigkeit des Menschen begründet. Kant hat nicht die Frage im Auge gehabt, wie der Mensch, dessen Wille nach Inhalt und Ziel bestimmt ist, handele, sondern nur, wie reine Vernunft den Willen bestimme. Er kommt daher mit seinen Untersuchungen nur zu einem formalen inhaltlosen Moralprinzip. Nur durch seine einseitige und isolierende Fragestellung ist er zur Theorie der intelligiblen Freiheit des Willens gekommen. Wer nicht, wie Kant, das Apriori ins Auge faßt, sondern den ganzen Menschen, wird zu einer Lehre von der intelligiblen Freiheit keine Veranlassung finden. -

Vertreter des Determinismus sind im Altertum die Stoiker gewesen. Nach ihrer Auffassung erfolgt in der Welt alles vermöge eines natürlichen und unveränderlichen Zusammenhangs von Ursachen und Wirkungen; eine Freiheit des Willens könne darum nicht bestehn. Die Stoiker nahmen sogar eine alles beherrschende heimarmenê an (Zeller, Die Phil. d. Gr., IV. S. 144, 146, 148, 151). Das Mittelalter mit seiner Prädestinationnlehre und seinem Dogma von der Erbsünde denkt wesentlich deterministisch. In der Neuzeit vertreten den Determinismus (außer Spinoza) Hobbes, Leibniz und die Materialisten. Nach Hobbes (1588-1678) sind alle Erscheinungen Körperbewegungen, die mit mechanischer Notwendigkeit vonstatten gehen; auch die sittlichen Erscheinungen unterliegen ebenso wie die physischen dem Gesetz der mechanischen Kausalität. Aus sinnlichen Eindrücken gehen die Gefühle der Lust und Unlust, aus diesen gehen die Affekte und Begehrungen und aus dem Sieg der einen Begehrung über andere der Wille hervor, der daher nicht frei genannt werden kann. Auch Leibniz (1646-1716) erklärt den Willen für determiniert. Der Wille unterliegt wie jede einzelne Monade und wie das Weltganze einer Vorherbestimmung. Wir sind in unserm Wollen niemals indifferent und werden auch niemals von gleich starken Bestimmungsgründen nach entgegengesetzten Seiten getrieben. Der Mensch wählt immer das, wozu ihn eine an Stärke überwiegende Neigung hinzieht. Unsere Willensakte sind das natürliche Ergebnis unserer Individualität und ihrer Entwicklung, wie diese in Rücksicht auf das Weltganze angelegt ist. (Vgl. Zeller, Gesch. d. deutschen Philos. S. 118 ff.) Auch der gesamte Materialismus der Neuzeit tritt in innerer Konsequenz Für den Determinismus ein. Aber soweit der Determinismus lediglich äußere Bestimmungsgründe für den Willen ansetzt, wie dies bei den Materialisten geschieht, während Leibniz schon einen freieren Blick besitzt, beruht er auf ungenügender Beobachtung der Vorgänge; denn die Willensbestimmung erfolgt ebensosehr durch innere wie durch äußere Begtimmungsgründe, und der psychische Charakter des Menschen hat oft den größeren Anteil an der Bestimmung als das den äußeren Bestimmungsgrund bildende Motiv, oft sogar den einzigen. Auch hebt der konsequente Determinismus in der Tat die praktische Willensfreiheit und die Verantwortlichkeit des Menschen für seine Handlungen auf und setzt sich dadurch in Widerspruch zur natürlichen Auffassung. -

Der einzige den Tatsachen entsprechende und die Vorgänge richtig erklärende Standpunkt bleibt darum der des psychologischen Determinismus, der den Willen als zugleich durch äußere und innere Ursachen, durch Motive und psychische Gründe, vor allem durch den ganzen Charakter des Menschen bestimmt ansieht, der das Gesetz der Willensbestimmung nicht als einen Gegensatz zum kausalen Geschehen ansieht, sondern der Kausalität der Außenwelt eine innere Kausalität, für die freilich das Gesetz der Äquivalenz von Ursache und Wirkung noch nicht aufgestellt werden kann, an die Seite setzt und sowohl die Selbstbestimmung des Willens, die praktische Freiheit, wie auch die Verantwortlichkeit zu erklären vermag, indem er alle Zufälligkeit im Gebiete des Handelns aufhebt und zugleich allen fatalistischen Ansichten ein Ende macht. Die Hauptvertreter dieses psychologischen Determinismus sind Locke und die englischen Empiristen sowie Herbart und Wundt. Locke (1632-1704) sieht den Willen selbst als nicht frei an. Der Wille wird stets durch ein Verlangen in Bewegung gesetzt und der Entschluß durch ein Urteil der Vernunft bestimmt. Aber es steht in der Macht des Menschen, eine Überlegung anzustellen und ihr die Richtung zu geben. Die Freiheit liegt zwar nicht im Willen, sie ist ein Vermögen, wie der Wille es auch ist; aber die Freiheit liegt in der Person des Menschen und kommt bei den Überlegungen zur Geltung, so daß eine sittliche Verantwortlichkeit des Menschen besteht (Locke, Versuch ü. d. menschl. Verstand II 21 §§ 4-73). Herbart (1776-1841) betrachtet die innere Freiheit als die Einstimmigkeit des Willens mit dem eigenen Urteile. Das Wollen hängt nach seiner Auffassung von der Einsicht ab und wird durch die Vorstellungen und den Charakter des Menschen bestimmt. Freiheit ist nur die Bestimmbarkeit des Willens durch Motive und den Charakter, und eine Freiheit, die der Kausalität entgegengesetzt wäre, existiert nicht. Am schärfsten hat Wundt (geb. 1832) den Begriff des psychologischen Determinismus entwickelt und für die Willensbestimmung die inneren Ursachen und eine geistige Kausalität ohne das Prinzip der Äquivalenz von Ursache und Wirkung aufgestellt (Wundt, Grundz. d. phys. Psych. II S. 463-487). Es ergibt sich mithin, daß der Mensch beim Handeln bald durch Motive getrieben wird und dann nicht frei ist, bald durch seinen Charakter bestimmt wird und dann freihandelt, daß aber Willensfreiheit nicht die Fähigkeit ursachlosen oder grundlosen oder gar gesetzlosen Handelns, sondern die Möglichkeit der Willensbestimmung aus psychologischer Notwendigkeit, unabhängig von äußerem Zwange, ist. Die Freiheit ist kein dauernder Zustand des Willens, sondern muß in jedem Falle errungen werden; so trifft Goethes Wort zu: »Das ist der Weisheit letzter Schluß; Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß.« Vgl. Determinismus, Willkür, Zurechnung, Notwendigkeit. Drobisch, d. moral. Statistik und Willensfreiheit. Lpz. 1867. J. C. Fischer, Die Freiheit des menschlichen Willens. Lpz. 1871. H. Sommer, Freiheit des Willens. Berlin 1880.