Zurechnung
Zurechnung (imputatio) besteht in einem Urteil, durch welches ansgesprochen wird, daß eine bestimmte Tat eine bestimmte Person zum Urheber habe. Der Kausalnexus zwischen Urheber und Tat wird aber durch das Wollen hergestellt, das aus dem Ich hervorgeht. Daher hat man bei der Abwägung, ob eine Tat jemandem zuzurechnen sei, die doppelte Frage aufzuwerten: ist die Tat aus dem Wollen des betreffenden Menschen und ist das Wollen aus dem Bewußtsein desselben hervorgegangen? Die Bejahung der ersten Frage ergibt die Zurechenbarkeit der Tat, die der zweiten die Zurechnungsfähigkeit des Subjekts. Jene Zurechnung ist die faktische, diese die rechtlich-moralische Zurechnung. Hat z.B. jemand im Wahnsinn oder auf Befehl eines Vorgesetzten etwas getan, so muß ihm zwar der Erfolg als seine Tat zugeschrieben, aber er kann keine Schuld dafür beigemessen werden. Die Zurechnung hat verschiedene Stufen. Sie ist unmittelbar, wenn jemand eine Tat selbst getan hat (physische Urheberschaft); sie ist mittelbar, wenn er einen anderen dazu angestiftet hat (intellektuelle Urheberschaft). Sie ist vollständig oder unvollständig, je nachdem die Handlung die allein hinreichende Ursache des Erfolges war oder nicht. Demgemäß bemißt sich auch die Schuld der Teilnehmer. Vor allem kommt es darauf an, ob der Mensch Einsicht und Vorsatz hatte. Alles, was der Täter als direkte oder indirekte Folge seiner äußeren oder inneren Handlung voraussehen mußte, ist zurechenbar, was er nicht voraussehen konnte, ist unzurechenbar; was er voraussehen konnte und nicht vorausgesehen hat, wird strafbar, wenn er es hätte voraussehen sollen. Die Zurechnungsfähigkeit hängt ab vom Kennen und Wollen, vom Wissen des Sollens und vom Begehren des Gewußten. Unzurechnungsfähig sind also Kinder, Wahnsinnige, Kranke, Taubstumme (z.B. betreffs des Eides), Hypnotisierte usw. Alles Gesagte gilt natürlich nicht nur für Taten, sondern auch für sträfliche Unterlassungen. Vgl. J. Hoppe, d. Zurechnungsfähigk. 1877. G. Rümelin, Reden und Aufsätze. 1881.