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Organismus

Man hat viel Mißbrauch getrieben mit dem Bilde, die Sprache sei ein Organismus. Sie kann gar nicht ein Organismus sein, denn wenn dieses Wort überhaupt einen Sinn haben soll, so müßte doch, was ein Organismus sein will, eine Einheit sein, die durch sich selbst, die allein leben kann.

Die Sprache existiert aber niemals für sich allein, sondern immer nur zwischen den Menschen. Sie ist für die Menschen, was der sagenhafte Äther für die gravitierenden, elektrischen oder leuchtenden Körper. Etwas, was die Schwingungen schwingen läßt, die Gehirnschwingungen von einem zum anderen.

Da zur Sprache immer mindestens zwei gehören, so könnte man daran denken, daß sie die Menschen verbinde, wie die Begattung, und daß sie so wenigstens die Verbindung zweier Organismen, den Akt der geistigen Zeugung, darstelle.

Der Organismus ist fruchtbar, fortzeugend. Die Sprache aber ist unfruchtbar. Sie trägt nur die tauben Nüsse der Tautologie. Sie zeugt nicht und leistet höchstens Hebammendienste. Und hat sie unreine Finger, so bringt sie die Wöchnerin um.  

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