Arzneiweine
Arzneiweine (Vina medicata). Sowohl die rein bittern, als die flüchtigen und aromatischen heilsamen Stoffe verschiedener Kräuter, Blumen und Wurzeln, zieht der Wein vermöge seines Gehalts an Alkohol aus denselben und wird dadurch zu einer Arznei. Für fieberhafte Kranke, die an einem hitzigen Übel leiden, deren Säfte in Wallung, die Nerven im Zustande von Aufreizung oder Aufruhr sich befinden, oder wo eine verborgene Entzündungsreizung in den Lungen (ein festsitzender, andauernder Schmerz in der Tiefe der Brust) oder in dem Unterleibe obwaltet, können solche Arzneiweine nicht passen. Ebenso wenig für Personen, die immer hartleibig sind und eine sitzende Lebensart führen. Wo aber Jemand bei einem schwammigen Körperbau sehr zur Verschleimung, zum langwierigen Schnupfen, Schleimhusten, Schleimdurchfall geneigt ist, da passt ein solcher aromatisch-bitterer Arzneiwein, der den Magen stärkt, den Schleim auflöst, den Durchfall hemmt (nur darf kein Hämorrhoidalleiden dabei obwalten, sonst verschlimmert man durch solche zusammenziehende Mittel das Übel, statt es zu heben.)
Die vorzüglichsten Arzneiweine sind:
1) Der Engelwurzwein. Die Engelwurzel (Radix Angelicae), auch Luftwurzel, Brustwurzel genannt, ist ein ganz vorzügliches schleimauflösendes Brustmittel. Sie wächst allenthalben an sumpfigen Orten, in und außerhalb Deutschland, muss im Frühjahr oder Spätherbst (nicht im Sommer) ausgegraben werden; alsdann hat sie einen sehr gewürzhaften, durchdringenden und belebenden Geruch, und einen angenehmen bittern Geschmack. Der Angelikawein wird so bereitet, dass man von der zerschnittenen Wurzel zwei Lot auf eine Flasche guten Wein nimmt und die Flasche einen Tag in die Sonne oder beim warmen Ofen stellt. Man nimmt davon Vormittags um 10 Uhr ein halbes Weinglas, und ebenso viel vor dem Schlafengehen, — zur Stärkung beim Schleimdurchfall oder bei sonstiger Entkräftung durch langwierige Körperleiden.
2) Wermutwein. Man übergießt ein bis zwei Lot trockenes und zerriebenes Wermutkraut (oder vier Lot grünes) mit einer Kanne Wein, lässt es einige Tage ausziehen und trinkt davon täglich ein bis zwei Weingläser voll. Noch besser wird der Wermutwein, wenn man im Frühling eine kleine Handvoll des frisch auskeimenden grünen Krauts von der Pflanze abpflückt und mit einer Flasche Wein infundiert. Das Kraut selbst darf hier ebenso wenig, als wie bei der Bereitung des Wermutbranntweins zerschnitten werden, sonst verlieren beide ihre schöne helle grüne Farbe.
3) Pomeranzenwein. Man nehme drei Lot Pomeranzenschale, welche von der innern weißen und schwammigen Substanz befreit ist, und vier Lot unreife Pomeranzen, zerstoße beides und gieße eine Flasche Wein darauf, lasse Alles zwei bis drei Tage in der Wärme digerieren und seihe es dann durch. Personen mit schwachem Magen und Neigung zu Flatulenz nehmen davon täglich ein halbes bis ganzes Weinglas voll. Die überzuckerten Pomeranzenschalen sind auch sehr magenstärkend, desgleichen der sogenannte Bischoff, bestehend aus Pomeranzenschale, Wein und Zucker. Wer sich die Mühe des Selbstbereitens dieser Weine nicht machen will, der kann sich die zusammengesetzte Pomeranzentinktur (Tinctura aurantiorum composita) aus der Apotheke kaufen. Dosis: einen Teelöffel voll zwei bis dreimal täglich in einem Glas Wein.
4) Chinawein, s. Chinarinde.
5) Quassiawein, s. Quassia.