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Ein Wahn in der Lehre vom Umsturz

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Ein Wahn in der Lehre vom Umsturz. — Es gibt politische und soziale Phantasten, welche feurig und beredt zu einem Umsturz aller Ordnungen auffordern, in dem Glauben, dass dann sofort das stolzeste Tempelhaus schönen Menschentums gleichsam von selbst sich erheben werde. In diesen gefährlichen Träumen klingt noch der Aberglaube Rousseau’s nach, welcher an eine wundergleiche, ursprüngliche, aber gleichsam verschüttete Güte der menschlichen Natur glaubt und den Institutionen der Kultur, in Gesellschaft, Staat, Erziehung, alle Schuld jener Verschüttung beimisst. Leider weiß man aus historischen Erfahrungen, dass jeder solche Umsturz die wildesten Energien als die längst begrabenen Furchtbarkeiten und Maßlosigkeiten fernster Zeitalter von Neuem zur Auferstehung bringt: dass also ein Umsturz wohl eine Kraftquelle in einer mattgewordenen Menschheit sein kann, nimmermehr aber ein Ordner, Baumeister, Künstler, Vollender der menschlichen Natur. — Nicht Voltaire’s maßvolle, dem Ordnen, Reinigen und Umbauen zugeneigte Natur, sondern Rousseau’s leidenschaftliche Torheiten und Halblügen haben den optimistischen Geist der Revolution wachgerufen, gegen den ich rufe: „Ecrasez l’infame!“ Durch ihn ist der Geist der Aufklärung und der fortschreitenden Entwicklung auf lange verscheucht worden — sehen wir zu — ein Jeder bei sich selber — ob es möglich ist, ihn wieder zurückzurufen!