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XVIII. Farbige Bilder durch Brechung verrückt

 

274. Wenn nun aus der angegebenen Ursache die oberen Ränder dieser Vierecke nicht horizontal erscheinen, so erscheinen die untern desto gleicher: denn indem beide Farben, die rote und die blaue, gegen das Weiße gerechnet, dunkler sind, als sie gegen das Schwarze hell waren, welches besonders von der letztern gilt, so entsteht unter beiden der rote Rand mit seinem gelben Saume sehr deutlich. Er zeigt sich unter dem gelbroten Bilde in seiner ganzen Schönheit, und unter dem dunkelblauen beinahe wie er unter dem schwarzen erschien, wie man bemerken kann, wenn man abermals die übereinandergesetzten Bilder und ihre Ränder und Säume vergleicht.

275. Um nun diesen Versuchen die größte Mannigfaltigkeit und Deutlichkeit zu geben, sind Vierecke von verschiedenen Farben in der Mitte der Tafel dergestalt angebracht, daß die Grenze des Schwarzen und Weißen vertikal durch sie durchgeht. Man wird sie, nach jenen uns überhaupt und besonders bei farbigen Bildern genugsam bekannt gewordenen Regeln, an jedem Rand zwiefach gefärbt finden, und die Vierecke werden in sich selbst entzweigerissen und hinauf - oder herunterwärts gerückt erscheinen. Wir erinnern uns hiebei jenes grauen, gleichfalls auf der Grenzscheidung des Schwarzen und Weißen beobachteten Bildes (257).

276. Da nun das Phänomen, das wir vorhin an einem roten und blauen Viereck auf schwarzem Grunde bis zur Täuschung gesehen haben, das Hinauf- und Hinabrücken zweier verschieden gefärbten Bilder uns hier an zwei Hälften eines und desselben Bildes von einer und derselben Farbe sichtbar wird, so werden wir dadurch abermals auf die farbigen Ränder, ihre Säume und auf die Wirkungen ihrer homogenen und heterogenen Natur hingewiesen, wie sie sich zu den Bildern verhält, an denen die Erscheinung vorgeht.

Ich überlasse den Beobachtern die mannigfaltigen Schattierungen der halb auf Schwarz, halb auf Weiß angebrachten farbigen Vierecke selbst zu vergleichen, und bemerke nur noch die widersinnige scheinbare Verzerrung, da Rot und Gelb auf Schwarz hinaufwärts, auf Weiß herunterwärts, Blau auf Schwarz herunterwärts, und auf Weiß hinaufwärts gezogen scheinen; welches doch alles dem bisher weitläuftig Abgehandelten gemäß ist.

277. Nun stelle der Beobachter die Tafel dergestalt vor sich, daß die vorgedachten, auf der Grenze des Schwarzen und Weißen stehenden Vierecke sich vor ihm in einer horizontalen Reibe befinden, und daß zugleich der schwarze Teil oben, der weiße aber unten sei. Er betrachte durchs Prisma jene Vierecke, und er wird bemerken, daß das rote Viereck durch den Ansatz zweier roten Ränder gewinnt; er wird bei genauer Aufmerksamkeit den gelben Saum auf dem roten Bilde bemerken, und der untere gelbe Saum nach dem Weißen zu wird völlig deutlich sein.

278. Oben an dem gelben Viereck ist der rote Rand sehr merklich, weil das Gelbe als hell gegen das Schwarz genugsam absticht. Der gelbe Saum identifiziert sich mit der gelben Fläche, nur wird solche etwas schöner dadurch; der untere Rand zeigt nur wenig Rot, weil das helle Gelb gegen das Weiße nicht genugsam absticht. Der untere gelbe Saum aber ist deutlich genug.

279. An dem blauen Viereck hingegen ist der obere rote Rand kaum sichtbar; der gelbe Saum bringt herunterwärts ein schmutziges Grün im Bilde hervor; der untere rote Rand und der gelbe Saum zeigen sich in lebhaften Farben.

280. Bemerkt man nun in diesen Fällen, daß das rote Bild durch einen Ansatz auf beiden Seiten zu gewinnen, das dunkelblaue von einer Seite wenigstens zu verlieren scheint, so wird man, wenn man die Pappe umkehrt, so daß der weiße Teil sich oben, der schwarze sich unten befindet, das umgekehrte Phänomen erblicken.

281. Denn da nunmehr die homogenen Ränder und Säume an den blauen Vierecken oben und unten entstehen, so scheinen diese vergrößert, ja ein Teil der Bilder selbst schöner gefärbt, und nur eine genaue Beobachtung wird die Ränder und Säume von der Farbe der Fläche selbst unterscheiden lehren.

282. Das Gelbe und Rote dagegen werden in dieser Stellung der Tafel von den heterogenen Rändern eingeschränkt und die Wirkung der Lokalfarbe verkümmert. Der obere blaue Rand ist an beiden fast gar nicht sichtbar. Der violette Saum zeigt sich als ein schönes Pfirsichblüt auf dem roten, als ein sehr blasses auf dem gelben; die beiden untern Ränder sind grün; an dem roten schmutzig, lebhaft an dem gelben; den violetten Saum bemerkt man unter dem roten wenig, mehr unter dem gelben.

283. Ein jeder Naturfreund mache sich zur Pflicht, mit allen den vorgetragenen Erscheinungen genau bekannt zu werden, und halte es nicht für lästig, ein einziges Phänomen durch so manche bedingende Umstände durchzuführen. Ja diese Erfahrungen lassen sich noch ins Unendliche durch Bilder von verschiedenen Farben, auf und zwischen verschiedenfarbigen Flächen, vervielfältigen. Unter allen Umständen aber wird jedem Aufmerksamen deutlich werden, daß farbige Vierecke nebeneinander nur deswegen durch das Prisma verschoben erscheinen, weil ein Ansatz von homogenen und heterogenen Rändern eine Täuschung hervorbringt. Diese ist man nur alsdann zu verbannen fähig, wenn man eine Reihe von Versuchen nebeneinander zu stellen und ihre Übereinstimmung darzutun genugsame Geduld hat.

Warum wir aber vorstehende Versuche mit farbigen Bildern, welche auf mehr als eine Weise vorgetragen werden konnten, gerade so und so umständlich dargestellt, wird in der Folge deutlicher werden. Gedachte Phänomene waren früher zwar nicht unbekannt, aber sehr verkannt; deswegen wir sie, zu Erleichterung eines künftigen historischen Vortrags, genau entwickeln mußten.

284. Wir wollen nunmehr zum Schlusse den Freunden der Natur eine Vorrichtung anzeigen, durch welche diese Erscheinungen auf einmal deutlich, ja in ihrem größten Glanze, gesehen werden können.

Man schneide aus einer Pappe fünf, ungefähr einen Zoll große, völlig gleiche Vierecke nebeneinander aus, genau in horizontaler Linie. Man bringe dahinter fünf farbige Gläser, in der bekannten Ordnung, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett. Man befestige diese Tafel in einer Öffnung der Camera obscura, so daß der helle Himmel durch sie gesehen wird, oder daß die Sonne darauf scheint, und man wird höchst energische Bilder vor sich haben. Man betrachte sie nun durchs Prisma und beobachte die durch jene Versuche an gemalten Bildern schon bekannten Phänomene, nämlich die teils begünstigenden, teils verkümmernden Ränder und Säume, und die dadurch bewirkte scheinbare Verrückung der spezifisch gefärbten Bilder aus der horizontalen Linie.

Das was der Beobachter hier sehen wird, folgt genugsam aus dem früher Abgeleiteten; daher wir es auch nicht einzeln abermals durchführen, um so weniger, als wir auf diese Erscheinungen zurückzukehren noch öfteren Anlaß finden werden.

 


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