XXXIII. Epoptische Farben
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461. Vierte Bedingung. Farbige Erscheinungen lassen sich fast an allen Blasen beobachten. Die Seifenblasen sind die bekanntesten und ihre Schönheit ist am leichtesten darzustellen. Doch findet man sie auch beim Weine, Bier, bei geistigen reinen Liquoren, besonders auch im Schaume der Schokolade.
462. Wie wir oben einen unendlich schmalen Raum zwischen zwei Flächen, welche sich berühren, erforderten, so kann man das Häutchen der Seifenblase als ein unendlich dünnes Blättchen zwischen zwei elastischen Körpern ansehen: denn die Erscheinung zeigt sich doch eigentlich zwischen der innern, die Blase auftreibenden Luft und zwischen der atmosphärischen.
463. Die Blase, indem man sie hervorbringt, ist farblos: dann fangen farbige Züge, wie des Marmorpapieres, an sich sehen zu lassen, die sich endlich über die ganze Blase verbreiten oder vielmehr um sie herumgetrieben werden, indem man sie aufbläst.
464. Es gibt verschiedene Arten, die Blase zu machen; frei, indem man den Strohhalm nur in die Auflösung taucht und die hängende Blase durch den Atem auftreibt. Hier ist die Entstehung der Farbenerscheinung schwer zu beobachten, weil die schnelle Rotation keine genaue Bemerkung zuläßt und alle Farben durcheinander gehen. Doch läßt sich bemerken, daß die Farben am Strohhalm anfangen. Ferner kann man in die Auflösung selbst blasen, jedoch vorsichtig, damit nur eine Blase entstehe. Sie bleibt, wenn man sie nicht sehr auftreibt, weiß; wenn aber die Auflösung nicht allzu wäßrig ist, so setzen sich Kreise um die perpendikulare Achse der Blase, die gewöhnlich grün und purpurn abwechseln, indem sie nah aneinander stoßen. Zuletzt kann man auch mehrere Blasen nebeneinander hervorbringen, die noch mit der Auflösung zusammenhangen. In diesem Falle entstehen die Farben an den Wänden, wo zwei Blasen einander platt gedrückt haben.
465. An den Blasen des Schokoladenschaums sind die Farben fast bequemer zu beobachten als an den Seifenblasen. Sie sind beständiger, obgleich kleiner. In ihnen wird durch die Wärme ein Treiben, eine Bewegung hervorgebracht und unterhalten, die zur Entwicklung, Sukzession und endlich zum Ordnen des Phänomens nötig zu sein scheinen.
466. Ist die Blase klein oder zwischen andern eingeschlossen, so treiben sich farbige Züge auf der Oberfläche herum, dem marmorierten Papiere ähnlich; man sieht alle Farben unsres Schemas durcheinander ziehen, die reinen, gesteigerten, gemischten, alle deutlich hell und schön. Bei kleinen Blasen dauert das Phänomen immer fort.
467. Ist die Blase größer oder wird sie nach und nach isoliert, dadurch daß die andern neben ihr zerspringen, so bemerkt man bald, daß dieses Treiben und Ziehen der Farben auf etwas abzwecke. Wir sehen nämlich auf dem höchsten Punkte der Blase einen kleinen Kreis entstehen, der in der Mitte gelb ist; die übrigen farbigen Züge bewegen sich noch immer wurmförmig um ihn her.
468. Es dauert nicht lange, so vergrößert sich der Kreis und sinkt nach allen Seiten hinab. In der Mitte behält er sein Gelb, nach unten und außen wird er purpurfarben und bald blau. Unter diesem entsteht wieder ein neuer Kreis von eben dieser Farbenfolge. Stehen sie nahe genug beisammen, so entsteht aus Vermischung der Endfarben ein Grün.
469. Wenn ich drei solcher Hauptkreise zählen konnte, so war die Mitte farblos, und dieser Raum wurde nach und nach größer, indem die Kreise mehr niedersanken, bis zuletzt die Blase zerplatzte.
470. Fünfte Bedingung. Es können auf verschiedene Weise sehr zarte Häutchen entstehen, an welchen man ein sehr lebhaftes Farbenspiel entdeckt, indem nämlich sämtliche Farben entweder in der bekannten Ordnung oder mehr verworren durcheinander laufend gesehen werden. Das Wasser, in welchem ungelöschter Kalk aufgelöst worden, überzieht sich bald mit einem farbigen Häutchen. Ein Gleiches geschieht auf der Oberfläche stehender Wasser, vorzüglich solcher, welche Eisen enthalten. Die Lamellen des feinen Weinsteins, die sich, besonders von rotem französischen Weine, in den Bouteillen anlegen, glänzen von den schönsten Farben, wenn sie auf sorgfältige Weise losgeweicht und an das Tageslicht gebracht werden. Öltropfen auf Wasser, Branntwein und andern Flüssigkeiten bringen auch dergleichen Ringe und Flämmchen hervor. Der schönste Versuch aber, den man machen kann, ist folgender. Man gieße nicht allzu starkes Scheidewasser in eine flache Schale und tropfe mit einem Pinsel von jenem Firnis darauf, welchen die Kupferstecher brauchen, um während des Ätzens gewisse Stellen ihrer Platten zu decken. Sogleich entsteht unter lebhafter Bewegung ein Häutchen, das sich in Kreise ausbreitet und zugleich die lebhaftesten Farbenerscheinungen hervorbringt.
471. Sechste Bedingung. Wenn Metalle erhitzt werden, so entstehen auf ihrer Oberfläche flüchtig aufeinanderfolgende Farben, welche jedoch nach Belieben festgehalten werden können.
472. Man erhitze einen polierten Stahl, und er wird in einem gewissen Grad der Wärme gelb überlaufen. Nimmt man ihn schnell von den Kohlen weg, so bleibt ihm diese Farbe.
473. Sobald der Stahl heißer wird, erscheint das Gelbe dunkler, höher und geht bald in den Purpur hinüber. Dieser ist schwer festzuhalten, denn er eilt sehr schnell ins Hochblaue.
474. Dieses schöne Blau ist festzuhalten, wenn man schnell den Stahl aus der Hitze nimmt und ihn in Asche steckt. Die blau angelaufnen Stahlarbeiten werden auf diesem Wege hervorgebracht. Fährt man aber fort, den Stahl frei über dem Feuer zu halten, so wird er in kurzem hellblau, und so bleibt er.
475. Diese Farben ziehen wie ein Hauch über die Stahlplatte, eine scheint vor der andern zu fliehen, aber eigentlich entwickelt sich immer die folgende aus der vorhergehenden.
476. Wenn man ein Federmesser ins Licht hält, so wird ein farbiger Streif quer über die Klinge entstehen. Der Teil des Streifes, der am tiefsten in der Flamme war, ist hellblau, das sich ins Blaurote verliert. Der Purpur steht in der Mitte, dann folgt Gelbrot und Gelb.
477. Dieses Phänomen leitet sich aus dem vorhergehenden ab; denn die Klinge nach dem Stiele zu ist weniger erhitzt als an der Spitze, welche sich in der Flamme befindet; und so müssen alle Farben, die sonst nacheinander entstehen, auf einmal erscheinen, und man kann sie auf das beste figiert aufbewahren.
478. Robert Boyle gibt diese Farbensukzession folgendermaßen an: a florido flavo ad flavum saturum et rubescentem (quem artifices sanguineum vocant) inde ad languidum, postea ad saturlorem cyaneum. Dieses wäre ganz gut, wenn man die Worte languidus und saturior ihre Stellen verwechseln ließe. Inwiefern die Bemerkung richtig ist, daß die verschiedenen Farben auf die Grade der folgenden Härtung Einfluß haben, lassen wir dahingestellt sein. Die Farben sind hier nur Anzeichen der verschiedenen Grade der Hitze.
479. Wenn man Blei kalziniert, wird die Oberfläche erst graulich. Dieses grauliche Pulver wird durch größere Hitze gelb und sodann orange. Auch das Silber zeigt bei der Erhitzung Farben. Der Blick des Silbers beim Abtreiben gehört auch hieher. Wenn metallische Gläser schmelzen, entstehen gleichfalls Farben auf der Oberfläche.
480. Siebente Bedingung. Wenn die Oberfläche des Glases angegriffen wird. Das Blindwerden des Glases ist uns oben schon merkwürdig gewesen. Man bezeichnet durch diesen Ausdruck, wenn die Oberfläche des Glases dergestalt angegriffen wird, daß es uns trüb erscheint.
481. Das weiße Glas wird am ersten blind, desgleichen gegossenes und nachher geschliffenes Glas, das blauliche weniger, das grüne am wenigsten.
482. Eine Glastafel hat zweierlei Seiten, davon man die eine die Spiegelseite nennt. Es ist die, welche im Ofen oben liegt, an der man rundliche Erhöhungen bemerken kann. Sie ist glätter als die andere, die im Ofen unten liegt und an welcher man manchmal Kritzen bemerkt. Man nimmt deswegen gern die Spiegelseite in die Zimmer, weil sie durch die von innen anschlagende Feuchtigkeit weniger als die andre angegriffen und das Glas daher weniger blind wird.
483. Dieses Blindwerden oder Trüben des Glases geht nach und nach in eine Farbenerscheinung über, die sehr lebhaft werden kann und bei welcher vielleicht auch eine gewisse Sukzession oder sonst etwas Ordnungsgemäßes zu entdecken wäre.
484. Und so hätten wir denn auch die physischen Farben von ihrer leisesten Wirkung an bis dahin geführt, wo sich diese flüchtigen Erscheinungen an die Körper festsetzen, und wir wären auf diese Weise an die Grenze gelangt, wo die chemischen Farben eintreten, ja gewissermaßen haben wir diese Grenze schon überschritten, welches für die Stetigkeit unsres Vortrags ein gutes Vorurteil erregen mag. Sollen wir aber noch zu Ende dieser Abteilung etwas Allgemeines aussprechen und auf ihren innern Zusammenhang hindeuten, so fügen wir zu dem, was wir oben (451-454) gesagt haben, noch folgendes hinzu.
485. Das Anlaufen des Stahls und die verwandten Erfahrungen könnte man vielleicht ganz bequem aus der Lehre von den trüben Mitteln herleiten. Polierter Stahl wirft mächtig das Licht zurück. Man denke sich das durch die Hitze bewirkte Anlaufen als eine gelinde Trübe; sogleich müßte daher ein Hellgelb erscheinen, welches bei zunehmender Trübe immer verdichteter, gedrängter und röter, ja zuletzt purpur und rubinrot erscheinen muß. Wäre nun zuletzt diese Farbe auf den höchsten Punkt des Dunkelwerdens gesteigert, und man dächte sich die immer fortwaltende Trübe, so würde diese nunmehr sich über ein Finsteres verbreiten und zuerst ein Violett, dann ein Dunkelblau und endlich ein Hellblau hervorbringen und so die Reihe der Erscheinungen beschließen.
Wir wollen nicht behaupten, daß man mit dieser Erklärungsart völlig auslange, unsre Absicht ist vielmehr, nur auf den Weg zu deuten, auf welchem zuletzt die alles umfassende Formel, das eigentliche Wort des Rätsels gefunden werden kann.
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