XXX. Übergang
357. Wenn wir auf die bisherige Darstellung und Ableitung der dioptrischen Farben zurücksehen, können wir keine Reue empfinden, weder daß wir sie so umständlich abgehandelt, noch daß wir sie vor den übrigen physischen Farben, außer der von uns selbst angegebenen Ordnung, vorgetragen haben. Doch gedenken wir hier an der Stelle des Übergangs unsern Lesern und Mitarbeitern desshalb einige Rechenschaft zu geben.
358. Sollten wir uns verantworten, daß wir die Lehre von den dioptrischen Farben, besonders der zweiten Klasse, vielleicht zu weitläuftig ausgeführt, so hätten wir folgendes zu bemerken. Der Vortrag irgendeines Gegenstandes unsres Wissens kann sich teils auf die innre Notwendigkeit der abzuhandelnden Materie, teils aber auch auf das Bedürfnis der Zeit, in welcher der Vortrag geschieht, beziehen. Bei dem unsrigen waren wir genötigt, beide Rücksichten immer vor Augen zu haben. Einmal war es die Absicht, unsre sämtlichen Erfahrungen sowie unsre Überzeugungen nach einer lange geprüften Methode vorzulegen; sodann aber mußten wir unser Augenmerk darauf richten, manche zwar bekannte aber doch verkannte, besonders auch in falschen Verknüpfungen aufgestellte Phänomene in ihrer natürlichen Entwicklung und wahrhaft erfahrungsmäßigen Ordnung darzustellen, damit wir künftig, bei polemischer und historischer Behandlung, schon eine vollständige Vorarbeit zu leichterer Übersicht ins Mittel bringen könnten. Daher ist denn freilich eine größere Umständlichkeit nötig geworden, welche eigentlich nur dem gegenwärtigen Bedürfnis zum Opfer gebracht wird. Künftig, wenn man erst das Einfache als einfach, das Zusammengesetzte als zusammengesetzt, das Erste und Obere als ein solches, das Zweite, Abgeleitete auch als ein solches anerkennen und schauen wird, dann läßt sich dieser ganze Vortrag ins Engere zusammenziehen, welches, wenn es uns nicht selbst noch glücken sollte, wir einer heiter tätigen Mit- und Nachwelt überlassen.
359. Was ferner die Ordnung der Kapitel überhaupt betrifft, so mag man bedenken, daß selbst verwandte Naturphänomene in keiner eigentlichen Folge oder stetigen Reihe sich aneinander schließen, sondern daß sie durch Tätigkeiten hervorgebracht werden, welche verschränkt wirken, so daß es gewissermaßen gleichgültig ist, was für eine Erscheinung man zuerst und was für eine man zuletzt betrachtet: weil es doch nur darauf ankommt, daß man sich alle möglichst vergegenwärtige, um sie zuletzt unter einem Gesichtspunkt, teils nach ihrer Natur, teils nach Menschenweise und Bequemlichkeit, zusammenzufassen.
360. Doch kann man im gegenwärtigen besondern Falle behaupten, daß die dioptrischen Farben billig an die Spitze der physischen gestellt werden, sowohl wegen ihres auffallenden Glanzes und übrigen Bedeutsamkeit, als auch weil, um dieselben abzuleiten, manches zur Sprache kommen mußte, welches uns zunächst große Erleichterung gewähren wird.
361. Denn man hat bisher das Licht als eine Art von Abstraktum, als ein für sich bestehendes und wirkendes, gewissermaßen sich selbst bedingendes, bei geringen Anlässen aus sich selbst die Farben hervorbringendes Wesen angesehen. Von dieser Vorstellungsart jedoch die Naturfreunde abzulenken, sie aufmerksam zu machen, daß, bei prismatischen und andern Erscheinungen, nicht von einem unbegrenzten bedingenden, sondern von einem begrenzten bedingten Lichte, von einem Lichtbilde, ja von Bildern überhaupt, hellen oder dunklen, die Rede sei: dies ist die Aufgabe, welche zu lösen, das Ziel, welches zu erreichen wäre.
362. Was bei dioptrischen Fällen, besonders der zweiten Klasse, nämlich bei Refraktionsfällen vorgeht, ist uns nunmehr genugsam bekannt und dient uns zur Einleitung ins Künftige.
363. Die katoptrischen Fälle erinnern uns an die physiologischen, nur daß wir jenen mehr Objektivität zuschreiben und sie deshalb unter die physischen zu zählen uns berechtigt glauben. Wichtig aber ist es, daß wir hier abermals nicht ein abstraktes Licht, sondern ein Lichtbild zu beachten finden.
364. Gehen wir zu den paroptischen über, so werden wir, wenn das Frühere gut gefaßt worden, uns mit Verwundrung und Zufriedenheit abermals im Reiche der Bilder finden. Besonders wird uns der Schatten eines Körpers, als ein sekundäres, den Körper so genau begleitendes Bild, manchen Aufschluß geben.
365. Doch greifen wir diesen fernern Darstellungen nicht vor, um, wie bisher geschehen, nach unserer Überzeugung regelmäßigen Schritt zu halten.