Zusatz
Was auch immer der bloße nicht selbst Anteil nehmende Beobachter der menschlichen Unternehmungen von Glück oder Unglück halten, und wie viel oder wenig von dem Erfolge derselben er einer unbekannten, und nicht unter unsre Berechnung zu bringenden Ursache zuschreiben möge; so soll doch der, der getrieben ist, wirklich etwas zu unternehmen, jener unbekannten Ursache durchaus keinen Einfluss zugestehen, sondern es muss ein solcher sich bestreben, sein Vorhaben so weit zu durchdringen, als irgend möglich ist, und so weit er es durchdringt, Alles berechnen, | und nun, in gutem Glauben und mit unerschütterlicher Fassung an das Werk gehen. Die meisten Male wird einem solchen Mute und Glauben das Unternehmen gelingen: Misslingen aber, Untergang, Tod, wenn es einmal sein muss, kommen ohne unsre Mühe und trotz unsrer besten Berechnungen von selber. So nun Jemand durch die Betrachtung, dass es doch immer möglich bleibe, dass ihm das Unternehmen misslinge, sich abhalten lassen wollte, etwas zu tun, bis ihm die absolute Unmöglichkeit des Misslingens mathematisch demonstriert wäre, so würde ein solcher, da eine solche Demonstration niemals möglich ist, nimmer zum Handeln kommen. So ist es freilich äußerst selten, dass eine vom Dache fallende Last einen Vorübergehenden töte, doch ist es geschehen, und wer gegen diese Gefahr sich vollkommen sicher stellen wollte, der müsste niemals sein Zimmer verlassen, in welchem jedoch auch die Decke über ihn hereinbrechen kann, welcher Gefahr er entgangen sein würde, wenn er zu der Zeit sich auf der Gasse befunden hätte. In Gefahr sind wir unaufhörlich, und wer auf absolute Versicherung wartet, ehe er etwas unternimmt, der mag dienlich sein, in der Einsamkeit erbauliche Betrachtungen anzustellen über die Sterblichkeit der Menschen, und die Hinfälligkeit aller Dinge, von dem handelnden Leben aber bleibe er entfernt.
Der schönste Glücksstern, der einem Helden ins Leben leuchten kann, ist der Glaube, dass kein Unglück sei, und dass jede Gefahr durch feste Fassung, und durch den Muth, der nichts, und, wenn es gilt, auch das eigene Leben nicht schont, besiegt werde. Gehe ein solcher sogar unter in der Gefahr, so bleibt es nur den Zurückgebliebenen, sein Unglück zu beklagen, er selbst ist nicht mehr zugegen bei seinem Unglücke. So ist auch die würdigste Verehrung, welche der Mensch der über unsere Schicksale waltenden Gottheit zu bringen vermag, der Glaube, dass sie reich genug gewesen, uns also auszustatten, dass wir selbst unser Schicksal machen könnten, dagegen ist es Lästerung, anzunehmen, dass unter dem Regimente eines solchen Wesens dasjenige, was allein Werth hat an dem Menschen, Klarheit des Geistes und Festigkeit des Willens, keine Kräfte seien, sondern | Alles durch ein blindes und vernunftloses Ungefähr entschieden werde. Denke, könnte man dem Menschen zurufen, dass du Nichts durch dich selbst seiest, und Alles durch Gott, damit du edel und stark werdest in diesem Gedanken; aber wirke, als wenn kein Gott sei, der dir helfen werde, sondern du Alles allein tun müssest, wie er dir denn auch in der Trat nicht anders helfen will, als wie er dir schon geholfen hat, dadurch, dass er dich dir selbst gab. Wo gleich beim Anfange einer Unternehmung kein rechtes eigenes Herz bei der Sache ist, sondern die Vorsehung hingestellt wird, wie es scheint, um Etwas in Bereitschaft zu haben, dem man die Schuld des unglücklichen Erfolgs gebe, da ist eben deswegen zu befürchten, dass man ihrer zu diesem Behufe bedürfen werde.
Dieser Glaube, sage ich, und das Leben in diesem Glauben, ist selbst das rechte eigentliche Glück. Dagegen ist das eigentliche Unglück das Misstrauen in die Möglichkeit eigener Einsicht und eigener Kraft, und die verzagte Ergebung in das blinde Geschick und in Alles, was dasselbe aus uns machen wolle; woraus Unentschlossenheit, Schwanken in den gefassten Planen, und, um es mit Einem Zuge zu bezeichnen, derjenige Zustand entsteht, da man zugleich auch nicht will, was man will, und zugleich auch will, was man nicht will. Wer so ist, der ist unglücklich geboren, ihm geht das Unglück nach auf allen seinen Schritten, und wohin er tritt, bringt er es mit sich.
Sehe man doch nach in der Geschichte, was denn dasjenige sei, was die Menge, an die das Urteilen nie eher kommt, bis der Erfolg gegeben ist, von jeher Glück oder Unglück genannt hat! - Es tut im Verfolge einer Unternehmung sich ein Umstand hervor, der an sich weder notwendig war, noch durch irgend einen menschlichen Verstand vorherzusehen. Der verständige Mann durchschaut auf der Stelle, wie derselbe zu gebrauchen sei für seinen Zweck, und gebraucht ihn also; er, der vielleicht, wenn statt des eingetretenen gerade sein Gegenteil sich ereignet hätte, auch dieses eben so zweckmäßig gefunden haben würde. Es friert z.B. zu ungewöhnlicher Zeit ungewöhnlich stark; und er geht über die mit Eis bedeckten Flüsse, Seen, Moräste, und erobert gegen alle Erwartung; er, der, wenn Tauwetter eingefallen wäre, vielleicht in dieselben offenen Seen und Moräste den Feind versenkt hätte. Die Menge, welche zwischen dem Froste und der Eroberung kein Mittelglied sieht, staunt sein Glück an, und es ist sein Vorteil, sie dabei zu lassen, weil dies in das Gebiet des Wunderbaren fällt, und den Mann zum besondern Lieblinge der Gottheit erhebt, dagegen die nackte Wahrheit, dass sein Glück auf seinem Verstande beruht habe, viel zu gemein und zu natürlich ist. Ein Andrer hat vielleicht auf Eines und das Andre, das sich zutragen könnte, gerechnet, und ist dagegen gerüstet; und möchte dies kommen, so würde er sich recht gut aus dem Handel ziehen. Leider aber erfolgt nicht dieses, sondern ein Anderes, worauf, als gleichwohl auch möglich, er ebenfalls hätte rechnen können und sollen: darauf ist er nicht vorbereitet, und er fällt. Da sich ihm nun dennoch nicht nachsagen lässt, dass er gar nichts bedacht habe, indem er einiges doch wirklich bedacht hat, so will er lieber Unglück gehabt haben, als seinen unzulänglichen Verstand erkennen und anklagen; und vielleicht wird ihm zum Ersatze für sein erstes Unglück das Glück zu Teil, dass er bei der unverständigen Menge Glauben findet.
Das so eben beschriebene besondere Glück aus einzelnen Ereignissen macht Jeder, der mit einem gehörig tiefen und umfassenden Plane an ein großes Unternehmen geht, sich zu eigen und fesselt es an sein Gefolge. Er hat auf manchen nachteiligen Umstand gerechnet, welcher, da so wenig alles Üble geschieht, das wir fürchten, als alles Gute, das wir hoffen, nicht eintritt; er hat gegen diese Übel Kräfte in Bereitschaft gesetzt, welche, hiervon erübrigt, ihm für andere Zwecke gewonnen werden. Er hat auf manches günstige Ereignis nicht gerechnet, welches gleichwohl, wie dies immer geschieht, sich einstellt. Er weiß dies auf das Beste zu benutzen, und hat abermals gewonnen. Überhaupt sind demjenigen, der einmal im Vorteile ist, alle Dinge freundlich; so lange er nämlich in sich diejenigen Eigenschaften, durch die er anfangs in den Vorteil kam, aufrecht erhält, und durch Siegestaumel sich nicht zu Übermut, Sorglosigkeit und Vermessenheit hinreißen lässt. Dagegen sind dem, der in den Nachteil gekommen, alle Dinge weit schwerer zu handhaben, und es ist zu befürchten, dass sein erstes Unglück eine Reihe anderer Unglücksfälle zur Folge haben werde.