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[Monadologie]

Die philosophische Geschichte als die Wissenschaft vom Ursprung ist die Form, die da aus den entlegenen Extremen, den scheinbaren Exzessen der Entwicklung die Konfiguration der Idee als der durch die Möglichkeit eines sinnvollen Nebeneinanders solcher Gegensätze gekennzeichneten Totalität heraustreten läßt. Die Darstellung einer Idee kann unter keinen Umständen als geglückt betrachtet werden, solange virtuell der Kreis der in ihr möglichen Extreme nicht abgeschritten ist. Das Abschreiten bleibt virtuell. Denn das in der Idee des Ursprungs Ergriffene hat Geschichte nur noch als einen Gehalt, nicht mehr als ein Geschehn, von dem es betroffen würde. Innen erst kennt es Geschichte, und zwar nicht mehr im uferlosen, sondern in dem aufs wesenhafte Sein bezogenen Sinne, der sie als dessen Vor- und Nachgeschichte zu kennzeichnen gestattet. Die Vor- und Nachgeschichte solcher Wesen ist, zum Zeichen ihrer Rettung oder Einsammlung in das Gehege der Ideenwelt, nicht reine, sondern natürliche Geschichte. Das Leben der Werke und Formen, das in diesem Schutze allein sich klar und ungetrübt vom menschlichen entfaltet, ist ein natürliches Leben.1 Ist dies gerettete Sein in der Idee festgestellt, so ist die Präsenz der uneigentlichen nämlich naturhistorischen Vor- sowie Nachgeschichte virtuell. Sie ist nicht mehr pragmatisch wirklich, sondern, als die natürliche Historie, am vollendeten und zur Ruhe gekommenen Status, der Wesenheit, abzulesen. Damit bestimmt die Tendenz aller philosophischen Begriffsbildung sich neu in dem alten Sinn: das Werden der Phänomene festzustellen in ihrem Sein. Denn der Seinsbegriff der philosophischen Wissenschaft ersättigt sich nicht am Phänomen, sondern erst an der Aufzehrung seiner Geschichte. Die Vertiefung der historischen Perspektive in dergleichen Untersuchungen kennt, sei es ins Vergangene oder ins Künftige, prinzipiell keine Grenzen. Sie gibt der Idee das Totale. Deren Bau, wie die Totalität sie im Kontrast zu der ihr unveräußerlichen Isolierung prägt, ist monadologisch. Die Idee ist Monade. Das Sein, das da mit Vor- und Nachgeschichte in sie eingeht, gibt in der eigenen verborgen die verkürzte und verdunkelte Figur der übrigen Ideenwelt, so wie bei den Monaden der ›Metaphysischen Abhandlung‹ von 1686 in einer jeweils alle andern undeutlich mitgegeben sind. Die Idee ist Monade — in ihr ruht prästabiliert die Repräsentation der Phänomene als in deren objektiver Interpretation. Je höher geordnet die Ideen desto vollkommener die in ihnen gesetzte Repräsentation. Und so könnte denn wohl die reale Welt in dem Sinne Aufgabe sein, daß es gelte, derart tief in alles Wirkliche zu dringen, daß eine objektive Interpretation der Welt sich drin erschlösse. Von der Aufgabe einer derartigen Versenkung aus betrachtet erscheint es nicht rätselhaft, daß der Denker der Monadologie der Begründer der Infinitesimalrechnung war. Die Idee ist Monade — das heißt in Kürze: jede Idee enthält das Bild der Welt. Ihrer Darstellung ist zur Aufgabe nichts Geringeres gesetzt, als dieses Bild der Welt in seiner Verkürzung zu zeichnen.



  1. Cf. Walter Benjamin: Die Aufgabe des Übersetzers. In: Charles Baudelaire: Tableaux parisiens. Dt. Übertragung mit einem Vorwort ... von Walter Benjamin. Heidelberg 1923. (Die Drucke des Argonautenkreises. 5.) S. VIII f. [Schriften. (Hrsg. von Theodor W. Adorno und Gretel Adorno unter Mitwirkung von Friedrich Podszus.) Bd 1. (Frankfurt a.M.) 1955. S. 41 ff.]