Baumwollindustrie - Strumpfwirkerei - Spitzenfabrikation - Bleicherei, Druckerei, Färberei


Verfolgen wir indes die Entwicklung der englischen Industrie 1) etwas genauer und fangen wir mit ihrem Hauptzweige, der Baumwollenindustrie an. In den Jahren 1771 bis 1775 wurden im Durchschnitt jährlich weniger als fünf Millionen Pfund roher Baumwolle importiert, im Jahre 1841 achtundzwanzig Millionen, und die Einfuhr von 1844 wird mindestens sechshundert Millionen Pfund betragen. 1834 exportierte England 556 Millionen Yards gewebter Baumwollenstoffe, 76 1/2 Millionen Pfund Baumwollengarns und für 1 200 000 Pfd. St. baumwollene Strumpfwaren. In demselben Jahre arbeiteten über acht Millionen Mulespindeln, 110 000 mechanische und 250 000 Handwebstühle, ungerechnet die Kettenstuhlspindeln, im Dienst der Baumwollenindustrie, und nach MacCullochs Berechnung lebten damals direkt oder indirekt beinahe anderthalb Millionen Menschen in den drei Reichen von diesem Industriezweige, von denen 220 000 allein in den Fabriken arbeiteten; die Kraft, die von diesen Fabriken gebraucht wurde, war 33 000 Pferde Dampfkraft und 11 000 Pferde Wasserkraft. Jetzt reichen alle diese Zahlen bei weitem nicht mehr aus, und man wird ruhig annehmen können, daß im Jahre 1845 die Kraft und die Zahl der Maschinen sowie die Zahl der Arbeiter um die Hälfte größer sein wird als 1834. Der Hauptsitz dieser Industrie ist Lancashire, von wo sie auch ausging; sie hat diese Grafschaft durch und durch revolutioniert, aus einem obskuren, schlecht bebauten Sumpf in eine belebte, arbeitsame Gegend umgeschaffen, ihre Bevölkerung in achtzig Jahren verzehnfacht und Riesenstädte wie Liverpool und Manchester mit zusammen 700 000 Einwohnern und ihre Nebenstädte Bolton (60 000 Einw.), Rochdale (75 000 Einw.), Oldham (50 000 Einw.), Preston (60 000 Einw.), Ashton und Stalybridge (40 000 Einw.) und eine ganze Masse andere Fabrikstädte wie mit einem Zauberschlage aus dem Boden wachsen lassen. Die Geschichte von Süd-Lancashire weiß von den größten Wundern der neueren Zeit, und doch spricht kein Mensch von ihr, und alle diese Wunder hat die Bauenwollenindustrie zuwege gebracht. Außerdem bildet Glasgow ein zweites Zentrum für den Baumwollendistrikt Schottlands, Lanarkshire und Renfrewshire, und auch hier hat die Bevölkerung der Zentralstadt sich seit der Einführung dieser Industrie von 30 000 auf 300 000 vermehrt. Die Strumpfwirkerei von Nottingham und Derby erhielt durch die erniedrigten Garnpreise ebenfalls einen neuen Anstoß, und einen zweiten durch eine Verbesserung des Strumpfstuhls, wodurch mit einem Stuhl zwei Strümpfe zu gleicher Zeit gewebt werden konnten; die Spitzenfabrikation wurde seit 1777, in welchem Jahre die Lace-Maschine erfunden wurde, ebenfalls ein bedeutender Industriezweig; bald erfand Lindley die Point-net-Maschine und 1809 Heathcote die Bobbinet-Maschine, wodurch die Verfertigung von Spitzen unendlich vereinfacht und der Verbrauch infolge der billigen Preise ebensosehr gesteigert wurde, so daß jetzt mindestens 200 000 Menschen von dieser Fabrikation sich ernähren. Sie hat ihre Hauptsitze in Nottingham, Leicester und dem Westen von England (Wiltshire, Devonshire etc.). Dieselbe Ausdehnung haben die von der Baumwollenindustrie abhängigen Arbeitszweige, das Bleichen, Färben und Drucken, erfahren. Die Bleicherei erhielt durch die Anwendung von Chlor statt des Sauerstoffs in der Schnellbleiche, die Färberei und Druckerei durch die rasche Entwicklung der Chemie und die Druckerei durch eine Reihe der glänzendsten mechanischen Erfindungen außerdem noch einen Aufschwung, der neben der durch die Zunahme der Baumwollenfabrikation bedingten Ausdehnung dieser Geschäftsbranchen sie zu einer vorher nie gekannten Blüte erhob.

 

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1) Nach Porters "[The] Progress of the Nation" [Der Fortschritt der Nation], London, 1836 I vol., 1838 II vol., 1843 III vol. (aus offiziellen Angaben) und anderen meist ebenfalls offiziellen Quellen. - (1892) Die obige geschichtliche Skizze der industriellen Umwälzung ist in Einzelheiten ungenau, es lag aber 1843/44 kein besseres Quellenmaterial vor.


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