Resumé


Das sind die verschiedenen Arbeiterbezirke von Manchester, wie ich sie selbst während zwanzig Monaten zu beobachten Gelegenheit hatte. Fassen wir das Resultat unsrer Wanderung durch diese Gegenden zusammen, so müssen wir sagen, daß dreihundertfünfzigtausend Arbeiter von Manchester und seinen Vorstädten fast alle in schlechten, feuchten und schmutzigen Cottages wohnen, daß die Straßen, die sie einnehmen, meist in dem schlechtesten und unreinsten Zustande sich befinden und ohne alle Rücksicht auf Ventilation, bloß mit Rücksicht auf den dem Erbauer zufließenden Gewinn angelegt worden sind - mit einem Wort, daß in den Arbeiterwohnungen von Manchester keine Reinlichkeit, keine Bequemlichkeit, also auch keine Häuslichkeit möglich ist; daß in diesen Wohnungen nur eine entmenschte, degradierte, intellektuell und moralisch zur Bestialität herabgewürdigte, körperlich kränkliche Rasse sich behaglich und heimisch fühlen kann. Und ich bin nicht der einzige, der das behauptet; wir haben gesehen, daß Dr. Kay ganz dieselbe Beschreibung gibt, und zum Überfluß will ich noch die Worte eines Liberalen, einer anerkannten und sehr geschätzten Autorität der Fabrikanten, eines fanatischen Gegners aller selbständigen Arbeiterbewegungen, die Worte des Herrn Senior hersetzen:12)

"Als ich durch die Wohnungen der Fabrikarbeiter in der irischen Stadt, Ancoats und Klein-Irland ging, erstaunte ich nur darüber, daß es möglich sei, in solchen Wohnungen erträgliche Gesundheit zu bewahren. Diese Städte - denn das sind sie in Ausdehnung und Einwohnerzahl - sind errichtet worden mit der äußersten Rücksichtslosigkeit gegen alles, ausgenommen unmittelbaren Nutzen für die spekulierenden Erbauer. Ein Zimmermann und ein Maurer vereinigen sich, eine Reihe Bauplätze zu kaufen" (d.h. auf eine Anzahl Jahre zu mieten) "und diese mit sogenannten Häusern zu bedecken; an einer Stelle fanden wir eine ganze Straße, die dem Laufe eines Grabens folgte, damit man ohne die Kosten der Ausgrabung tiefere Keller bekam - Keller, nicht zu Rumpelkammern und Niederlagen, sondern zu Wohnungen für Menschen. Kein einziges Haus in dieser Straße entging der Cholera. Und im allgemeinen sind die Straßen in diesen Vorstädten ungepflastert, mit einem Düngerhaufen oder einer Lache in der Mitte, die Häuser mit der Rückwand zusammengebaut und ohne Ventilation oder Trockenlegung, und ganze Familien sind auf den Winkel eines Kellers oder einer Dachstube beschränkt."

Ich erwähnte schon oben einer ungewöhnlichen Tätigkeit, die die Gesundheitspolizei zur Cholerazeit in Manchester entwickelte. Als nämlich diese Epidemie herannahte, befiel ein allgemeiner Schrecken die Bourgeoisie dieser Stadt; man erinnerte sich auf einmal der ungesunden Wohnungen der Armut und zitterte bei der Gewißheit, daß jedes dieser schlechten Viertel ein Zentrum für die Seuche bilden würde, von wo aus sie ihre Verwüstungen nach allen Richtungen in die Wohnsitze der besitzenden Klasse ausbreite. Sogleich wurde eine Gesundheitskommission ernannt, um diese Bezirke zu untersuchen und über ihren Zustand genau an den Stadtrat zu berichten. Dr. Kay, selbst Mitglied der Kommission, die jeden einzelnen Polizeidistrikt, mit Ausnahme des elften, speziell besichtigte, gibt aus ihrem Bericht einzelne Auszüge. Es wurden im ganzen 6 951 Häuser - natürlich nur im eigentlichen Manchester, mit Ausschluß von Salford und den übrigen Vorstädten - inspiziert; davon hatten 2 565 dringend einen inneren Kalkanstrich nötig, an 960 waren notwendige Reparaturen vernachlässigt (were out of repair), 939 waren ohne hinreichende Abflüsse, 1 435 waren feucht, 452 schlecht ventiliert, 2 221 ohne Abtritte. Von den inspizierten 687 Straßen waren 248 ungepflastert, 53 nur teilweise gepflastert, 112 schlecht ventiliert, 352 enthielten stehende Pfützen, Haufen von Unrat, Abfall und dergleichen. Natürlich einen solchen Augiasstall vor der Ankunft der Cholera zu fegen war platterdings unmöglich; daher begnügte man sich mit der Reinigung einiger der schlechtesten Winkel und ließ sonst alles beim alten - es versteht sich, daß an den gereinigten Stellen, wie Klein-Irland beweist, nach ein paar Monaten die alte Unfläterei wiederhergestellt war. Und über den inneren Zustand dieser Wohnungen berichtet dieselbe Kommission Ähnliches, wie wir von London, Edinburgh und anderen Städten hörten:

"Oft ist eine ganze irische Familie in einem Bett zusammengedrängt; oft verbirgt ein Haufen schmutziges Stroh und Decken von altem Sackleinen alle in einem ununterscheidbaren Haufen, wo jeder durch Mangel, Stumpfsinn und Liederlichkeit gleich erniedrigt ist. Oft fanden die Inspektoren in einem Hause mit zwei Zimmern zwei Familien; in dem einen Zimmer schliefen sie alle, das andre war gemeinsames Eßzimmer und Küche; und oft wohnte mehr als eine Familie in einem einstubigen feuchten Keller, in dessen pestilenzialischer Atmosphäre zwölf bis sechzehn Menschen zusammengedrängt waren; zu diesen und anderen Quellen von Krankheiten kamen noch, daß Schweine darin gehalten wurden und andere Ekelhaftigkeiten der empörendsten Art sich vorfanden."13)

 

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12) Nassau W. Senior, "Letters on the Factory Act to the Rt. Hon. the President of Board of Trade" [Briefe über das Fabrikgesetz an den sehr ehrenwerten Präsidenten des Handelsamtes] (Chas. Poulett Thomson Esq.). London 1837. - p. 24.

13) Kay, a.a.O. p.32.


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Seite zuletzt aktualisiert: 11.10.2005 
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