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IX

Don Ramiro

„Doña Clara! Doña Clara!
Heißgeliebte langer Jahre!
Hast beschlossen mein Verderben,
Und beschlossen ohn’ Erbarmen.

Doña Clara! Doña Clara!
Ist doch süß die Lebensgabe!
Aber unten ist es grausig,
In dem dunkeln, kalten Grabe.

Doña Clara! Freu dich, morgen
Wird Fernando, am Altare,
Dich als Eh’gemahl begrüßen —
Wirst du mich zur Hochzeit laden?“

„Don Ramiro! Don Ramiro!
Deine Worte treffen bitter,
Bitt’rer als der Spruch der Sterne,
Die da spotten meines Willens.

Don Ramiro! Don Ramiro!
Rüttle ab den dumpfen Trübsinn;
Mädchen gibt es viel auf Erden,
Aber uns hat Gott geschieden.

Don Ramiro, der du mutig
Soviel Mohren überwunden,
Überwinde nun dich selber —
Komm auf meine Hochzeit morgen.“

„Doña Clara! Doña Clara!
Ja, ich schwör es, ja, ich komme!
Will mit dir den Reihen tanzen; —
Gute Nacht, ich komme morgen.“

„Gute Nacht!“ — Das Fenster klirrte.
Seufzend stand Ramiro unten,
Stand noch lange wie versteinert;
Endlich schwand er fort im Dunkeln. —

Endlich auch, nach langem Ringen,
Muß die Nacht dem Tage weichen;
Wie ein bunter Blumengarten
Liegt Toledo ausgebreitet.

Prachtgebäude und Paläste
Schimmern hell im Glanz der Sonne;
Und der Kirchen hohe Kuppeln
Leuchten stattlich wie vergoldet.

Summend, wie ein Schwarm von Bienen,
Klingt der Glocken Festgeläute,
Lieblich steigen Betgesänge
Aus den frommen Gotteshäusern.

Aber dorten, siehe! siehe!
Dorten aus der Marktkapelle,
Im Gewimmel und Gewoge,
Strömt des Volkes bunte Menge.

Blanke Ritter, schmucke Frauen,
Hofgesinde, festlich blinkend,
Und die hellen Glocken läuten,
Und die Orgel rauscht dazwischen.

Doch, mit Ehrfurcht ausgewichen,
In des Volkes Mitte wandelt
Das geschmückte junge Eh’paar,
Doña Clara, Don Fernando.

Bis an Bräutigams Palasttor
Wälzet sich das Volksgewühle;
Dort beginnt die Hochzeitfeier,
Prunkhaft und nach alter Sitte.

Ritterspiel und frohe Tafel
Wechseln unter lautem Jubel;
Rauschend schnell entfliehn die Stunden,
Bis die Nacht herabgesunken.

Und zum Tanze sich versammeln
In dem Saal die Hochzeitgäste;
In dem Glanz der Lichter funkeln
Ihre bunten Prachtgewänder.

Auf erhob’ne Stühle ließen
Braut und Bräutigam sich nieder,
Doña Clara, Don Fernando.
Und sie tauschen süße Reden.

Und im Saale wagen heiter
Die geschmückten Menschenwellen,
Und die lauten Pauken wirbeln,
Und es schmettern die Drommeten.

„Doch warum, o schöne Herrin,
Sind gerichtet deine Blicke
Dorthin nach der Saalesecke?“
So verwundert sprach der Ritter.

„Siehst du denn nicht, Don Fernando,
Dort den Mann im schwarzen Mantel?“
Und der Ritter lächelt freundlich:
„Ach! das ist ja nur ein Schatten.“

Doch es nähert sich der Schatten,
Und es war ein Mann im Mantel;
Und Ramiro schnell erkennend,
Grüßt ihn Clara, glutbefangen.

Und der Tanz hat schon begonnen,
Munter drehen sich die Tänzer
In des Walzers wilden Kreisen,
Und der Boden dröhnt und bebet.

„Wahrlich gerne, Don Ramiro,
Will ich dir zum Tanze folgen,
Doch im nächtlich schwarzen Mantel
Hättest du nicht kommen sollen.“

Mit durchbohrend stieren Augen
Schaut Ramiro auf die Holde,
Sie umschlingend spricht er düster:
„Sprachest ja, ich sollte kommen!“

Und in’s wirre Tanzgetümmel
Drängen sich die beiden Tänzer;
Und die lauten Pauken wirbeln,
Und es schmettern die Drommeten.

„Sind ja schneeweiß deine Wangen!“
Flüstert Clara, heimlich zitternd.
„Sprachest ja, ich sollte kommen!“
Schallet dumpf Ramiros Stimme.

Und im Saal die Kerzen blinzeln
Durch das flutende Gedränge;
Und die lauten Pauken wirbeln,
Und es schmettern die Drommeten.

„Sind ja eiskalt deine Hände!“
Flüstert Clara, schauerzuckend.
„Sprachest ja, ich sollte kommen!“
Und sie treiben fort im Strudel.

„Laß mich, laß mich! Don Ramiro!
Leichenduft ist ja dein Odem!“
Wiederum die dunklen Worte:
„Sprachest ja, ich sollte kommen!“

Und der Boden raucht und glühet,
Lustig tönet Geig’ und Bratsche;
Wie ein tolles Zauberweben
Schwindelt alles in dem Saale.

„Laß mich, laß mich! Don Ramiro!“
Wimmert’s immer im Gewoge.
Don Ramiro stets erwidert:
„Sprachest ja, ich sollte kommen!“

„Nun, so geh’, in Gottes Namen!“
Clara rief’s mit fester Stimme,
Und dies Wort war kaum gesprochen,
Und verschwunden war Ramiro.

Clara starret, Tod im Antlitz,
Kaltumflirret, nachtumwoben;
Ohnmacht hat das lichte Bildnis
In ihr dunkles Reich gezogen.

Endlich weicht der Nebelschlummer,
Endlich schlägt sie auf die Wimper;
Aber Staunen will auf’s neue
Ihre holden Augen schließen.

Denn derweil der Tanz begonnen,
War sie nicht vom Sitz gewichen,
Und sie sitzt noch bei dem Bräut’gam,
Und der Ritter sorgsam bittet:

„Sprich, was bleichet deine Wangen?
Warum wird dein Aug’ so dunkel? —“
„Und Ramiro? — —“ stottert Clara,
Und Entsetzen lähmt die Zunge.

Doch mit tiefen, ernsten Falten
Furcht sich jetzt des Bräut’gams Stirne:
„Herrin, forsch’ nicht blut’ge Kunde —
Heute mittag starb Ramiro.“