Liebeserklärung an Zerline Gabillon
Da du, fast Greisin, starbst, war ich ein Knabe —
und nun strahlt mir zurück dein holdes Leben,
als hätte einst ein Mann ein Weib geliebt,
und trüge ihren Glanz durch seine Zeit.
So voll von allem, was Natur und Geist
in Frauenzüge jemals einverleibt,
so unvergänglich standest du dem Sinn
und ließest Rücklauf aller Phantasie.
Denn das Geschaffne lebt in andrem Maß
als dem der Zeit und lebt im Schaffen weiter
und weiter schafft ein voller Augenblick,
ein Strahl, ein Klang, ein Etwas von dem Wunder,
das einst erlöschend mich entzündet hat.
Was war es nur, daß zwischen all den Formen
von hoher Fraulichkeit, ja vor der Wolter,
der himmelragend schönen Höllenflamme,
du das Vermächtnis warst, die treue Botschaft
für mich und durch mich an die leere Zeit?
Was war es nur, daß deine edlen Reste
die jungen Sinne freier aufgetan
als alles ganze Glück der gleichen Jugend?
Im Sieb der irdischen Vergänglichkeit
war damals wenig, weniger ist heute
nachlebendem Bewußtsein anvertraut:
und dennoch, welche Fülle von Geheimnis,
die in die Tage deines Aufgangs reicht!
Ich sah dich jung, und das war deine Kraft.
Ich seh dich jung, und das ist meine Kraft:
bis an den Tag hin, wo die trübe Welt
so freundlich schien und richtig eingeteilt,
als dich dein Landsmann, der Gascogner, freite.
Das war wohl Benedicts, das war Petruchios
Sieg über Beatrice, Katharina.
Nie schwirrte so ein Pfeil wie deine Zunge,
nie klirrten Messer scharf wie deine Lippen,
zum Schluß und Kuß doch Petschaft deines Herzens.
Und wie verband sich Anmut dem Verstand,
der die Regentin, der die Gräfin Terzky
staatsmännisch führen und verführen ließ.
Doch nie zuvor, nie wieder, waren Bretter
so voller Rausch und Reiz der großen Welt
wie damals, da die Dame Gabillon
mit Blick und Laut auf ihnen Leben sprühte.
Und Herzogin und Gräfin und Marquise
mit dem vom Vorbild unerreichten Adel
war eine deutsche Jüdin, Fräulein Würzburg;
sie und ihr Partner Adolf Sonnenthal
das bessere Nachbild einer Wirklichkeit,
die solchem Werk zulieb des Daseins würdig
und sonst nur ihrer Scribe und Pailleron.
Aus Bühnentagen, wo Persönlichkeit
zum Leben sprach und oben stärker war
als unten, und aus unverarmtem Schatz
der lebensbildend frühen Eindrucksfülle;
mit dem Gedächtnis, das dem Traum gehört,
als Ahnung rückerobert und den Tag
vor Trug und Mißton schützt, werb’ ich um dich:
zeitloser Anmut unversehrtes Bild,
von allen Rahels liebenswerteste —
und wär’s durch siebzig Jahre, wären’s Tage!