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Entwicklung der Seele

Empfindungen kommen nach der geltenden Psychophysik zu stande, wenn die Molekularbewegungen der Außenwelt auf die bekannten und unbekannten, unbenannten Sinnesorgane unseres Leibes wirken. Die Seele müßte also, falls man sie synthetisch wieder herstellen wollte, entweder mit den Molekularbewegungen der Außenwelt oder mit den Sinnesorganen in Verbindung stehen. Daß die Seele eines Menschen mit seiner Außenwelt verflochten sei, das hat fast noch niemals jemand behauptet. Für unsere Sinnesorgane jedoch ist die Seele ein ebenso überflüssiges Inventarstück geworden, seitdem die neue Weltanschauung auch bei den Sinnesorganen eine Entwicklung anzunehmen genötigt worden ist. Durch Vererbung und Anpassung ist unser Ohr, unser Auge aus differenzierten Hautstellen entstanden, und es ist kaum daran zu zweifeln, daß die einfachsten Tiere mit ihrer gesamten Hautoberfläche, wenn auch in noch so primitiver Weise, die Funktionen der Sinnesorgane übernehmen. Da nun die Seele immer wieder nur ein Ausdruck für diese Vorgänge ist, so müßte ein moderner Mensch, der den Seelenbegriff festhält, auch die Entwicklung dieser Seele von der Amöbenseele zur Menschenseele lehren. Und dabei müßte sich doch für das blödeste Auge klar herausstellen, daß die Entwicklung der Seele nichts weiter wäre als ein Büchertitel für die Darstellung von der Entwicklung der einzelnen Sinnesorgane und von der weiteren Verwicklung dieser Vorgänge. Es wäre ebenso, wie wenn ein Bücherschreiber seine Darstellung der Natur der Kürze wegen "Welt" oder "Kosmos" nennen würde, nun aber glaubte, es gäbe irgendwo außer der Natur noch ein Ding namens Welt oder Kosmos, welches die Ursache der Natur sei. Ich hätte in diesem letzten Satze ebenso gut statt Kosmos Natur sagen können, denn auch die "Natur'' ist so eine Weltseele. Ich kenne keinen Philosophen, der das Wort "Natur" streng nur in einem klar umschriebenen Sinne gebrauchte, der nicht schwankte zwischen den Bedeutungen: das physikalisch Erkennbare (im Gegensatz zum geistig Unerkennbaren), das All (wo dann das Geistige mit zur Natur gehört), das Wesentliche (wo man dann gleich von einer Natur der Natur reden könnte und von einer natura rerum wirklich redet) und Urzustand, Urstand (im Gegensatze zu Kultur und jeder Entwicklung).