II. Parallelismus
Als die Gelehrten merkten, daß ihnen für die Wechselwirkung von Seele und Leib jeder Begriff fehlte, da stellte sich ihnen das Wort Parallelismus ein, zur rechten Zeit. Da gibt es z. B. einen seelischen Vorgang, den man Erinnerung nennt, oder vielmehr es gibt wahrscheinlich einen Vorgang, dessen Wirkung erst man Erinnerung nennt. Noch weniger weiß man von den physischen Bedingungen oder Begleiterscheinungen einer Erinnerung; man weiß nur, daß ein gesundes Gehirn Bedingung der Erinnerung sei, man ist abgeneigt, ähnliche Erscheinungen des Gedächtnisses bei hirnlosen Tieren und bei Pflanzen ebenfalls Erinnerungen zu nennen, man nimmt nur im allgemeinen au, daß dem, was unserem sogenannten Bewußtsein als Erinnerung bekannt ist, ein noch unbekannterer biologischer Vorgang zu Grunde liege. Diese beiden Vorgänge nennt man parallel. Man sagte früher noch schöner, sie seien wechselseitige Funktionen, weil sie Variable seien und mit jeder Veränderung der einen eine bestimmte Veränderung der anderen gesetzmäßig eintritt. Der Gegensatz zwischen wechselseitiger Funktion" und "Parallelismus" ist nicht so ernsthaft, als man uns glauben machen möchte; kein Logiker brauchte sich zu scheuen, das Verhältnis zweier parallelen Linien eine wechselseitige Funktion zu nennen. In der Freude darüber, daß in diesen Erklärungen Seele und Leib nicht mehr als Substantive oder Substanzen vorkommen, übersieht man völlig die leere Wortmacherei, die schon im Gebrauche der Begriffe Funktion und Wechselseitigkeit steckt. Uns liegt es gewiß ebenso fern, eine Seelensubstanz anzunehmen, wie die Seelenerscheinungen materialistisch zu einem Produkte des Körpers zu machen.