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Tepi

Von den Bewohnern der Insel Tahiti wird ferner (hoffentlich glaubhaft) berichtet, dass sie aus ihrer Sprache jedesmal diejenigen Worte oder Silben weglassen, welche an den Namen ihres regierenden Königs oder an die Namen seiner nächsten Anverwandten erinnern. Dieser Gebrauch wird dort Tepi genannt. Er wird uns weniger befremdlich erscheinen, wenn wir uns dabei erinnern, dass z. B. die orthodoxen Juden den Namen ihres Gottes ("Jahve"; Jehova, von Juden nicht gebraucht, ist schon durch die Vokale des Ersatzwortes Adonai unkenntlich gemacht) nicht aussprechen dürfen, dass in unseren Flüchen sehr häufig der Name Gottes und der des Teufels durch sinnlose Silben ersetzt wird (Potztausend, sacrebleu, Hol dich der Geier), dass sogar das Aussprechen des königlichen Namens vermieden wird, indem man das Abstraktum "Majestät" dafür setzt. Wer den Kaiser mit "Wilhelm" oder gar "Willem" anredete, würde sich wohl einer Beleidigung schuldig machen. Wir haben also ebenfalls unser Tepi.

Wir können uns trotzdem in diese tahitische Sprachveränderung kaum hineindenken. Von dem Tage an, da ein König Namens Tu den Thron bestiegen hatte, war die Silbe tu aus der Sprache verbannt, und das Wort Fetu (Stern) z. B. hieß von da ab Fetia.

Ein ähnlicher Sprachgebrauch soll bei den Kafirweibern herrschen, die mit keinem ihrer Worte an den Klang des Namens ihrer nächsten männlichen Anverwandten erinnern dürfen. Stirbt nachher der König oder der männliche Verwandte, so stünde der Wiederaufnahme der Laute in die Sprache des Volks oder der Weiber nichts mehr im Wege. Hat aber der König oder der Mann lange genug gelebt, so ist die Sprachveränderung wohl bleibend geworden. Stärker kann sich die Macht des Zufalls über die Sprache sicherlich nicht mehr äußern.

Wir sollten uns hüten, solche Sprachgewohnheiten als Eigentümlichkeiten von Wilden zu verachten. Auch wir haben unseren Namensaberglauben, haben unsere Euphemismen. Was war es denn anders als Hlonipa oder Tepi, wenn nach dem Attentate auf den alten Kaiser Wilhelm mehrere Familien Nobiling ihren Namen änderten? Hlonipa ist es, wenn unsere Kinder oft klassenweise irgend ein Lieblingswort plötzlich aufgeben, weil sich durch irgend einen Zufall der Begriff der Schande daran geknüpft hat. Hlonipa endlich scheint mir mitzuwirken, wenn in den europäischen Hauptstädten die Umgangssprache den Namen für die Prostituierten von Zeit zu Zeit ändert, weil ihr das bisherige Wort zu gemein geworden ist.