1) Betäubende Gifte
1) Betäubende Gifte. Dahin gehören: Opium, Bilsenkraut, Stechapfel, Nachtschatten, Schierling, Belladonna (Tollkirsche), Kirschlorbeer, Hundszunge, Lolch, Blausäure, bittere Mandeln u. s. w. Die eben genannten narkotischen, so wie alle übrigen Giftpflanzen finden wir in folgender kleinen Schrift: Halles „Beschreibung deutscher Giftpflanzen u. s. w. mit ausgemalten Kupfern. 4. Aufl. Berlin 1801“ gut und treu abgebildet; viel eleganter und eben so treu, aber noch ausführlicher in Winklers „sämtliche Giftgewächse Deutschlands“. 2. Aufl. 1835 (Preis 6% Taler).
Die Zufälle der Vergiftung im Allgemeinen sind: Schwindel, Aberwitz, Traurigkeit, Betäubung, Angst, Schlummersucht, Krämpfe, Ohnmachten, dunkelrotes Gesicht, — der Tod erfolgt, je nachdem das Gift nach Qualität und Quantität verschieden ist, oft schnell, oft erst in einigen Stunden. Wenn auch alle Narkotika im Allgemeinen ähnliche Erscheinungen der Vergiftung darbieten, so zeigen sich doch dabei manche Differenzen, welche für den Arzt auf das einzelne Gift mit Wahrscheinlichkeit schließen lassen und bei der Behandlung von Wichtigkeit sind. Aus einer Menge verschiedener, durch Narkotika entstandenen Vergiftungsfälle stellte sich hierbei vergleichsweise heraus, dass z. B. Vergiftungen durch Belladonna sich bei aller Betäubung zugleich in heftigen, wahnsinnigen Delirien und merklichem Blutandrang nach dem Kopf, — Vergiftungen durch Bilsenkraut und Schierling mehr in Sopor, Kopfkongestionen und konvulsivischen Bewegungen, — Vergiftungen mit Stechapfel zugleich in einer scharlachartigen Röte der Haut und in Aufregung der Geschlechtssphäre, in Geilheit, — Vergiftungen durch Krähenaugen in epileptischen Konvulsionen und einer eignen Steifheit der Extremitäten bis zum plötzlichen Zusammensinken, — Vergiftungen durch Branntwein u. s. w., in Sopor und Krämpfen ohne äußerlich auffällige Kongestion, — Vergiftungen durch Opium in leichten, bald in Sopor übergehenden Delirien, kühlem Gesicht und Extremitäten, kleinem, zitterndem Pulse, hartem Leib oder in Diarrhöe und Trommelsucht, — Vergiftungen durch Tabak in einem rein asphyktischen, ohnmächtigen Zustande, in Lähmung und Erschlaffung der Glieder, unwillkürlichen Ausleerungen; Vergiftungen durch Pilze in Betäubung, kalten Extremitäten, Obstruktion, schmerzhaftem und aufgetriebenem Unterleibe, kontrahierter Pupille, — Vergiftungen durch Blausäure, bittere Mandeln, Taxus baccatus u. dergl. alsbald in einem asphyktischen Lähmungszustande, und wo sie nicht rasch töten, rein durch Sopor und Kongestionen sich kund geben. Daher werden nach den bei diesen verschiedenen Vergiftungen im Allgemeinen erforderlichen Brechmitteln, hier und da nötigen Blutentleerungen, kalten Begießungen und Senfteigen, bald mehr die Säuren: Essig, Chlor, bei Vergiftungen durch Belladonna, Hyoscyamus, Stramonium, — bald mehr die Ammoniacalia, bei Vergiftungen durch Opium, Blausäure, hier auch wohl die kämpferhaltigen Mittel: Terpentinöl, ferner starker Kaffee, und andere belebende Mittel vorzuziehen sein.
Allgemeine Hilfe. Ist das Gift noch nicht lange im Magen, dann gebe man sogleich ein starkes Brechmittel aus Brechweinstein, vier bis acht Gran, Brechwurzel, ein halbes Quäntchen, in sechs Unzen Wasser, davon alle drei Minuten einen Esslöffel voll, bis zur Wirkung. Erfolgt diese darnach nicht, so gebe man weißem Vitriol, fünf Gran in einem Löffel voll Wasser aufgelöst. Diese Portion ist für einen Erwachsenen. Kindern von fünf bis zehn Jahren gibt man den vierten Teil davon alle Viertelstunde bis zum Erbrechen. Erbricht der Erwachsene binnen 15 Minuten nicht darnach, so reicht man ihm alle zehn Minuten noch ein halbes Pulver, bis zur Wirkung. Außerdem sorge man für frische Luft; der Aufenthalt im Freien ist, wenn es die Witterung erlaubt, für den Vergifteten am besten. Man besprenge und wasche ihm Gesicht, Kopf, Hals und Brust oft mit kaltem Wasser, mit Essig und Wasser, mache Essigumschläge auf den Kopf, auf den Unterleib, gebe innerlich (aber erst nachdem das Gift durch hinreichendes Erbrechen oder durch die Magenpumpe entfernt worden), viel Essig und Wasser zu trinken, setze Klistiere von Essig und Wasser. Ist das Gift schon lange im Körper und der Blutandrang zum Kopf stark, so muss auch am Arm zur Ader gelassen werden; auch Blutegel an den Kopf sind hier oft nötig. Eine sehr wichtige Erfindung ist die sogenannte John Weissesche Magenpumpe oder Magenspritze, welche vor einigen Jahren der chirurgische Instrumentenmacher Weiss in London, ein Rostocker von Geburt, erfand. Sie ist so eingerichtet, dass man mittelst eines Röhrchens aus Gummi elasticum, das an einer Art Spritze befestigt ist und in den Magen, nachdem es mit Öl bestrichen, gebracht wird, bald Flüssigkeiten, laues Wasser, Milch u. s. w. einspritzen und das dadurch verdünnte Gift herausziehen kann. Weiss schenkte vor einigen Jahren seiner Vaterstadt einen großen Kasten mit chirurgischen Instrumenten, worunter sich auch dieses befindet, das, früh angewandt, bei allen Vergiftungen das erste Mittel ist und schon vielen Menschen das Leben gerettet hat, da es so schnell das Gift entfernt. Die Applikation dieser Magenspritze ist nicht schwer. Die erste Regel ist, dass, sobald das Röhrchen in den Magen gebracht worden, abwechselnd warmes Wasser eingespritzt und gleich wieder herausgezogen wird, und dass man dies Verfahren mehrere Mal und so lange wiederholt, bis die heraufgeholte Flüssigkeit keine Spuren des Giftes mehr enthält. Ist die Magenspritze frühzeitig bei der Hand, so bedarf es natürlich keines Brechmittels mehr zur Entfernung des Giftes. Eine sehr wichtige Regel bei allen durch betäubende Gifte, besonders durch Opium, Belladonna, Bilsenkraut und Blausäure Vergifteten ist diese: Man erhalte den Verunglückten stets wach und dulde nicht, dass er seine Neigung, einzuschlafen, befriedigen kann. Denn sonst tritt der sogenannte Totenschlaf (Sopor) ein, worin er leicht durch Schlagfluss den Tod findet. Deshalb muss er alle halbe bis eine Minute mit kaltem Wasser oder Essig gewaschen, oder besser damit das Gesicht besprengt werden. Auch ist es gut, wenn ihn zwei Personen unter die Arme fassen und ihn (sein Kopf muss unbedeckt bleiben, — denn ein solcher Vergiftete erkältet sich nicht) selbst bei Regen und Wind im Freien umherführen.