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B. Scheintod (Ohnmacht)

Die Kennzeichen des Todes sind, die wirklich eingetretene Verwesung ausgenommen, alle trügerisch; denn die entwichene Lebenswärme, die Gesichtsblässe, das Aufhören des Atemholens und des Blutumlaufs, das Stillstehen des Herzens, die Unbeweglichkeit der Pupille, die Schlaffheit oder Starrsucht des Körpers, der Mangel an Empfindung durch äußere Reize, das Trübwerden der Hornhaut des Auges und alle übrigen sogenannten Zeichen des Todes beziehen sich nur auf den Scheintod, und was Nasse’s Thanatometer (ein Thermometer, welches an einem Fischbeinstäbchen in den Magen des Scheintoten gebracht wird, um aus dessen Temperaturgrade auf Tod oder Scheintod zu schließen), betrifft; so müssen noch mehrere Beobachtungen und Versuche gemacht werden, um die Gewissheit zu erlangen, dass es wirklich ein sicheres Zeichen des wirklich eingetretenen Todes abgebe, sobald die Temperatur des Magens unter 10° + R. ist. — Im Scheintod ist, wie ich dieses schon früher in meinem Not- und Hilfsbüchlein (2. Aufl. S. 47 ff.) bemerkt habe, — das Leben nur auf das Vegetative reduziert, der Mensch lebt nicht mehr als Mensch, auch nicht als Tier, aber noch als Pflanze, und so wie sich durch Wärme und Nahrung das Pflanzenleben in der Frucht zu dem höhern des Tiers und des geistigen Wesens allmählich erhebt, so können wir durch Erweckung des Pflanzenlebens bei Scheintoten auch ihr höheres tierisches und geistiges Leben wieder hervorrufen. Bei dem Kranken und Leidenden, der viele Wochen unter Qual und Schmerzen kämpfte, dessen Kräfte allmählich schwanden, bis der letzte Funken der Lebenskraft aufgerieben war, haben wir keinen Scheintod zu befürchten; denn wenn das schwache Leben bei ihm auch noch einige Zeit als Pflanzenleben fortwirkt, wenn wir auch in diesem den Lebensfunken noch auf einige Augenblicke anfachen könnten (was allerdings durch Reizmittel oft noch bewirkt werden kann), so würde dieses doch nichts helfen, da auf die Dauer wegen der gewöhnlichen Zerstörungen im Organischen das Leben nicht bestehen könnte; wir würden dadurch seine Schmerzen vergrößern, sein Leiden verlängern und den oft sehnlichst gewünschten Tod wider seinen Willen nur um wenige Augenblicke oder Minuten aufhalten. Aber der gesunde und starke Mensch, dessen Leben und Gesundheit durch plötzliche und gewaltsame Einwirkung der uns umgebenden Außendinge in große Gefahr geriet, auf den die feindseligen Elemente, die Freunde des Todes wirkten, die es versuchten, die Lebensorgane zu zerstören, ihre Lebenskraft zu vertilgen, die Lebensreize hinweg zu nehmen; dieser ist es, der vorzüglich am Scheintod leidet, auf den wir alle unsere Kunsthilfe verwenden müssen, um ihn wieder ins Leben zu rufen. — Alle Erhängten, Erfrorenen, Ertrunkenen, Verschütteten, Verbluteten, Ohnmächtigen, vom Blitz Getroffenen, überhaupt alle plötzlich Verunglückten können nur scheintot sein und wir müssen sie als solche behandeln!