Drittes Buch.
Kleine abweichende Handlungen tun not!
149.
Kleine abweichende Handlungen tun not! — In den Angelegenheiten der Sitte auch einmal wider seine bessere Einsicht handeln; hier in der Praxis nachgeben und sich die geistige Freiheit vorbehalten; es so machen wie Alle und damit Allen eine Artigkeit und Wohltat erweisen, zur Entschädigung gleichsam für das Abweichende unserer Meinungen: — das gilt bei vielen leidlich freigesinnten Menschen nicht nur als unbedenklich, sondern als „honett“, „human“, „tolerant“, „nicht pedantisch“, und wie die schönen Worte lauten mögen, mit denen das intellektuelle Gewissen in Schlaf gesungen wird: und so bringt Dieser sein Kind zur christlichen Taufe herzu und ist dabei Atheist, und Jener tut Kriegsdienste wie alle Welt, so sehr er auch den Völkerhass verdammt, und ein Dritter läuft mit einem Weibchen in die Kirche, weil es eine fromme Verwandtschaft hat, und macht Gelübde vor einem Priester, ohne sich zu schämen. „Es ist nicht wesentlich, wenn Unsereiner auch tut, was Alle immerdar tun und getan haben“ — so klingt das grobe Vorurteil! Der grobe Irrtum! Denn es gibt nichts Wesentlicheres, als wenn das bereits Mächtige, Altherkömmliche und vernunftlos Anerkannte durch die Handlung eines anerkannt Vernünftigen noch einmal bestätigt wird: damit erhält es in den Augen Aller, die davon hören, die Sanction der Vernunft selber! Alle Achtung vor eueren Meinungen! Aber kleine abweichende Handlungen sind mehr wert!