Nonnen-Klage
Herr Jesus — geh, vergleiche
dich irgendeinem Mann.
Nun bist du doch der Reiche,
nun hast du Gottes weiche
Herrlichkeiten an.
Die dir erwählt gewesen,
jetzt kostest du sie aus
und kannst mit ihnen lesen
und spielen und Theresen
zeigen dein schönes Haus.
Deine Mutter ist eine Dame
im Himmel geworden, und
ihr gekrönter Name
blüht aus unserm Mund
in diesem Wintergarten,
nach dem du zuweilen siehst,
weil du dir große Arten
aus unsern Stimmen ziehst.
Herr Jesus — du hast alle
Frauen, die du nur willst.
Was liegt an meinem Schalle,
ob du ihn nimmst und stillst.
Er verliert sich im Geräusche,
er zerrinnt wie nichts im Raum.
Was du hörst sind andre; täusche
dich nicht: ich reiche kaum
unten aus meinem Herzen
bis in mein Gesicht, das singt.
Ich würde dich gerne schmerzen,
aber mir mißlingt
der Wurf, sooft ich mein Weh
werfe nach deinem Bilde;
es fällt von nahe milde
zurück und kalt wie Schnee.
Wenn ich draußen stünde,
wo ich begonnen war,
so wären die Nächte Sünde,
und der Tag Gefahr.
Es hätte mich einer genommen
und wieder gelassen, und
wäre ein zweiter gekommen
und hätte meinen Mund
verborgen mit seinen Küssen,
und dem dritten hätt ich vielleicht
barfuß folgen müssen
und hätte ihn nie erreicht;
und hätte den vierten nur so
aus Müdigkeit eingelassen,
um irgendwas zu fassen,
um zu liegen irgendwo.
Nun da ich bei keinem schlief,
sag: hab ich nichts begangen?
Wo war ich, während wir sangen ?
Wen rief ich, wenn ich dich rief?
Mein Leben ging — Herr Jesus.
Sag mir, Herr Jesus, wohin?
Hast du es kommen sehen?
Bin ich in dir drin?
Bin ich in dir, Herr Jesus ?
Denk, so kann es vergehn
mit dem täglichen Schalle.
Am Ende leugnen es alle,
keiner hat es gesehn.
War es das meine, Herr Jesus?
War es wirklich das meine,
Herr Jesus, bist du gewiß?
Ist nicht eine wie eine,
wenn nicht irgendein Biß
eine Schramme zurückläßt, Herr Jesus?
Kann es nicht sein, daß mein
Leben gar nicht dabei ist?
Daß es wo liegt und entzwei ist,
und der Regen regnet hinein
und steht drin und friert drin, Herr Jesus?