O du mein Österreich –!
Wie mußt du es machen?
So mußt du es machen:
Jahrelang die Bauern aufhetzen,
jahrelang auf Straßen und Plätzen
Wien verfluchen – »Die rote Gefahr!«
und kein Wort davon, wer es eigentlich war,
der Österreich in den Kriegstaumel riß …
kein Wort von den Göttern der Finsternis …
Teuerung … Kirchenglocken … Tumult …
»Wien! das marxistische Wien ist schuld!«
Wie mußt du es machen?
So mußt du es machen:
Den Proleten langsam den Weg verrammeln,
alle die Jahre Waffen ansammeln;
Heimwehr? An Schloßkaminen geboren;
Kulaken, die ihren Krieg verloren …
von deutschen Faschisten unterstützt,
von Pfaffen getrieben und ausgenützt …
Gegen den wiener Wasserkopf
erhebt sich ein tiroler Kropf.
Aus dunkeln Quellen fließt Geld – das wirds schaffen …
Übungen … Märsche … und Waffen und Waffen …
Wie mußt du das machen?
So mußt du das machen.
Die Verfassung auf den Müll!
Marsch auf Wien! Auf sie mit Gebrüll!
Heimwehrdrohungen ohne Zahl –
aber immer legal, immer legal.
Schlagt die Juden tot! Österreich ist arisch!
aber immer gesetzlich-parlamentarisch.
Vorn ernste Verhandlungen mit Seipel a. D. –
und im Hintergrund eine weiße Armee.
So kann man dem Arbeiter alles rauben.
Das sollten sich mal die Roten erlauben!
Drohung? Mit Waffen? Ein Heimarbeitsbund?
Europa brüllte den Hals sich wund.
Revolutionen erleben wir rings
von rechts – mit dem Vokabular von links.
Und so sind die faschistisch verkleideten Massen
Nachtportiers der besitzenden Klassen.
Arm soll verrecken – aber reich bleibt reich.
O du mein …
o du mein Österreich –!
Die Weltbühne, 07.01.1930, Nr. 2, S. 47.