Beweis
Beweis (lat. argumentatio, gr. apodeixis) heißt die Feststellung der Wahrheit oder der Falschheit eines Urteils. Diese Feststellung erfolgt durch Rückgang auf objektiv oder subjektiv anerkannte Sätze, aus denen, das zu beweisende Urteil durch Schlüsse abgeleitet werden kann. Beweis ist demnach die Ableitung eines Satzes aus unbezweifelten anderen Sätzen durch syllogistische Verknüpfung, oder allgemeiner ausgedrückt, eine Zurückführung des Anzuerkennenden auf Anerkanntes. In der Regel verbinden sich beim Beweis mehrere Sätze schrittweise miteinander. Bei jedem Beweise kommen 4 Stücke in Betracht: 1. das Objekt, welches (thesis probanda), 2. der Grund, wodurch (Beweisgrund, argumentum probandi), 3. das Subjekt, für welches (obnoxius probationi) und 4. die Art, wie bewiesen werden soll (modus probandi). – 1. Das Objekt kann entweder ein Erfahrungs- oder ein Vernunftsatz sein. – 2. Die Beweisgründe werden ebenfalls entweder der Erfahrung, (Beobachtungen, Experimente, Zeugnisse) oder der Vernunft und ihren Gesetzen entnommen. Demnach unterscheidet man Erfahrungs- und Vernunftbeweise (induktive und deduktive, a posteriori und a priori, empirische und rationale); jenen wohnt nur beschränkte, diesen absolute Gewißheit bei. Die Erfahrungssätze aus der Natur und Geschichte werden meist induktiv und die Vernunftsätze aus der Mathematik deduktiv bewiesen. – 3. Bezüglich des Subjekts gibt es solche Beweise, die für alle (ad omnes) und solche, die nur für einen beschränkten Kreis (ad hominem) überzeugend sind. – 4. Was die Art des Beweises betrifft, so stehen den direkten oder ostensiven, welche das zu Beweisende im geraden Gange aus vor ausgeschickten Sätzen ableiten, die indirekten oder apagogischen gegenüber, welche dadurch, daß sie das Gegenteil des zu Beweisenden zunächst als richtig annehmen, dann aber durch Folgerungen als falsch dartun, die Richtigkeit des zu Beweisenden erschließen. Vermöge eines disjunktiven Obersatzes, welcher sämtliche Möglichkeiten der betr. Sphäre erschöpft, kann der indirekte Beweis durch sukzessive Ansschließung aller anderen Möglichkeiten die noch übrigbleibende zur Gewißheit erheben. – Der direkte Beweis ist progressiv oder regressiv, je nachdem er aus den Beweisgründen den zu beweisenden Satz (theorema) folgert, oder diesen vorläufig als richtig voraussetzt und daraus auf die unvermeidlichen Bedingungen zurückschließt, mit deren Wahrheit auch der fragliche Satz bewiesen ist.
Die Beweiskraft (nervus probandi) richtet sich natürlich nach den Gründen; nur die sogenannten apodiktischen, d.h. die streng syllogistischen Beweise geben volle Gewißheit, die analogischen oder induktiven und die oratorischen dagegen nur Wahrscheinlichkeit. Neben den Hauptargumenten gibt es noch Nebengründe; sie bilden zusammen den Stoff (materia) des Beweises, während ihre logische Verbindung die Form und die rhetorische Einkleidung die Gestalt des Beweises heißt. Stellt man die Beweisgründe selbst wieder in Zweifel, so bedürfen auch diese eines Beweises. Im Rückgang des Schließens gelangt man dann stets zuletzt zu unbeweisbaren Grundsätzen, Prinzipien (s. d.) oder Axiomen (s. d.). Das Wichtigste bei jedem Beweise ist die Vermeidung falscher Beweisgründe. Sie dürfen weder an sich noch in bezug auf das Theorem ungehörig sein (ignoratio elenchi). Wird zu viel oder zu wenig bewiesen, so ist der Beweis verfehlt (qui nimium probat, nihil probat); dasselbe ist beim Zirkel (circulus vitiosus, petitio principii, Diallele) der Fall, wo das Theorem als Beweisgrund verwendet wird. Hysteron-Proteron heißt dagegen der Fehler, der entsteht, wenn man ein Argument verwendet, das schwieriger zu beweisen ist, als der Satz selbst. – Bei der Verknüpfung der Glieder nennt man Sprung (saltus in demonstrando) die Auslassung, dagegen Fälschung (fallacia medii tertii) die Einschiebung falscher Glieder. Unabsichtliche Fehler beim Beweisen ergeben Fehlbeweise (Paralogismen), absichtliche dagegen Trugbeweise (Sophismen). Vgl. Überweg, Logik. Bonn 1882, § 135.