Parallelismus zwischen den Wirkungen veränderter Lebensbedingungen und der Kreuzung
Wir wollen nun etwas näher zu betrachten versuchen, welches wohl wahrscheinlich die Natur der Verschiedenheiten ist, welche Sterilität sowohl erster Kreuzungen als der Bastarde verursachen. Bei ersten Kreuzungen reiner Arten hängt die größere oder geringere Schwierigkeit, eine Paarung zu bewirken und Nachkommen zu erzielen, anscheinend von mehreren verschiedenen Ursachen ab. Zuweilen muss eine physische Unmöglichkeit für das männliche Element vorhanden sein bis zum Eichen zu gelangen, wie es bei Pflanzen der Fall wäre, deren Pistill zu lang ist, als dass die Pollenschläuche bis ins Ovarium hinabreichen können. So ist auch beobachtet worden, dass wenn der Pollen einer Art auf das Stigma einer nur entfernt damit verwandten Art gebracht wird, die Pollenschläuche zwar hervortreten, aber nicht in die Oberfläche des Stigmas eindringen. In anderen Fällen kann ferner das männliche Element zwar das weibliche erreichen, es ist aber unfähig die Entwicklung des Embryos zu veranlassen, wie das aus einigen Versuchen THURET's mit Fucoideen hervorzugehen scheint. Wir können diese Tatsachen eben so wenig erklären, wie warum gewisse Baumarten nicht auf andere gepropft werden können. Endlich kann es auch vorkommen, dass ein Embryo sich zwar zu entwickeln beginnt, aber schon in einer frühen Zeit zu Grunde geht. Diese letzte Alternative ist nicht genügend beachtet worden; doch glaube ich nach den von Hrn. HEWITT, welcher große Erfahrung in der Bastardzüchtung von Fasanen und Hühnern besessen hat, mir mitgeteilten Beobachtungen, dass der frühzeitige Tod des Embryos eine sehr häufige Ursache der Unfruchtbarkeit der ersten Kreuzungen ist. SALTER hat neuerdings die Resultate seiner Untersuchungen von 500 Eiern bekannt gemacht, die von verschiedenen Kreuzungen dreier Arten von Gallus und deren Bastarden erhalten worden waren. Die Mehrzahl dieser Eier war befruchtet, und bei der Majorität der befruchteten Eier waren die Embryonen entweder nur zum Teil entwickelt und waren dann abortiert, oder beinahe reif geworden, die Jungen waren aber nicht im Stande, die Schale zu durchbrechen. Von den geborenen Hühnchen waren über vier Fünftel innerhalb der ersten paar Tage oder höchstens Wochen gestorben, »ohne irgend welche auffallende Ursachen, scheinbar nur aus Mangel an Lebensfähigkeit«, so dass von den 500 Eiern nur zwölf Hühnchen aufgezogen wurden. Der frühe Tod der Bastardembryonen tritt wahrscheinlich in gleicher Weise bei Pflanzen ein; wenigstens ist es bekannt, dass von sehr verschiedenen Arten erzogene Bastarde zuweilen schwach und zwerghaft sind und jung zu Grunde gehen. Von dieser Tatsache hat neuerdings MAX WICHURA Einige auffallende Fälle bei Weidenbastarden gegeben. Es verdient vielleicht hier bemerkt zu werden, dass in manchen Fällen von Parthenogenesis die aus nicht befruchteten Eiern des Seidenschmetterlings kommenden Embryonen, wie die aus einer Kreuzung zweier besonderer Arten entstehenden, die ersten Entwicklungszustände durchliefen und dann untergingen. Ehe ich mit diesen Tatsachen bekannt wurde, war ich sehr wenig geneigt, an den frühen Tod hybrider Embryonen zu glauben, weil Bastarde, wenn sie einmal geboren sind, sehr kräftig und langlebend zu sein pflegen, wie es das Maultier zeigt. Überdies befinden sich Bastarde vor und nach der Geburt unter ganz verschiedenen Verhältnissen. In einer Gegend geboren und lebend, wo auch ihre beide Eltern leben, befinden sie sich allgemein unter ihnen zusagenden Lebensbedingungen. Aber ein Bastard hat nur halb an der Natur und Konstitution seiner Mutter Anteil und mag mithin vor der Geburt, solange er noch im Mutterleibe ernährt wird oder in den von der Mutter hervorgebrachten Eiern und Samen sich befindet, einigermaßen ungünstigeren Bedingungen ausgesetzt und demzufolge in der ersten Zeit leichter zu Grunde zu gehen geneigt sein, ganz besonders, weil alle sehr jungen Lebewesen gegen schädliche und unnatürliche Lebensverhältnisse außerordentlich empfindlich sind. Nach allem aber ist es wahrscheinlicher, dass die Ursache in irgend einer Unvollkommenheit beim ursprünglichen Befruchtungsakte liegt, welche den Embryo nur unvollkommen entwickeln lässt, als in den Bedingungen, denen er später ausgesetzt ist.
Hinsichtlich der Sterilität der Bastarde, deren Zeugungselemente unvollkommen entwickelt sind, verhält sich die Sache etwas anders. Ich habe schon mehrmals angeführt, dass ich eine große Menge von Tatsachen gesammelt habe, welche zeigen, dass, wenn Pflanzen und Tiere aus ihren natürlichen Verhältnissen herausgerissen werden, es vorzugsweise die Fortpflanzungsorgane sind, welche unter solchen Umständen äußerst leicht bedenklich affiziert werden. Dies ist in der Tat die große Schranke für die Domestikation der Tiere. Zwischen der dadurch veranlassten Unfruchtbarkeit der Tiere und der der Bastarde bestehen manche Ähnlichkeiten. In beiden Fällen ist die Sterilität unabhängig von der Gesundheit im Allgemeinen und oft begleitet von excedierender Größe und Üppigkeit. In beiden Fällen kommt die Unfruchtbarkeit in vielerlei Abstufungen vor; in beiden ist das männliche Element am meisten zu leiden geneigt, zuweilen aber das weibliche doch noch mehr als das männliche. In beiden geht diese Neigung bis zu gewisser Stufe gleichen Schritts mit der systematischen Verwandtschaft, denn ganze Gruppen von Pflanzen und Tieren werden durch dieselben unnatürlichen Bedingungen impotent, und ganze Gruppen von Arten neigen zur Hervorbringung unfruchtbarer Bastarde. Auf der andern Seite widersteht zuweilen eine einzelne Art in einer Gruppe großen Veränderungen in den äußeren Bedingungen mit ungeschwächter Fruchtbarkeit, und gewisse Arten einer Gruppe liefern ungewöhnlich fruchtbare Bastarde. Niemand kann, ehe er es versucht hat, voraussagen, ob dieses oder jenes Tier in der Gefangenschaft und ob diese oder jene ausländische Pflanze während ihres Anbaues sich gut fortpflanzen wird, noch ob irgend welche zwei Arten einer Gattung mehr oder weniger sterile Bastarde miteinander hervorbringen werden. Endlich, wenn organische Wesen während mehrerer Generationen in für sie unnatürliche Verhältnisse versetzt werden, so sind sie außerordentlich zu variieren geneigt, was, wie es scheint, zum Teil davon herrührt, dass ihre Reproduktionssysteme besonders affiziert worden sind, obwohl in minderem Grade als wenn gänzliche Unfruchtbarkeit folgt. Ebenso ist es mit Bastarden; denn Bastarde sind in aufeinanderfolgenden Generationen sehr zu variieren geneigt, wie es jeder Züchter erfahren hat.
So sehen wir denn, dass, wenn organische Wesen in neue und unnatürliche Verhältnisse versetzt, und wenn Bastarde durch unnatürliche Kreuzung zweier Arten erzeugt werden, das Reproduktionssystem ganz unabhängig von dem allgemeinen Zustande der Gesundheit in ganz ähnlicher Weise affiziert wird. In dem einen Falle sind die Lebensbedingungen gestört worden, obwohl oft nur in einem für uns nicht wahrnehmbaren Grade; in dem andern, bei den Bastarden nämlich, sind die äußeren Bedingungen unverändert geblieben, aber die Organisation ist dadurch gestört worden, dass zwei verschiedene Besonderheiten der Struktur und Konstitution, natürlich mit Einschluss der Reproduktivsysteme, zu einer einzigen verschmolzen sind. Denn es ist kaum möglich, dass zwei Organisationen in eine verbunden werden, ohne einige Störung in der Entwicklung oder in der periodischen Tätigkeit oder in den Wechselbeziehungen der verschiedenen Teile und Organe zu einander oder zu den Lebensbeziehungen zu veranlassen. Wenn Bastarde fähig sind, sich unter sich fortzupflanzen, so übertragen sie von Generation zu Generation auf ihre Nachkommen dieselbe Vereinigung zweier Organisationen, und wir dürfen daher nicht darüber erstaunen, dass ihre Unfruchtbarkeit, wenn auch einigem Schwanken unterworfen, nicht abnimmt, sondern eher noch zuzunehmen geneigt ist; diese Zunahme ist, wie früher erwähnt, allgemein das Resultat einer zu engen Inzucht. Die obige Ansicht, dass die Sterilität der Bastarde durch das Vermischen zweier Konstitutionen zu einer verursacht sei, ist vor Kurzem sehr entschieden von MAX WICHURA vertreten worden.
Wir müssen indessen bekennen, dass wir weder nach dieser noch nach irgend einer andern Ansicht im Stande sind, gewisse Tatsachen in Bezug auf die Unfruchtbarkeit der Bastarde zu begreifen, wie z.B. die ungleiche Fruchtbarkeit der zweierlei Bastarde aus der Wechselkreuzung, oder die zunehmende Unfruchtbarkeit derjenigen Bastarde, welche zufällig oder ausnahmsweise einem ihrer beiden Eltern sehr ähnlich sind. Auch bilde ich mir nicht ein, mit den vorangehenden Bemerkungen der Sache auf den Grund gekommen zu sein; ich habe keine Erklärung dafür, warum ein Organismus unter unnatürlichen Lebensbedingungen unfruchtbar wird. Alles, was ich zu zeigen versucht habe, ist, dass in zwei in mancher Beziehung miteinander verwandten Fällen Unfruchtbarkeit das gemeinsame Resultat ist, in dem einen Falle, weil die äußeren Lebensbedingungen, und in dem anderen, weil durch Verschmelzung zweier Organisationen in eine die Organisation oder Konstitution gestört worden ist.
Ein ähnlicher Parallelismus gilt auch noch bei einer andern zwar verwandten, doch an sich sehr verschiedenen Reihe von Tatsachen. Es ist ein alter und fast allgemeiner Glaube, welcher auf einer Maße von, an einem andern Orte mitgeteilten Zeugnissen beruht, dass leichte Veränderungen in den äußeren Lebensbedingungen für alles Lebendige wohltätig sind. Wir sehen daher Landwirte und Gärtner beständig ihre Samen, Knollen u.s.w. austauschen, sie aus einem Boden und Klima ins andere und wieder zurück versetzen. Während der Wiedergenesung von Tieren sehen wir sie oft großen Vorteil aus beinahe einer jeden Veränderung in der Lebensweise ziehen. So sind auch bei Pflanzen und Tieren die deutlichsten Beweise dafür vorhanden, dass eine Kreuzung zwischen verschiedenen Individuen einer Art, welche bis zu einem gewissen Grade von einander abweichen, der Nachzucht Kraft und Fruchtbarkeit verleiht, und dass enge Inzucht zwischen den nächsten Verwandten einige Generationen lang fortgesetzt, zumal wenn dieselben unter gleichen Lebensbedingungen gehalten werden, beinahe immer zu Größenabnahme, Schwäche oder Unfruchtbarkeit führt.
So scheint es mir denn, dass einerseits geringe Veränderungen in den Lebensbedingungen allen organischen Wesen vorteilhaft sind; und dass andererseits schwache Kreuzungen, nämlich solche zwischen Männchen und Weibchen derselben Art, welche unbedeutend verschiedenen Bedingungen ausgesetzt gewesen sind oder unbedeutend variiert haben, der Nachkommenschaft Kraft und Stärke verleihen. Dagegen haben wir gesehen, dass bedeutendere Veränderungen der Verhältnisse die Organismen, welche lange Zeit an gewisse gleichförmige Lebensbedingungen im Naturzustande gewöhnt waren, oft in gewissem Grade unfruchtbar machen, wie wir auch wissen, dass Kreuzungen zwischen sehr weit oder spezifisch verschieden gewordenen Männchen und Weibchen Bastarde hervorbringen, die beinahe immer einigermaßen unfruchtbar sind. Ich bin vollständig davon überzeugt, dass dieser Parallelismus durchaus nicht auf einem bloßen Zufalle oder einer Täuschung beruht. Wer zu erklären im Stande ist, warum der Elefant und eine Menge anderer Tiere unfähig sind, sich bei nur teilweiser Gefangenschaft in ihrem Heimatlande fortzupflanzen, wird auch die primäre Ursache dafür anzugeben im Stande sein, dass Bastarde so allgemein unfruchtbar sind. Er wird gleichzeitig zu erklären vermögen, woher es kömmt, dass die Rassen einiger unserer domestizierten Tiere, welche häufig neuen und nicht gleichförmigen Bedingungen ausgesetzt worden sind, völlig fruchtbar miteinander sind, trotzdem sie von verschiedenen Arten abstammen, welche wahrscheinlich bei einer ursprünglichen Kreuzung unfruchtbar gewesen sein werden. Beide obige Reihen von Tatsachen scheinen durch ein gemeinsames, aber unbekanntes Band miteinander verkettet zu sein, welches mit dem Lebensprinzip seinem Wesen nach zusammenhängt; das Prinzip ist, wie HERBERT SPENCER bemerkt hat, dies, dass das Leben von der beständigen Wirkung und Gegenwirkung verschiedener Kräfte abhängt oder dass es in einer solchen besteht, welche Kräfte wie überall in der Natur stets nach Gleichgewicht streben; wird dies Streben durch irgend eine Veränderung leicht gestört, so gewinnen die Lebenskräfte wieder an Stärke.