Betrachtung der Beziehungen oder Verhältnisse
Jene langen Ketten ganz einfacher und leichter Folgerungen, wie sie die Geometer zu brauchen pflegen, um die schwierigsten Beweisführungen zustande zu bringen, hatten in mir die Vorstellung erweckt, dass alle möglichen Objekte der menschlichen Erkenntnis auf ähnliche Weise einander folgen, und wenn man nur keine Sache für wahr gelten lasse, die es nicht sei, und stets die notwendige Ordnung beobachte, um das eine aus dem andern abzuleiten, so könne nichts so entfernt sein, dass man es nicht zu erreichen, und nichts so verborgen, dass man es nicht zu entdecken vermöchte. Auch war ich nicht in Verlegenheit, womit anzufangen sei. Denn ich wußte schon, es müsse mit dem Einfachsten und Faßlichsten geschehen, und da ich bedachte, dass unter allen, die sonst nach Wahrheit in den Wissenschaften geforscht, die Mathematiker allein einige Beweise, das heißt einige sichere und einleuchtende (évidentes) Gründe hatten finden können, so war ich gewiß, dass ich mit diesen bewährten Begriffen anfangen müsse, obwohl ich mir davon keinen anderen Nutzen versprach, als dass sie meinen Geist gewöhnen würden, sich mit Wahrheiten zu nähren und nicht mit falschen Gründen zu begnügen. Indessen hatte ich nicht die Absicht, zu diesem Zweck alle jene besonderen Wissenschaften, die man gewöhnlich mathematische nennt, zu erlernen. Da ich nämlich sah, wie sie bei aller Verschiedenheit ihrer Objekte doch darin sämtlich übereinstimmten, dass sie in ihren Objekten bloß die verschiedenen Beziehungen oder Verhältnisse (rapports ou proportions) betrachteten, so hielt ich es für besser, bloß diese Verhältnisse im allgemeinen zu untersuchen und als ihre Träger nur solche Objekte anzunehmen, die mir die Erkenntnis derselben am meisten erleichtern würden, ohne sie irgendwie daran zu binden, um sie nachher um so besser auch auf alles andere Passende anwenden zu können. Wie ich nun weiter bemerkte, dass es zu ihrer Erkenntnis manchmal nötig sein würde, jede für sich im einzelnen zu betrachten, ein andermal sie nur im Gedächtnis zu behalten oder mehrere zugleich zu begreifen, so meinte ich, um sie besser im einzelnen zu betrachten, grade Linien als Träger nehmen zu sollen, weil ich nichts Einfacheres fand und meiner Einbildung oder meinen Sinnen nichts deutlicher vorstellen konnte; um sie aber zu behalten oder mehrere zugleich zu begreifen, würde ich am besten tun, sie in einigen Zeichen (chiffres) so kurz wie möglich darzustellen. So würde ich von der geometrischen Analysis und der Algebra das Beste entlehnen und die Mängel der einen durch die andere verbessern.