Der Hofmeister
Ich hatte einen Hofmeister, den ich fanatisch verehrte, den jetzigen Augenprofessor L.K. Meine um zwei Jahre jüngere Schwester Marie, jalso zehnjährig, hatte eine Schweizer Gouvernante, Amelie Leutzinger. Wir lebten infolgedessen drei Jahre lang ein wahres seelisches Paradiesleben und beneideten niemanden, denn wir waren zufrieden mit der ganzen Lebenskonstellation im Elternhaus. Plötzlich glaubte Mama zu erkennen, daß Hofmeister und Gouvernante sich nicht ganz gleichgültig seien. Obzwar meine Schwester und ich das schon längst als ein festigendes Band der gesamten Beziehungen im Elternhause nur mit Freuden begrüßten und konstatierten, war Mama, einer älteren und vorurteilsvolleren Generation entsprossen, anderer, vor allem skeptischerer Ansicht, und sagte eines Tages ostentativ bei irgendeiner Gelegenheit zu meinem geliebten Hofmeister: »Sie sollen sich ausschließlich, ja ausschließlich auf die Freundschaft mit meinem Sohne konzentrieren, verstehen Sie mich?«
Ja, er verstand und kündigte.
Infolgedessen verweigerten meine Schwester und ich durch drei Tage die Nahrung. Am vierten Tag wurde die »Kündigung« seinerseits zurückgenommen und Amelie Leutzinger ging freiwillig in die Schweiz zurück. Mein Väter sagte damals zu Mama: »Pauline, bitte, menge dich nicht mehr in so heikle Angelegenheiten unserer Kinder hinein!«