2. Kapitel

Plaue von 1620 bis 1765.
Die von Görne-Zeit


Leonhard von Arnim, dem Plaue als väterliches Erbe zugefallen war, war infolge der Verwirrungen, die der damals beginnende Dreißigjährige Krieg heraufführte, dergestalt in Schulden geraten, daß er sich nicht getraute, sich im Besitze seiner Güter zu behaupten. Er verkaufte deshalb, und zwar einige Tage vor seinem frühzeitigen Tode, die Herrschaft Plaue, zu der, außer der Stadt gleichen Namens, auch noch vier Dörfer gehörten, an den Domherrn und Thesaurarius der erzbischöflichen Kirche zu Magdeburg Christoph von Görne, bei dessen Familie Plaue nunmehr bis 1765 blieb. Die Kaufsumme war 80000 Taler. Zwei Jahre nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges wurde dieser Besitz angetreten und zwei Jahre nach Schluß des Siebenjährigen Krieges traten die Görnes von diesem Besitz zurück.

Daß Plaue zu Beginn dieser Epoche besonders oft und schwer heimgesucht wurde, war natürlich; war es doch der Hauptpaß zwischen Berlin und Magdeburg. 1630 wurde die Brücke von den Kaiserlichen abgeworfen, um die aus Pommern heranziehenden Schweden abzuhalten, 1632 vollendeten diese (die Schweden) das Vernichtungswerk durch Abhauen der noch stehengebliebenen Pfähle. Nicht einmal einen Kahn ließ man den Einwohnern, nur um den am anderen Ufer stehenden Kaiserlichen keinerlei Vorschub zu leisten. 1635 plünderten die Sachsen. Aber erst 1639, als Brandenburgische Landeskinder vom Burgsdorfschen Regiment in Plaue Quartier nahmen, erreichte die Not ihren Gipfelpunkt. Um diese Zeit war es, daß die Bewohner von Plaue sich bittweis an den Kurfürsten George Wilhelm wandten. »Ob wir nun wohl nichts mehr auf dieser Welt als das bloße Leben und mit Ehren zu melden nicht ein Hemd auf dem Leibe behalten haben, so werden wir doch anitzo mit schwerer Tribulation von des Obersten von Burgsdorf Regiment belegt, dessen uns zugewiesene Reuter uns ängstigen und plagen und vollends zerschlagen und zu Asche brennen, was uns die andern Soldaten an zerbrochenem Eigenthum noch gelassen haben. Und wenn wir unsere Häuser nur um des Nachtlagers willen nicht gern mit dem Rücken ansehen und uns mit Kummer und Noth auch fernerhin darin zu fristen gedenken, so können wirs doch nur, wenn uns churfürstliche Gnaden auf drei Jahre von aller Kontribution und Einquartirungen befrein.« Endlich war der Krieg zu Ende und des Christophs von Görne Sohn, der inzwischen das Erbe angetreten, mühte sich, wie sich der Vater bis zu seinem 1638 erfolgten Tode gemüht hatte, dem verarmten Orte wieder aufzuhelfen. In diesem Bestreben einigten sich auch die Görnes, die den beiden ersten Besitzern, Vater und Sohn, in Schloß Plaue folgten; am eingreifendsten und segensreichsten aber war die Wirksamkeit Friedrichs von Görne, des fünften Görne an dieser Stelle, der, schon vorher auf dem benachbarten Gollwitz ansässig, 1711 Plaue durch Vergleich an sich brachte.

Friedrich von Görne, geboren den 24. Juli 1670, war einundvierzig Jahre alt, Geheimrat und Kammerpräsident, als er 1711 seinen Neubesitz antrat. Er ließ als Erstes und Wichtigstes die während des Dreißigjährigen Krieges abgetragene Brücke wieder herstellen und ging dann in fünfjähriger Bautätigkeit dazu über, das von Georg von Waldenfels auf den Trümmern der alten Burg neu errichtete, während des Krieges aber zum zweiten Male zerstörte Schloß, durch einen dem Zeitgeschmack entsprechenden Neubau zu ersetzen. Dies geschah mit einem Kostenaufwande von 23460 Talern. Es war ein ansehnliches Hauptgebäude mit zwei Seitenflügeln, über dessen damalige Gesamterscheinung wir in den Guts- und Pfarrakten eine vom alten Pfarrer Lösecke herrührende, etwa der Mitte des vorigen Jahrhunderts angehörige Beschreibung haben, deren Inhalt sich im wesentlichen mit dem Bilde deckt, das uns das Schloß bis diesen Augenblick gewährt. »Das Corps de Logis, die Hauptfront nach Osten, ist mit vortrefflichen Souterrains versehen und hat zwei Etagen, jede mit einem herrlichen Saal und vielen schönen Zimmern. Oben auf dem Dache befindet sich ein geräumiger Altan, auf dem man bequem spazieren gehen und des herrlichsten Ausblicks genießen kann. Jenseits der Havel sieht man, hundert Ruten vom Schlosse entfernt, eine halbmondförmige Schanze, von wo aus, zur Quitzowzeit, die markgräflichen Leute Burg Plaue beschossen haben. Diese Schanze hat eine Länge von siebzehn Ruten und ist senkrecht dreizehn bis vierzehn Fuß hoch. Am Ende des mittäglichen Schloßflügels ist eine schöne Kapelle, darin, wenn es die Herrschaft verlangt, der Gottesdienst gehalten werden kann. Vor dem Schlosse fließt die Havel. Sonst ist noch aus alter Zeit her ein breiter und tiefer Graben um das Schloß her gezogen, so daß man nur über Zugbrücken in dasselbe gelangen kann. Auch der Turm22ist noch da, worin Hans von Quitzow 1407 den Herzog Johann von Mecklenburg ein Jahr lang gefangen hielt.«

Friedrich von Görne baute dem Verkehr die Brücke, sich selbst ein Schloß, nebenher aber lief, wie schon in kurzem hervorgehoben, das eifrige Bestreben, der seit dem Dreißigjährigen Kriege verarmten Bevölkerung von Plaue wieder aufzuhelfen. Er begann mit einer Wollenmanufaktur, und als diese nicht ausreichend prosperierte, ließ er ihr eine Porzellanmanufaktur folgen. Es verlohnt sich bei der Geschichte derselben, der ersten in Preußen, einen Augenblick zu verweilen.

Es war in Halle, zu nicht näher zu bestimmender Zeit, daß Friedrich von Görne die Bekanntschaft eines gewissen Kempe machte, von dem es hieß, daß er in der Böttgerschen Porzellanmanufaktur zu Meißen gearbeitet und die Geheimnisse derselben kennengelernt habe. Mit diesem Kempe setzte sich von Görne nun in Verbindung und bestimmte denselben, an einem in der Nähe sich vorfindenden rötlichen, feuerfesten Ton seine Kunst zu versuchen. Kempe ging auf den Antrag ein, und nachdem 1713 der Kunstmaler David Bennewitz (ein anschlägiger Kopf, später Direktor der Fabrik) und im Jahre 1715 ein auf diesem Gebiet ausgezeichneter Techniker Johann Mehlhorn hinzugetreten war, gelang es, ein weißes Porzellan herzustellen – anfangs hatte man sich mit einem rotbraunen begnügen müssen –, das durch seine Trefflichkeit die gehegten Erwartungen noch übertraf. Man fabrizierte Tafelaufsätze, Krüge, Tee- und Schokoladenservices, Butterbüchsen, Konfekt- und Kochgeschirre, kurzum alles, was man gewohnt war aus Ostindien oder Holland zu beziehen. Jeder Arbeiter wurde durch Eid verpflichtet, »von dem, was er in der Manufaktur gesehen oder erlernt habe, niemandem, es sei, wer es wolle, das geringste sagen oder weisen, oder seine Kunst auswärts üben und brauchen zu wollen.« Alle Zimmer des Plauer Schlosses waren alsbald mit allerlei kostbarem Gerät ausgestattet und namentlich Vorhof und Garten mit mächtigen Vasen und Blumentöpfen geziert. Auch der Absatz unterlag keinen Schwierigkeiten. Schon in der Nachbarschaft fanden sich Käufer die Menge, denn Reiche und Vornehme suchten dem Herrn von Görne, der zu den tonangebenden Männern zählte, in der Ausstattung ihrer Häuser nachzuahmen. Aber auch das Ausland kaufte sehr beträchtlich und außer einer zu Berlin befindlichen Hauptniederlage, wurden Niederlagen in Breslau, Magdeburg, Braunschweig, Hamburg, Kassel, Danzig und Königsberg errichtet. Für Holland und England bestimmte Ware wurde bis Hamburg frachtfrei geliefert. Auf Einkäufe von hundert Taler gab es, was ganz modern klingt, bei Barzahlungen zehn Taler, auf tausend Taler jährliche Abnahme aber, außer zehn Prozent, noch fünfzig Taler Prämie in den Kauf. Überallhin drang der Ruf der Plauer Manufaktur, und als Peter der Große seine zweite Reise durch Europa machte, kam er in Begleitung Friedrich Wilhelms I., der ihm in Brandenburg seine »große Garde« gezeigt hatte, nach Plaue, blieb daselbst auf dem Schloß über Nacht und bestellte, nach Besichtigung der Fabrik, ein vollständiges Tafelservice, das auch sehr schön ausfiel und auf braunem Grunde das stark vergoldete Wappen des Zaren zeigte. Diese Fortschritte, diesseitig freudig begrüßt, waren selbstverständlich ein Schrecken in Sachsen, wo man die Fortführung und jedenfalls die Rentabilität der Meißner Manufaktur ernstlich in Frage gestellt sah, so sehr, daß Unterhandlungen (die sich übrigens bald wieder zerschlugen) begannen, um die Fabrik in Plaue zum Rückritt zu veranlassen. Die Hilfe für Sachsen kam schließlich von anderer Seite her: Friedrich von Görne, durch Friedrich Wilhelm I. zum Geheimen Etatsrat ernannt, sah sich bald nach seiner Ernennung in eine hohe Verwaltungsstelle nach Ostpreußen berufen und von dieser entfernten Provinz aus selbstverständlich außerstande, den Vorgängen in Plaue, wie das durchaus nötig war, kontrollierend zu folgen. So rissen denn Unordnungen ein, die rasch wuchsen und bei Rückkehr von Görnes das Aufgeben des ganzen Betriebes zur Folge hatten.

Das war 1730. Aber bis zu seinem Lebensausgange blieb von Görnes Gesamttätigkeit ein Segen für Stadt und Land. Im Jahre 1743 wurde, mutmaßlich unter seiner Anregung, der Plauesche Kanal begonnen und am 5. Juni 1745 beendet. Neunzehn Tage später starb er. Das Plauer Kirchenbuch meldet: »Den 24. Juni 1745 hat S. Exc. Herr Friedrich von Görne, Seiner Majestät hochbestallter wirklicher geheimer Etats- und Kriegsminister, Vize-Präsident und erster dirigierender Minister bei dem General-Oberfinanz-, Kriegs- und Domainen-Direktorio, Ritter des schwarzen Adlerordens, Generalpostmeister, Erbherr auf Plaue, Golwitz etc. etc. nach einer langwierigen Schwachheit im 75. Jahre Dero Alters das Zeitliche mit dem Ewigen verwechselt und ist seine Leiche den 28. Juni in dem hochadligen Gewölbe zu Golwitz beigesetzt worden.«

Plaue blieb noch zwanzig Jahre in von Görneschem Besitz, bis es Leopold von Görne, Sohn Friedrichs von Görne, im Jahre 1765 für 160000 Taler an den königlich preußischen Obersten von der Infanterie, Wilhelm von Anhalt, Generalquartier- und Hofjägermeister, auch Domherr der hohen Stiftskirche zu Havelberg, verkaufte.




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