6. Kapitel
Schloss Plaue gegenüber
Eine schwere Aufgabe – so schloß unser voriges Kapitel – war damit dem Königsmarckschen Aussichtsbalkone gestellt, denn von der andern Havelseite her blickte, statt Konstantinopel und des Halbmondes von der Hagia Sophia, nur das Storchnest einer Ziegelscheune herüber. Demungeachtet war das Ufer drüben eine »hübsche Stelle«, der ich es, wenn ich sie so nenne, noch nicht einmal anrechne, daß just auf ihr die Schanze stand, von der aus 1414 die »große Büchse« des Burggrafen ihre Steinkugeln gegen Schloß Plaue schleuderte.
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Wie wenn es gestern gewesen wäre, steht der Tag vor mir, zu dem ich »in großer Kumpanei« zum ersten Male auf diese Schloß Plaue gegenüberliegende Ziegeleistelle zufuhr. Eine lange Wagenreihe, die Damen in eleganter Toilette, so kamen wir, um Pfingsten, die staubige Sommerchaussee von Brandenburg daher, und ehe Mittag heran war, hielten wir – unmittelbar vor der Plauer Brücke links einbiegend – auf einem Vorplatz, zu dessen einer Seite sich die vorgenannte Storchenscheune, zur anderen ein primitives Wohnhaus erhob. In der Haustür aber stand ein alter Herr, in leichter sommerlicher Tracht, mit hoher Stirn und hohen weißen Vatermördern, dazu von breitem Bau und mit noch breiteren Lippen und begrüßte seine Gäste, während herzueilende Dienstleute sich der Reisetaschen und Köfferchen bemächtigten und mit ihnen in einem unmittelbar angrenzenden, weinumrankten Logierhause verschwanden. Bald danach schlenderten wir in dem die Villa samt ihren Annexen umgebenden Parkgarten umher und lugten, von diesem Spaziergange heimkehrend, in die Fenster eines großen, erst neuerdings angebauten Gartensaals, wo sich schon die Vorbereitungen zu festlicher Bewirtung zeigten. Und abermals eine Stunde später und wir saßen in eben diesem Saale zum Dejeuner nieder, an lang gedeckter Tafel, an der der alte Herr jetzt präsidierte. Die Gänge wechselten, die Rheinweine lösten sich untereinander ab und der silbernen Weinkühler auf dem Tisch wurden immer mehr. Trinkspruch reihte sich an Trinkspruch. Der Sieg der Wahrheit, der Sieg »der guten Sache« wurde proklamiert, alles unter der Fahne »Similia similibus«, und nachdem schließlich der Kaffee von allen Seiten her als das Hauptgift der Menschheit festgestellt worden war, schritt man dazu ihn einzunehmen. Die Stunden enteilten und mit ihnen zuletzt auch wieder die Gäste. Nur ich und ein Freund, der mich eingeführt hatte, waren als ›Logierbesuch‹ zurückgeblieben.
Wer aber war der Wirt? Wer der Einsiedler in diesem Sanssouci?