Nachteilige Seiten des proletarischen Charakters - Trunksucht
Dies und die daraus folgende öffentliche Tätigkeit der Arbeiter, die wir später erledigen werden, sind die günstigen Seiten des Charakters dieser Klasse; die ungünstigen sind ebenso rasch zusammengefaßt und folgen ebenso natürlich aus den angegebenen Ursachen. Trunksucht, Regellosigkeit des geschlechtlichen Verkehrs, Roheit und Mangel an Achtung für das Eigentum sind die Hauptpunkte, die der Bourgeois ihr vorwirft. Daß die Arbeiter stark trinken, ist nicht anders zu erwarten. Sheriff Alison behauptet, daß in Glasgow jeden Sonnabendabend an dreißigtausend Arbeiter berauscht sind, und die Zahl ist gewiß nicht zu gering; daß in dieser Stadt 1830 auf zwölf Häuser und 1840 auf je zehn Häuser eine Branntweinschenke kam, daß in Schottland 1823 für 2 300 000 Gallonen, 1837 für 6 620 000 Gall., und in England 1823 für 1 976 000 Gall., 1837 für 7 875 000 Gall. Branntwein Akziseabgabe bezahlt wurde.19) Die Bierakte von 1830, welche die Errichtung von Bierhäusern, sogenannten Jerry-Shops, erleichterte - deren Besitzer zum Verkauf von Bier, to be drunk on the premises (das im Hause selbst getrunken werden darf), konzessioniert ist - diese Akte erleichterte auch die Ausbreitung der Trunksucht, indem sie jedem die Schenke fast vor die Türe brachte. Fast in jeder Straße findet man mehrere dieser Bierhäuser, und wo auf dem Lande zwei oder drei Häuser zusammenstehen, so ist ganz gewiß ein Jerry-Shop darunter. Außerdem gibt es noch Hush-Shops, d.h. heimliche Schenken, die nicht konzessioniert sind, in Menge und ebensoviele Branntweinbrennereien, die mitten in den großen Städten, in abgelegenen, von der Polizei selten besuchten Vierteln große Quantitäten dieses Getränks produzieren. Gaskell (a. a. 0.) schlägt die Zahl dieser letzteren in Manchester allein auf über hundert und ihre jährliche Produktion auf mindestens 156 000 Gallonen an. In Manchester sind außerdem über tausend Schenken, also im Verhältnis zur Häuserzahl wenigstens ebensoviele als in Glasgow. In allen andern großen Städten sieht es ebenso aus. Und wenn man nun noch außer den gewöhnlichen Folgen der Trunksucht bedenkt, daß Männer und Weiber von jedem Alter, selbst Kinder, oft Mütter mit ihren Kleinen auf dem Arme, hier mit den am tiefsten gesunkenen Opfern des Bourgeoisieregimes, mit Dieben, Betrügern und prostituierten Mädchen zusammenkommen, wenn man bedenkt, daß manche Mutter dem Säugling, den sie auf den Armen trägt, Branntwein zu trinken gibt, so wird man die demoralisierende Wirkung des Besuchs solcher Orte allerdings zugeben. Namentlich Samstagabends, wenn der Lohn ausbezahlt ist und etwas früher als gewöhnlich Feierabend gemacht wird, wenn die ganze arbeitende Klasse aus ihren schlechten Vierteln sich in die Hauptstraßen ergießt, kann man die Trunkenheit in ihrer ganzen Brutalität sehen. Ich bin selten an einem solchen Abend aus Manchester herausgekommen, ohne einer Menge schwankender oder in den Rinnsteinen liegender Betrunkener zu begegnen. Am Sonntagabend pflegt sich dieselbe Szene, nur weniger lärmend, zu wiederholen. Und wenn das Geld aus ist, so gehen die Trinker zum ersten besten Pfandhaus, deren in jeder großen Stadt eine Menge sind - Manchester über sechzig und in einer einzigen Straße von Salford (Chapel-Street) zehn bis zwölf-, und versetzen, was sie noch haben. Möbel, Sonntagskleider, wo sie existieren, Geschirre werden jeden Sonnabendabend in Massen aus den Pfandhäusern abgeholt, um fast immer vor dem nächsten Mittwoch wieder hineinzuwandern, bis zuletzt irgendein Zufall die Einlösung unmöglich macht und ein Stück nach dem andern dem Wucherer verfällt oder bis dieser auf die verschlissene und ausgenutzte Ware keinen Heller mehr vorschießen will. Wenn man die Verbreitung der Trunksucht unter den Arbeitern in England selbst gesehen hat, so glaubt man gern der Behauptung Lord Ashleys,20) daß diese Klasse jährlich an fünfundzwanzig Millionen Pfund Sterling für geistige Getränke ausgibt, und welche Verschlechterung der äußeren Lage, welche furchtbare Zerrüttung der geistigen und körperlichen Gesundheit, welche Zerstörung aller häuslichen Verhältnisse daraus entsteht, kann sich jeder leicht denken. Die Mäßigkeitsvereine haben allerdings viel getan, aber was verschlagen ein paar Tausend "Teetotallers" auf die Millionen Arbeiter? Wenn Father Mathew, der irische Mäßigkeitsapostel, durch die englischen Städte reist, so nehmen oft dreißig- bis sechzigtausend Arbeiter die "pledge" (das Gelübde), aber nach vier Wochen ist das bei den meisten wieder vergessen. Wenn man z.B. die Massen zusammenzählt, die in den letzten drei bis vier Jahren in Manchester das Mäßigkeitsgelübde abgelegt haben, so kommen mehr Laute heraus, als überhaupt in der Stadt wohnen - und doch merkt man nicht, daß der Trunk abnimmt.
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19) Princ[iples] of Population", passim.
20) Unterhaussitzung vom 28. Februar 1843.