Vorzüge des Proletariers vor dem Bourgeois
Von dem öffentlichen Charakter der englischen Arbeiter, wie er sich in Assoziationen und politischen Prinzipien ausspricht, werden wir noch weiter zu sprechen haben - hier wollen wir nur die Resultate der eben zusammengestellten Ursachen erwähnen, insofern diese auf den Privatcharakter der Arbeiter wirken. Der Arbeiter ist bei weitem humaner im gewöhnlichen Leben als der Bourgeois. Ich erwähnte schon oben, daß die Bettler fast nur an Arbeiter zu appellieren pflegen und überhaupt mehr von Seiten der Arbeiter für die Erhaltung der Armen getan wird als von seiten der Bourgeoisie. Diese Tatsache - man kann sie übrigens alle Tage bestätigt sehen - bestätigt u, a. auch Herr Parkinson, Kanonikus von Manchester:
"Die Armen geben einander mehr, als die Reichen den Armen geben. Ich kann meine Versicherung durch das Zeugnis eines unserer ältesten, geschicktesten, beobachtendsten und humansten Ärzte, des Dr. Bardsley, bestätigen. Dieser hat öffentlich erklärt, daß die Gesamtsumme, welche die Armen jährlich einander geben, diejenige übertrifft, welche die Reichen in derselben Zeit beisteuern."18)
Auch sonst tritt die Humanität der Arbeiter überall erfreulich hervor. Sie haben selbst harte Schicksale erfahren und können daher für diejenigen Mitgefühl hegen, denen es schlecht geht; für sie ist jeder Mensch ein Mensch, während der Arbeiter dem Bourgeois weniger als ein Mensch ist; daher sind sie umgänglicher, freundlicher, und obwohl sie das Geld nötiger haben als die Besitzenden, dennoch weniger darauf erpicht, weil ihnen das Geld nur um dessentwillen Wert hat, was sie dafür kaufen, während es für den Bourgeois einen besondern, inhärenten Wert, den Wert eines Gottes hat und den Bourgeois so zum gemeinen, schmutzigen "Geldmenschen" macht. Der Arbeiter, der dies Gefühl der Ehrfurcht vor dem Gelde nicht kennt, ist daher nicht so habgierig wie der Bourgeois, der alles nur tut, um Geld zu verdienen, der seinen Lebenszweck im Anhäufen von Geldsäcken sieht. Darum ist der Arbeiter auch viel unbefangener, hat viel offnere Augen für Tatsachen als der Bourgeois und sieht nicht alles durch die Brille des Eigennutzes an. Vor religiösen Vorurteilen schützt ihn seine mangelhafte Erziehung; er versteht nichts davon und plagt sich nicht damit herum, er kennt den Fanatismus nicht, der die Bourgeoisie befangen hält, und wenn er ja etwas Religion haben sollte, so ist sie nur nominell, nicht einmal theoretisch - praktisch lebt er nur für diese Welt und sucht sich in ihr einzubürgern. Alle Schriftsteller der Bourgeoisie stimmen darin überein, daß die Arbeiter keine Religion haben und die Kirche nicht besuchen. Allenfalls die Irländer sind auszunehmen und einige altere Leute, dann die Halbbourgeois, die Aufseher, Werkmeister und dergleichen. Aber unter der Masse findet man fast überall eine gänzliche Indifferenz gegen die Religion, und wenn es hoch kommt, ein bißchen Deismus, das zu unentwickelt ist, um zu etwas mehr als zu Redensarten dienen zu können oder etwas mehr als einen vagen Schrecken vor Ausdrücken wie infidel (Ungläubiger) und atheist hervorzurufen. Die Geistlichlichkeit aller Sekten steht sehr schlecht bei den Arbeitern angeschrieben, obwohl sie ihren Einfluß auf diese erst in der letzten Zeit verloren hat; jetzt steht sie aber so, daß der bloße Ruf: he is a parson - er ist ein Pfaff! oft genug imstande ist, einen Geistlichen von der Tribüne öffentlicher Versammlungen zu verjagen. Und wie schon die Lebenslage überhaupt, so trägt auch der Mangel an religiöser und sonstiger Bildung dazu bei, die Arbeiter unbefangener, freier von überkommenen stabilen Grundsätzen und vorgefaßten Meinungen zu halten, als der Bourgeois dies ist. Dieser sitzt in seinen Klassenvorurteilen, in den ihm von Jugend auf eingetrichterten Prinzipien bis über die Ohren eingerammt; mit ihm ist nichts anzufangen, er ist wesentlich, wenn auch in liberaler Form, konservativ, sein Interesse mit dem Bestehenden verwachsen, er ist aller Bewegung abgestorben. Er tritt ab von der Spitze der historischen Entwicklung, die Arbeiter treten erst rechtlich und dereinst auch faktisch an seine Stelle.
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18) "On the present Condition of the Labouring Poor in Manchester etc." [Über die gegenwärtige Lage der arbeitenden Armen in Manchester usw.], By the Rev, Rd. Parkinson, Canon of Manchester. 3rd edit. London and Manchester, 1841. Pamphlet.