XXIX. VORLESUNG
Revision der Traumlehre
Meine Damen und Herren! Wenn ich Sie nach länger als fünfzehnjähriger Pause wieder zusammengerufen habe, um mit Ihnen zu besprechen, was die Zwischenzeit an Neuem, vielleicht auch Besserem, in der Psychoanalyse gebracht hat, so ist es von mehr als einem Gesichtspunkt aus recht und billig, daß wir unsere Aufmerksamkeit zuerst dem Stande der Traumlehre zuwenden. Diese nimmt in der Geschichte der Psychoanalyse eine besondere Stelle ein, bezeichnet einen Wendepunkt; mit ihr hat die Analyse den Schritt von einem psychotherapeutischen Verfahren zu einer Tiefenpsychologie vollzogen. Die Traumlehre ist seither auch das Kennzeichnendste und Eigentümlichste der jungen Wissenschaft geblieben, etwas wozu es kein Gegenstück in unserem sonstigen Wissen gibt, ein Stück Neuland, dem Volksglauben und der Mystik abgewonnen. Die Fremdartigkeit der Behauptungen, die sie aufstellen mußte, hat ihr die Rolle eines Schibboleth verliehen, dessen Anwendung entschied, wer ein Anhänger der Psychoanalyse werden konnte und wem sie endgültig unfaßbar blieb. Mir selbst war sie ein sicherer Anhalt in jenen schweren Zeiten, da die unerkannten Tatbestände der Neurosen mein ungeübtes Urteil zu verwirren pflegten. So oft ich auch an der Richtigkeit meiner schwankenden Erkenntnisse zu zweifeln begann, wenn es mir gelungen war, einen sinnlos verworrenen Traum in einen korrekten und begreiflichen seelischen Vorgang beim Träumer umzusetzen, erneuerte sich meine Zuversicht, auf der richtigen Spur zu sein.
Es hat also für uns ein besonderes Interesse, gerade am Fall der Traumlehre zu verfolgen, einerseits welche Wandlungen die Psychoanalyse in diesem Intervall erfahren, anderseits welche Fortschritte sie unterdes im Verständnis und in der Schätzung der Mitwelt gemacht hat. Ich sage es Ihnen gleich heraus, Sie werden nach beiden Richtungen enttäuscht werden.
Durchblättern Sie mit mir die Jahrgänge der „Internationalen Zeitschrift für (ärztliche) Psychoanalyse“, in denen seit 1913 die maßgebenden Arbeiten auf unserem Gebiet vereinigt sind. Sie finden in den früheren Bänden eine ständige Rubrik „Zur Traumdeutung“ mit reichen Beiträgen zu den verschiedenen Punkten der Traumlehre. Aber je weiter Sie gehen, desto seltener werden solche Beiträge, die ständige Rubrik verschwindet endlich ganz. Die Analytiker benehmen sich, als hätten sie über den Traum nichts mehr zu sagen, als wäre die Traumlehre abgeschlossen. Wenn Sie aber fragen, was die Fernerstehenden von der Traumdeutung angenommen haben, die vielen Psychiater und Psychotherapeuten, die an unserem Feuer ihre Süppchen kochen — ohne übrigens so recht dankbar für die Gastfreundschaft zu sein —, die sogenannten Gebildeten, die sich auffällige Ergebnisse der Wissenschaft anzueignen pflegen, die Literaten und das große Publikum, so ist die Antwort wenig befriedigend. Einige Formeln sind allgemein bekannt worden, darunter solche, die wir nie vertreten haben, wie der Satz, alle Träume seien sexueller Natur, aber gerade so wichtige Dinge wie die grundlegende Unterscheidung von manifestem Trauminhalt und latenten Traumgedanken, die Einsicht, daß die Angstträume der wunscherfüllenden Funktion des Traums nicht widersprechen, die Unmöglichkeit, den Traum zu deuten, wenn man nicht über die dazugehörigen Assoziationen des Träumers verfügt, vor allem aber die Erkenntnis, daß das Wesentliche am Traum der Prozeß der Traumarbeit ist, all das scheint dem allgemeinen Bewußtsein noch ungefähr so fremd zu sein wie vor dreißig Jahren. Ich darf so sagen, denn ich habe im Laufe dieser Zeit eine Unzahl von Briefen erhalten, deren Schreiber ihre Träume zur Deutung vorlegen oder Auskünfte über die Natur des Traumes verlangen, die behaupten, daß sie die „Traumdeutung“ gelesen haben und dabei doch in jedem Satz ihre Verständnislosigkeit für unsere Traumlehre verraten. Das soll uns nicht abhalten, uns nochmals im Zusammenhang vorzuführen, was wir vom Traum wissen. Sie erinnern sich, das vorige Mal haben wir eine ganze Anzahl von Vorlesungen darauf verwendet, zu zeigen, wie man zum Verständnis dieses bisher unerklärten seelischen Phänomens gelangt ist.
Wenn uns also jemand, z. B. ein Patient in der Analyse, einen seiner Träume berichtet, so nehmen wir an, er habe uns hiemit eine der Mitteilungen gemacht, zu denen er sich durch den Eintritt in die analytische Behandlung verpflichtet hatte. Eine Mitteilung freilich mit ungeeigneten Mitteln, denn der Traum ist an sich keine soziale Äußerung, kein Mittel der Verständigung. Wir verstehen ja auch nicht, was uns der Träumer sagen wollte, und er selbst weiß es auch nicht besser. Nun haben wir rasch eine Entscheidung zu treffen: Entweder der Traum ist, wie uns die nichtanalytischen Ärzte versichern, ein Anzeichen dafür, daß der Träumer schlecht geschlafen hat, daß nicht alle seine Hirnpartien gleichmäßig zur Ruhe gekommen sind, daß einzelne Stellen unter dem Einfluß unbekannter Reize weiterarbeiten wollten und es nur in sehr unvollkommener Weise konnten. Wenn dem so ist, dann tun wir recht daran, uns mit dem psychisch wertlosen Produkt der nächtlichen Störung nicht weiter zu beschäftigen. Denn was sollten wir von dessen Untersuchung für unsere Absichten Brauchbares erwarten? Oder aber — doch wir merken, wir haben uns von vornherein anders entschieden. Wir haben — zugegeben, recht willkürlich — die Voraussetzung gemacht, das Postulat aufgestellt, daß auch dieser unverständliche Traum ein vollgültiger, sinn- und wertvoller psychischer Akt sein müsse, den wir in der Analyse wie eine andere Mitteilung verwenden können. Ob wir recht haben, kann nur der Erfolg des Versuchs zeigen. Gelingt es uns, den Traum in eine solche wertvolle Äußerung umzuwandeln, so haben wir offenbar Aussicht, Neues zu erfahren, Mitteilungen von einer Art zu erhalten, wie sie uns sonst unzugänglich geblieben wären.
Nun aber erheben sich vor uns die Schwierigkeiten unserer Aufgabe und die Rätsel unseres Themas. Wie stellen wir es an, den Traum in eine solche normale Mitteilung umzuwandeln, und wie erklären wir es, daß ein Teil der Äußerungen des Patienten diese für ihn wie für uns gleich unverständliche Form angenommen hat?
Sie sehen, meine Damen und Herren, daß ich dieses Mal nicht den Weg einer genetischen, sondern den einer dogmatischen Darstellung gehe. Unser erster Schritt ist, unsere neue Einstellung zum Problem des Traums durch die Einführung zweier neuer Begriffe, Namen, festzulegen. Wir heißen, was man den Traum genannt hat, den Traumtext oder den manifesten Traum, und das, was wir suchen, sozusagen hinter dem Traum vermuten, die latenten Traumgedanken. Dann können wir unsere beiden Aufgaben in folgender Art aussprechen: Wir haben den manifesten in den latenten Traum umzuwandeln und anzugeben, wie im Seelenleben des Träumers der letztere zum ersteren geworden ist. Das erste Stück ist eine praktische Aufgabe, es fällt der Traumdeutung zu, braucht eine Technik; das zweite eine theoretische, es soll den angenommenen Prozeß der Traumarbeit erklären und kann nur eine Theorie sein. Beide, Technik der Traumdeutung und Theorie der Traumarbeit, sind neu zu schaffen.
Mit welchem Stück sollen wir nun anfangen? Ich meine, mit der Technik der Traumdeutung; es wird plastischer ausfallen und Ihnen einen lebendigeren Eindruck machen.
Also der Patient habe einen Traum erzählt, den wir deuten sollen. Wir haben gelassen zugehört, ohne dabei unser Nachdenken in Bewegung zu setzen. Was tun wir zunächst? Wir beschließen, uns um das, was wir gehört haben, um den manifesten Traum, möglichst wenig zu kümmern. Natürlich zeigt dieser manifeste Traum allerlei Charaktere, die uns nicht ganz gleichgültig sind. Er kann zusammenhängend sein, glatt komponiert wie eine Dichtung, oder unverständlich verworren, fast wie ein Delirium, kann absurde Elemente enthalten oder Witze und anscheinend geistreiche Schlüsse, er kann dem Träumer klar und scharf erscheinen oder trüb und verschwommen, seine Bilder mögen die volle sinnliche Stärke von Wahrnehmungen zeigen oder schattenhaft sein wie ein undeutlicher Hauch, die verschiedensten Charaktere mögen sich in demselben Traum zusammenfinden, auf verschiedene Stellen verteilt; der Traum mag endlich einen indifferenten Gefühlston zeigen oder von den stärksten freudigen oder peinlichen Erregungen begleitet werden — glauben Sie nicht, daß wir diese unendliche Mannigfaltigkeit im manifesten Traum für nichts achten, wir werden später auf sie zurückkommen und sehr vieles an ihr für die Deutung verwertbar finden, aber zunächst sehen wir von ihr ab und schlagen den Hauptweg ein, der zur Traumdeutung führt. Das heißt, wir fordern den Träumer auf, sich gleichfalls vom Eindruck des manifesten Traums frei zu machen, seine Aufmerksamkeit vom Ganzen weg auf die einzelnen Teile des Trauminhalts zu richten und uns der Reihe nach mitzuteilen, was ihm zu jedem dieser Teilstücke einfällt, welche Assoziationen sich ihm ergeben, wenn er sie einzeln ins Auge faßt.
Nicht wahr, das ist eine besondere Technik, nicht die gewöhnliche Art, eine Mitteilung oder Aussage zu behandeln? Sie erraten auch gewiß, daß hinter diesem Verfahren Voraussetzungen stecken, die noch nicht ausgesprochen worden sind. Aber gehen wir weiter. In welcher Reihenfolge lassen wir den Patienten die Teilstücke seines Traums vornehmen? Da stehen uns mehrere Wege offen. Wir können einfach der chronologischen Ordnung folgen, wie sie sich bei der Erzählung des Traums herausgestellt hat. Das ist die sozusagen strengste, klassische Methode. Oder wir können den Träumer weisen, sich zuerst die Tagesreste im Traum herauszusuchen, denn die Erfahrung hat uns gelehrt, daß fast in jeden Traum ein Erinnerungsrest oder eine Anspielung an eine Begebenheit des Traumtags, oft an mehrere, eingegangen ist, und wenn wir diesen Anknüpfungen folgen, haben wir oft mit einem Schlag den Übergang von der scheinbar weit entrückten Traumwelt zum realen Leben des Patienten gefunden. Oder wir heißen ihn, mit jenen Elementen des Trauminhalts den Anfang machen, die ihm durch ihre besondere Deutlichkeit und sinnliche Stärke auffallen. Wir wissen nämlich, daß es ihm bei diesen besonders leicht werden wird, Assoziationen zu bekommen. Es macht keinen Unterschied, auf welche dieser Arten wir uns den gesuchten Assoziationen nähern.
Und dann erhalten wir diese Assoziationen. Sie bringen das Verschiedenartigste, Erinnerungen an den gestrigen Tag, den Traumtag, und an längst vergangene Zeiten, Überlegungen, Diskussionen mit einem Für und Wider, Bekenntnisse und Anfragen. Manche von ihnen sprudelt der Patient heraus, vor anderen stockt er eine Weile. Die meisten zeigen eine deutliche Beziehung zu einem Element des Traums; kein Wunder, denn sie gehen ja von diesen Elementen aus, aber es kommt auch vor, daß der Patient sie mit den Worten einleitet: Das scheint gar nichts mit dem Traum zu tun zu haben; ich sage es, weil es mir einfällt.
Hört man sich diese Fülle von Einfällen an, so merkt man bald, daß sie mit dem Trauminhalt mehr gemeinsam haben als nur die Ausgangspunkte. Sie werfen ein überraschendes Licht auf alle Teile des Traums, füllen die Lücken zwischen ihnen aus, machen ihre sonderbaren Zusammenstellungen verständlich. Endlich muß man sich über das Verhältnis zwischen ihnen und dem Trauminhalt klar werden. Der Traum erscheint als ein verkürzter Auszug aus den Assoziationen, nach allerdings noch nicht durchschauten Regeln hergestellt, seine Elemente wie die aus einer Wahl hervorgegangenen Repräsentanten einer Menge. Es ist kein Zweifel, daß wir durch unsere Technik erhalten haben, was durch den Traum ersetzt wird und worin der psychische Wert des Traums zu finden ist, was aber nicht mehr die befremdenden Eigentümlichkeiten des Traums, seine Fremdartigkeit, Verworrenheit zeigt.
Aber kein Mißverständnis! Die Assoziationen zum Traum sind noch nicht die latenten Traumgedanken. Diese sind in den Assoziationen wie in einer Mutterlauge enthalten — aber doch nicht ganz vollständig enthalten. Die Assoziationen bringen einerseits viel mehr, als wir für die Formulierung der latenten Traumgedanken brauchen, nämlich alle die Ausführungen, Übergänge, Verbindungen, die der Intellekt des Patienten auf dem Wege der Annäherung an die Traumgedanken produzieren mußte. Anderseits hat die Assoziation oft gerade vor den eigentlichen Traumgedanken haltgemacht, ist ihnen nur nahegekommen, hat sie nur in den Anspielungen berührt. Wir greifen da selbsttätig ein, vervollständigen die Andeutungen, ziehen unabweisbare Schlüsse, sprechen das aus, woran der Patient in seinen Assoziationen nur gestreift hat. Das klingt dann so, als ließen wir unseren Witz und unsere Willkür mit dem Material spielen, das uns der Träumer zur Verfügung stellt, und mißbrauchten es dazu, in seine Äußerungen hineinzudeuten, was sich aus ihnen nicht herausdeuten läßt; auch ist es nicht leicht, die Rechtmäßigkeit unseres Vorgehens in einer abstrakten Darstellung zu erweisen. Aber machen Sie nur selbst eine Traumanalyse, oder vertiefen Sie sich in ein gut beschriebenes Beispiel in unserer Literatur, und Sie werden sich überzeugen, wie zwingend eine solche Deutungsarbeit abläuft.
Wenn wir bei der Traumdeutung im allgemeinen und in erster Linie von den Assoziationen des Träumers abhängig sind, so benehmen wir uns doch gegen gewisse Elemente des Trauminhalts ganz selbständig, vor allem darum, weil wir müssen, weil bei ihnen in der Regel die Assoziationen versagen. Wir haben frühzeitig gemerkt, daß es immer die nämlichen Inhalte sind, bei denen dies zutrifft; sie sind nicht sehr zahlreich, und gehäufte Erfahrung hat uns gelehrt, daß sie als Symbole für etwas anderes aufzufassen und zu deuten sind. Im Vergleich mit den anderen Traumelementen darf man ihnen eine feststehende Bedeutung zuschreiben, die aber nicht eindeutig zu sein braucht, deren Umfang durch besondere uns gewohnte Regeln bestimmt wird. Da wir diese Symbole zu übersetzen verstehen, der Träumer aber nicht, obwohl er sie selbst gebraucht hat, kann es sich treffen, daß uns der Sinn eines Traums unmittelbar klar wird, noch vor allen Bemühungen um die Traumdeutung, sobald wir nur den Traumtext gehört haben, während der Träumer selbst noch vor einem Rätsel steht. Aber über die Symbolik, unser Wissen von ihr, die Probleme, die sie uns bietet, habe ich schon in den früheren Vorlesungen so viel erzählt, daß ich mich heute nicht zu wiederholen brauche.
Das ist also unsere Methode der Traumdeutung. Die nächste, wohlberechtigte Frage lautet: Kann man mit ihrer Hilfe alle Träume deuten? Und die Antwort ist: Nein, nicht alle, aber doch so viele, daß man der Brauchbarkeit und Berechtigung des Verfahrens sicher ist. Aber warum nicht alle? Die neuerliche Antwort hat uns etwas Wichtiges zu lehren, was bereits in die psychischen Bedingungen der Traumbildung einführt: Weil sich die Arbeit der Traumdeutung gegen einen Widerstand vollzieht, der von unscheinbaren Größen bis zur Unüberwindlichkeit — wenigstens für unsere jeweiligen Machtmittel — variiert. Die Äußerungen dieses Widerstandes kann man während der Arbeit nicht übersehen. An manchen Stellen werden die Assoziationen ohne Zögern gegeben, und schon der erste oder zweite Einfall bringt die Aufklärung. An anderen stockt und zaudert der Patient, ehe er eine Assoziation ausspricht, und dann hat man oft eine lange Kette von Einfällen anzuhören, bevor man etwas für das Verständnis des Traumes Brauchbares erhält. Je länger und umwegiger die Assoziationskette, desto stärker ist der Widerstand, meinen wir gewiß mit Recht. Auch im Vergessen der Träume verspüren wir denselben Einfluß. Es kommt oft genug vor, daß der Patient sich trotz aller Bemühung an einen seiner Träume nicht mehr besinnen kann. Nachdem wir aber in einem Stück analytischer Arbeit eine Schwierigkeit beseitigt haben, die den Patienten in seinem Verhältnis zur Analyse gestört hatte, stellt sich der vergessene Traum plötzlich wieder ein. Auch zwei andere Beobachtungen gehören hierher. Es ereignet sich sehr oft, daß von einem Traum zunächst ein Stück wegbleibt, das dann als Nachtrag angefügt wird. Das ist als ein Versuch aufzufassen, dieses Stück zu vergessen. Die Erfahrung zeigt, daß gerade dieses Stück das bedeutungsvollste ist; wir nehmen an, seiner Mitteilung stand ein stärkerer Widerstand im Wege als bei den anderen. Ferner, wir sehen oft, daß der Träumer dem Vergessen seiner Träume entgegenarbeitet, indem er den Traum unmittelbar nach dem Erwachen schriftlich fixiert. Wir können ihm sagen, das ist nutzlos, denn der Widerstand, dem er die Erhaltung des Traumtextes abgewonnen hat, verschiebt sich dann auf die Assoziation und macht den manifesten Traum für die Deutung unzugänglich. Unter diesen Verhältnissen brauchen wir uns nicht zu verwundern, wenn ein weiteres Ansteigen des Widerstands überhaupt die Assoziationen unterdrückt und dadurch die Traumdeutung vereitelt.
Wir ziehen aus alledem den Schluß, daß der Widerstand, den wir bei der Arbeit an der Traumdeutung merken, auch an der Entstehung des Traums einen Anteil haben muß. Man kann geradezu Träume, die unter geringem, und solche, die unter hohem Widerstandsdruck entstanden sind, unterscheiden. Aber dieser Druck wechselt auch innerhalb desselben Traums von Stelle zu Stelle; er ist Schuld an den Lücken, Unklarheiten, Verworrenheiten, die den Zusammenhang des schönsten Traumes unterbrechen können.
Aber was leistet da Widerstand und gegen was? Nun, der Widerstand ist uns das sichere Anzeichen eines Konflikts. Es muß eine Kraft da sein, die etwas ausdrücken will, und eine andere, die sich sträubt, diese Äußerung zuzulassen. Was dann als manifester Traum zustande kommt, mag alle die Entscheidungen zusammenfassen, zu denen sich dieser Kampf der zwei Strebungen verdichtet hat. An der einen Stelle mag es der einen Kraft gelungen sein, durchzusetzen, was sie sagen wollte, an anderen ist es der widerstrebenden Instanz geglückt, die beabsichtigte Mitteilung vollkommen auszulöschen oder durch etwas, was keine Spur von ihr verrät, zu ersetzen. Am häufigsten und für die Traumbildung am meisten charakteristisch sind die Fälle, in denen der Konflikt in ein Kompromiß ausgegangen ist, so daß die mitteilsame Instanz zwar sagen konnte, was sie wollte, aber nicht so, wie sie es wollte, sondern nur gemildert, entstellt und unkenntlich gemacht. Wenn also der Traum die Traumgedanken nicht getreu wiedergibt, wenn es einer Deutungsarbeit bedarf, um die Kluft zwischen beiden zu überbrücken, so ist das ein Erfolg der widerstrebenden, hemmenden und einschränkenden Instanz, die wir aus der Wahrnehmung des Widerstands bei der Traumdeutung erschlossen haben. Solange wir den Traum als isoliertes Phänomen unabhängig von ihm verwandten psychischen Bildungen studierten, haben wir diese Instanz den Traumzensor geheißen.
Sie wissen längst, daß diese Zensur keine dem Traumleben besondere Einrichtung ist. Daß der Konflikt zweier psychischer Instanzen, die wir — ungenau — als das unbewußte Verdrängte und das Bewußte bezeichnen, überhaupt unser Seelenleben beherrscht und daß der Widerstand gegen die Traumdeutung, das Anzeichen der Traumzensur, nichts anderes ist als der Verdrängungswiderstand, durch den jene beiden Instanzen sich voneinander absetzen. Sie wissen auch, daß aus dem Konflikt derselben unter bestimmten Bedingungen andere psychische Gebilde hervorgehen, die ebenso wie der Traum das Ergebnis von Kompromissen sind, und werden nicht verlangen, daß ich hier alles, was in der Einführung zur Neurosenlehre enthalten ist, vor Ihnen wiederhole, um Ihnen vorzuführen, was wir von den Bedingungen solcher Kompromißbildung wissen. Sie haben verstanden, daß der Traum ein pathologisches Produkt ist, das erste Glied der Reihe, die das hysterische Symptom, die Zwangsvorstellung, die Wahnidee umfaßt, aber vor den anderen ausgezeichnet durch seine Flüchtigkeit und seine Entstehung unter Verhältnissen, die dem normalen Leben angehören. Denn, halten wir daran fest, das Traumleben ist, wie schon Aristoteles gesagt hat, die Art, wie unsere Seele während des Schlafzustandes arbeitet. Der Schlafzustand stellt eine Abwendung von der realen Außenwelt her, und damit ist die Bedingung für die Entfaltung einer Psychose gegeben. Das sorgfältigste Studium der ernsthaften Psychosen wird uns keinen Zug entdecken lassen, der für diesen Krankheitszustand mehr charakteristisch wäre. Aber in der Psychose wird die Abwendung von der Realität auf zweierlei Weise hervorgerufen, entweder indem das Unbewußt-Verdrängte überstark wird, so daß es das an der Realität hängende Bewußte überwältigt, oder weil die Realität so unerträglich leidvoll geworden ist, daß sich das bedrohte Ich in verzweifelter Auflehnung dem unbewußten Triebhaften in die Arme wirft. Die harmlose Traumpsychose ist die Folge einer bewußt gewollten, nur zeitweiligen Zurückziehung von der Außenwelt, sie schwindet auch mit der Wiederaufnahme der Beziehungen zu dieser. Während der Isolierung des Schlafenden stellt sich auch eine Veränderung in der Verteilung seiner psychischen Energie her; ein Teil des Verdrängungsaufwands, der sonst zur Niederhaltung des Unbewußten gebraucht wurde, kann erspart werden, denn wenn dies seine relative Befreiung auch zur Aktivität ausnützt, findet es doch den Weg zur Motilität verschlossen und nur den unschädlichen zur halluzinatorischen Befriedigung frei. Es kann sich jetzt also ein Traum bilden; die Tatsache der Traumzensur zeigt aber, daß noch genug vom Verdrängungswiderstand auch während des Schlafs erhalten geblieben ist.
Hier eröffnet sich uns ein Weg zur Beantwortung der Frage, ob der Traum auch eine Funktion hat, ob er mit einer nützlichen Leistung betraut ist. Die reizlose Ruhe, welche der Schlafzustand herstellen möchte, wird von drei Seiten bedroht, in mehr zufälliger Weise von äußeren Reizen während des Schlafs und von Tagesinteressen, die sich nicht abbrechen lassen, in unvermeidlicher Weise von den ungesättigten verdrängten Triebregungen, die auf die Gelegenheit zur Äußerung lauern. Infolge der nächtlichen Herabsetzung der Verdrängungen bestünde die Gefahr, daß die Ruhe des Schlafs jedesmal gestört wird, sooft die äußere oder innere Anregung eine Verknüpfung mit einer der unbewußten Triebquellen erreichen kann. Der Traumvorgang läßt das Produkt eines solchen Zusammenwirkens in ein unschädliches halluzinatorisches Erlebnis einmünden und versichert so die Fortdauer des Schlafs. Es ist kein Widerspruch gegen diese Funktion, wenn der Traum zeitweilig den Schläfer unter Angstentwicklung weckt, wohl aber ein Signal, daß der Wächter die Situation für zu gefährlich hält und nicht mehr glaubt, sie bewältigen zu können. Nicht selten vernehmen wir dann noch im Schlaf die Beschwichtigung, die das Aufwachen verhüten will: Aber es ist ja nur ein Traum!
Soviel, meine Damen und Herren, wollte ich Ihnen über die Traumdeutung sagen, deren Aufgabe es ist, vom manifesten Traum zu den latenten Traumgedanken zu führen. Ist dies erreicht, so ist in der praktischen Analyse zumeist das Interesse für den Traum erloschen. Man fügt die Mitteilung, die man in der Form eines Traums erhalten hat, in die anderen ein und geht in der Analyse weiter. Wir haben ein Interesse, noch länger beim Traum zu verweilen; es lockt uns, den Prozeß zu studieren, durch den die latenten Traumgedanken in den manifesten Traum verwandelt wurden. Wir heißen ihn die Traumarbeit. Sie erinnern sich, ich habe ihn in den früheren Vorlesungen so eingehend beschrieben, daß ich mich in der heutigen Überschau auf die knappsten Zusammenfassungen beschränken darf.
Der Prozeß der Traumarbeit ist also etwas ganz Neues und Fremdartiges, dessengleichen vorher nicht bekannt worden war. Er hat uns den ersten Einblick in die Vorgänge gegeben, die sich im unbewußten System abspielen, und uns gezeigt, daß sie ganz andere sind, als was wir von unserem bewußten Denken kennen, daß sie diesem letzteren als unerhört und fehlerhaft erscheinen müßten. Die Bedeutung dieser Funde ist dann durch die Entdeckung erhöht worden, daß bei der Bildung der neurotischen Symptome dieselben Mechanismen — wir getrauen uns nicht zu sagen: Denkvorgänge — wirksam sind, die die latenten Traumgedanken in den manifesten Traum verwandelt haben.
Im folgenden werde ich eine schematisierende Darstellungsweise nicht vermeiden können. Nehmen wir an, wir überblicken in einem bestimmten Falle alle die latenten, mehr oder minder affektiv geladenen Gedanken, durch die sich nach vollzogener Traumdeutung der manifeste Traum ersetzt hat. Dann fällt uns unter ihnen ein Unterschied auf, und dieser Unterschied wird uns weit führen. Fast alle dieser Traumgedanken werden vom Träumer erkannt oder anerkannt; er gibt zu, er hat so gedacht, diesmal oder ein ander Mal, oder er hätte so denken können. Nur gegen die Annahme eines einzigen sträubt er sich; der ist ihm fremd, vielleicht sogar widerlich; möglicherweise wird er ihn in leidenschaftlicher Erregung von sich weisen. Nun wird uns klar, die anderen Gedanken sind Stücke eines bewußten, korrekter gesagt: vorbewußten Denkens; sie hätten auch im Wachleben gedacht werden können, haben sich auch wahrscheinlich tagsüber gebildet. Dieser eine verleugnete Gedanke aber, oder richtiger diese eine Regung, ist ein Kind der Nacht; sie gehört dem Unbewußten des Träumers an, wird darum von ihm verleugnet und verworfen. Sie mußte den nächtlichen Nachlaß der Verdrängung abwarten, um es zu irgendeiner Art von Ausdruck zu bringen. Immerhin ist dieser Ausdruck ein abgeschwächter, entstellter, verkleideter; ohne die Arbeit der Traumdeutung hätten wir ihn nicht gefunden. Der Verknüpfung mit den anderen einwandfreien Traumgedanken dankt diese unbewußte Regung die Gelegenheit, sich in einer unscheinbaren Verkleidung durch die Schranke der Zensur einzuschleichen; anderseits danken die vorbewußten Traumgedanken dieser selben Verknüpfung die Macht, das Seelenleben auch während des Schlafs zu beschäftigen. Denn uns bleibt kein Zweifel daran: Diese unbewußte Regung ist der eigentliche Schöpfer des Traums, sie bringt die psychische Energie für seine Bildung auf. Wie jede andere Triebregung kann sie nichts anderes anstreben als ihre eigene Befriedigung, und unsere Erfahrung im Traumdeuten zeigt uns auch, daß dies der Sinn alles Träumens ist. In jedem Traum soll ein Triebwunsch als erfüllt dargestellt werden. Die nächtliche Absperrung des Seelenlebens von der Realität, die dadurch ermöglichte Regression zu primitiven Mechanismen machen es möglich, daß diese gewünschte Triebbefriedigung halluzinatorisch als Gegenwart erlebt wird. Infolge derselben Regression werden im Traum Vorstellungen in visuelle Bilder umgesetzt, die latenten Traumgedanken also dramatisiert und illustriert.
Aus diesem Stück der Traumarbeit erhalten wir Auskunft über einige der auffälligsten und besondersten Charaktere des Traums. Ich wiederhole den Hergang der Traumbildung. Die Einleitung: der Wunsch zu schlafen, die absichtliche Abwendung von der Außenwelt. Zwei Folgen derselben für den seelischen Apparat, erstens die Möglichkeit, daß ältere und primitivere Arbeitsweisen in ihm hervortreten können, die Regression, zweitens die Herabsetzung des Verdrängungswiderstandes, der auf dem Unbewußten lastet. Als Folge dieses letzteren Moments ergibt sich die Möglichkeit zur Traumbildung, die von den Anlässen, den rege gewordenen inneren und äußeren Reizen, ausgenutzt wird. Der Traum, der so entsteht, ist bereits eine Kompromißbildung; er hat eine doppelte Funktion, er ist einerseits ichgerecht, indem er durch die Erledigung der schlafstörenden Reize dem Schlafwunsch dient, anderseits gestattet er einer verdrängten Triebregung die unter diesen Verhältnissen mögliche Befriedigung in der Form einer halluzinierten Wunscherfüllung. Der ganze vom schlafenden Ich zugelassene Prozeß der Traumbildung steht aber unter der Bedingung der Zensur, die von dem Rest der aufrechterhaltenen Verdrängung ausgeübt wird. Einfacher kann ich den Vorgang nicht darstellen, er ist nicht einfacher. Aber ich kann nun in der Beschreibung der Traumarbeit fortfahren.
Nochmals zurück zu den latenten Traumgedanken! Ihr stärkstes Element ist die verdrängte Triebregung, die sich in ihnen in Anlehnung an zufällig vorhandene Reize und in Übertragung an die Tagesreste einen wenngleich gemilderten und verkleideten Ausdruck geschaffen hat. Wie jede Triebregung drängt auch diese zur Befriedigung durch die Handlung, aber der Weg zur Motilität ist ihr durch die physiologischen Einrichtungen des Schlafzustandes versperrt; sie ist genötigt, die rückläufige Richtung zur Wahrnehmung einzuschlagen und sich mit einer halluzinierten Befriedigung zu begnügen. Die latenten Traumgedanken werden also in eine Summe von Sinnesbildern und visuellen Szenen umgesetzt. Auf diesem Wege geschieht das mit ihnen, was uns so neuartig und befremdend erscheint. Alle die sprachlichen Mittel, durch welche die feineren Denkrelationen ausgedrückt werden, die Konjunktionen und Präpositionen, die Abänderungen der Deklination und Konjugation entfallen, weil die Darstellungsmittel für sie fehlen; wie in einer primitiven Sprache ohne Grammatik wird nur das Rohmaterial des Denkens ausgedrückt, Abstraktes auf das ihm zugrunde liegende Konkrete zurückgeführt. Was so erübrigt, kann leicht zusammenhanglos erscheinen. Es entspricht sowohl der archaischen Regression im seelischen Apparat wie den Anforderungen der Zensur, wenn die Darstellung von gewissen Objekten und Vorgängen durch Symbole, die dem bewußten Denken fremd geworden sind, in reichem Ausmaß verwendet wird. Aber weit darüber hinaus greifen andere Veränderungen, die mit den Elementen der Traumgedanken vorgenommen werden. Solche von ihnen, die irgendeinen Berührungspunkt auffinden lassen, werden zu neuen Einheiten verdichtet. Bei der Umsetzung der Gedanken in Bilder werden diejenigen unzweideutig bevorzugt, die eine derartige Zusammenlegung, Verdichtung, gestatten; als ob eine Kraft wirksam wäre, die das Material einer Pressung, Zusammendrängung, aussetzt. Infolge der Verdichtung kann dann ein Element im manifesten Traum zahlreichen Elementen in den latenten Traumgedanken entsprechen; umgekehrt kann aber auch ein Element der Traumgedanken durch mehrere Bilder im Traum vertreten werden.
Noch merkwürdiger ist der andere Vorgang der Verschiebung oder Akzentübertragung, der im bewußten Denken nur als Denkfehler oder als Mittel des Witzes bekannt ist. Die einzelnen Vorstellungen der Traumgedanken sind ja nicht gleichwertig, sie sind mit verschieden großen Affektbeträgen besetzt und dementsprechend vom Urteil als mehr oder minder wichtig, des Interesses würdig eingeschätzt. In der Traumarbeit werden diese Vorstellungen von den an ihnen haftenden Affekten getrennt; die Affekte werden für sich erledigt, sie können auf anderes verschoben werden, erhalten bleiben, Verwandlungen erfahren, überhaupt nicht im Traum erscheinen. Die Wichtigkeit der vom Affekt entblößten Vorstellungen kehrt im Traum als sinnliche Stärke der Traumbilder wieder, aber wir bemerken, daß dieser Akzent von bedeutsamen Elementen auf indifferente übergegangen ist, so daß im Traum als Hauptsache in den Vordergrund gerückt scheint, was in den Traumgedanken nur eine Nebenrolle spielte, und umgekehrt das Wesentliche der Traumgedanken im Traum nur eine beiläufige, wenig deutliche Darstellung findet. Kein anderes Stück der Traumarbeit trägt soviel dazu bei, den Traum für den Träumer fremdartig und unbegreiflich zu machen. Die Verschiebung ist das Hauptmittel der Traumentstellung, welche sich die Traumgedanken unter dem Einfluß der Zensur gefallen lassen müssen.
Nach diesen Einwirkungen auf die Traumgedanken ist der Traum fast fertig gemacht. Es tritt noch ein ziemlich inkonstantes Moment hinzu, die sogenannte sekundäre Bearbeitung, nachdem der Traum als Wahrnehmungsobjekt vor dem Bewußtsein aufgetaucht ist. Wir behandeln ihn dann so, wie wir überhaupt gewohnt sind, unsere Wahrnehmungsinhalte zu behandeln, suchen Lücken auszufüllen, Zusammenhänge einzufügen, setzen uns dabei oft genug groben Mißverständnissen aus. Aber diese gleichsam rationalisierende Tätigkeit, die im besten Falle den Traum mit einer glatten Fassade versieht, wie sie zu seinem wirklichen Inhalt nicht passen kann, kann auch unterlassen werden oder sich nur in sehr bescheidenem Maß äußern, wo dann der Traum alle seine Risse und Sprünge offen zur Schau trägt. Anderseits ist nicht zu vergessen, daß auch die Traumarbeit nicht immer gleich energisch verfährt; oft genug schränkt sie sich nur auf gewisse Stücke der Traumgedanken ein und andere von ihnen dürfen unverändert im Traum erscheinen. Dann macht es den Eindruck, als hätte man im Traum die feinsten und kompliziertesten intellektuellen Operationen ausgeführt, spekuliert, Witze gemacht, Entschlüsse gefaßt, Probleme gelöst, während all dies das Ergebnis unserer normalen geistigen Tätigkeit ist, ebensowohl am Tag vor dem Traum wie während der Nacht vorgefallen sein mag, mit der Traumarbeit nichts zu tun hat und nichts für den Traum Charakteristisches zum Vorschein bringt. Es ist auch nicht überflüssig, nochmals den Gegensatz zu betonen, der innerhalb der Traumgedanken selbst zwischen der unbewußten Triebregung und den Tagesresten besteht. Während die letzteren die ganze Mannigfaltigkeit unserer seelischen Akte aufweisen, läuft die erstere, die der eigentliche Motor der Traumbildung wird, regelmäßig in eine Wunscherfüllung aus.
Das alles hätte ich Ihnen schon vor fünfzehn Jahren sagen können, ja ich glaube, ich habe es Ihnen damals auch wirklich gesagt. Nun wollen wir zusammentragen, was etwa in dieser Zwischenzeit an Abänderungen und neuen Einsichten hinzugekommen ist.
Ich sagte Ihnen schon, ich fürchte, Sie werden finden, es ist recht wenig, und werden nicht verstehen, warum ich Ihnen auferlegt habe, das Nämliche zweimal anzuhören, und mir, es zu sagen. Aber es sind 15 Jahre dazwischen, und ich hoffe, auf diese Art am leichtesten den Kontakt mit Ihnen wiederherzustellen. Auch sind es so elementare Dinge, von so entscheidender Wichtigkeit für das Verständnis der Psychoanalyse, daß man sie gern ein zweites Mal anhören mag, und daß sie nach 15 Jahren so sehr dieselben geblieben sind, ist an und für sich wissenswert.
Sie finden in der Literatur dieser Zeit natürlich eine große Anzahl von Bestätigungen und Detailausführungen, von denen ich Ihnen nur Proben zu geben vorhabe. Auch kann ich dabei einiges, was schon früher bekannt wurde, nachholen. Es bezieht sich zumeist auf die Symbolik im Traum und die sonstigen Darstellungsweisen des Traumes. Nun hören Sie, erst ganz kürzlich haben die Mediziner an einer amerikanischen Universität sich geweigert, der Psychoanalyse den Charakter einer Wissenschaft zuzugestehen, mit der Begründung, daß sie keine experimentellen Beweise zulasse. Sie hätten denselben Einwand auch gegen die Astronomie erheben können; das Experimentieren mit den Himmelskörpern ist ja besonders schwierig. Man bleibt da auf die Beobachtung angewiesen. Immerhin haben gerade Wiener Forscher den Anfang gemacht, unsere Traumsymbolik experimentell zu bestätigen. Ein Dr. Schrötter hat schon 1912 gefunden, wenn man tief hypnotisierten Personen den Auftrag gibt, von sexuellen Vorgängen zu träumen, erscheint in dem so provozierten Traum das sexuelle Material durch die uns bekannten Symbole ersetzt. Zum Beispiel: einer Frau wird aufgegeben, vom Geschlechtsverkehr mit einer Freundin zu träumen. In ihrem Traum erscheint diese Freundin mit einer Reisetasche, die mit einem Zettel beklebt ist: Nur für Damen. Noch eindrucksvoller sind Versuche von Betlheim und Hartmann 1924, die an Kranken mit sogenannter Korsakoffscher Verworrenheit arbeiteten. Sie erzählten ihnen Geschichten mit grob sexuellem Inhalt und achteten auf die Entstellungen, die bei der geforderten Reproduktion des Erzählten auftraten. Dabei kamen wiederum die uns vertrauten Symbole für Geschlechtsorgane und Geschlechtsverkehr zum Vorschein, unter anderem das Symbol der Stiege, von dem die Autoren mit Recht sagen, daß es einem bewußten Entstellungswunsch unerreichbar gewesen wäre.
H. Silberer hat in einer sehr interessanten Versuchsreihe gezeigt, daß man die Traumarbeit gleichsam in flagranti dabei überraschen kann, wie sie abstrakte Gedanken in visuelle Bilder umsetzt. Wenn er sich in Zuständen von Müdigkeit und Schlaftrunkenheit zu geistiger Arbeit nötigen wollte, dann entschwand ihm oft der Gedanke und an seiner Stelle trat eine Vision auf, die offenbar sein Ersatz war.
Ein einfaches Beispiel dafür: Ich denke daran, sagt Silberer, daß ich vorhabe, in einem Aufsatz eine holprige Stelle auszubessern. Vision: Ich sehe mich ein Stück Holz glatthobeln. Bei diesen Versuchen ereignete es sich häufig, daß nicht der einer Bearbeitung harrende Gedanke, sondern sein eigener subjektiver Zustand während der Bemühung zum Inhalt der Vision wurde, das Zuständliche anstatt des Gegenständlichen, was Silberer als „funktionales Phänomen“ bezeichnet hat. Ein Beispiel wird Ihnen gleich zeigen, was gemeint ist. Der Autor bemüht sich, die Ansichten zweier Philosophen über ein gewisses Problem miteinander zu vergleichen. Aber in seiner Schläfrigkeit entschlüpft ihm die eine davon immer wieder und endlich hat er die Vision, daß er eine Auskunft von einem mürrischen Sekretär verlangt, der über einen Schreibtisch gebeugt, ihn zuerst nicht beachtet und dann ihn unwillig und abweisend ansieht. Wahrscheinlich erklärt es sich aus den Versuchsbedingungen selbst, daß die so erzwungene Vision so häufig ein Ergebnis der Selbstbeobachtung darstellt.
Bleiben wir noch bei den Symbolen. Es gab solche, die wir erkannt zu haben glaubten und bei denen es uns doch störte, daß wir nicht angeben konnten, wie das Symbol zu der Bedeutung gekommen war. In solchen Fällen mußten uns Bestätigungen von anderswoher, aus Sprachwissenschaft, Folklore, Mythologie, Ritual besonders willkommen sein. Ein Beispiel dieser Art war das Symbol des Mantels. Wir sagten, im Traume einer Frau bedeutet der Mantel einen Mann. Ich hoffe nun, es macht Ihnen einen Eindruck, wenn Sie hören, daß Th. Reik 1920 uns berichtet: „In dem höchst altertümlichen Brautzeremoniell der Beduinen bedeckt der Bräutigam die Braut mit einem besonderen, ‚Aba‘ genannten Mantel und spricht dazu die rituellen Worte: ‚Es soll Dich fortan niemand bedecken als nur ich‘.“ (Nach Robert Eisler: Weltenmantel und Himmelszelt.) Wir haben auch mehrere neue Symbole aufgefunden, von denen ich Ihnen wenigstens zwei Beispiele berichten will. Nach Abraham 1922 ist die Spinne im Traum ein Symbol der Mutter, aber der phallischen Mutter, vor der man sich fürchtet, so daß die Angst vor der Spinne den Schrecken vor dem Mutterinzest und das Grauen vor dem weiblichen Genitale ausdrückt. Sie wissen vielleicht, daß das mythologische Gebilde des Medusenhaupts auf dasselbe Motiv des Kastrationsschrecks zurückzuführen ist. Das andere Symbol, von dem ich Ihnen sprechen will, ist das der Brücke. Ferenczi hat es 1921—1922 aufgeklärt. Es bedeutet ursprünglich das männliche Glied, das das Elternpaar beim Geschlechtsverkehr miteinander verbindet, aber es entwickelt sich dann zu weiteren Bedeutungen, die sich von jener ersten ableiten. Insoferne es dem männlichen Glied zu verdanken ist, daß man überhaupt aus dem Geburtswasser zur Welt kann, wird die Brücke der Übergang vom Jenseits (dem Noch-nicht-geboren-sein, dem Mutterleib) zum Diesseits (dem Leben), und da sich der Mensch auch den Tod als Rückkehr in den Mutterleib (ins Wasser) vorstellt, bekommt die Brücke auch die Bedeutung einer Beförderung in den Tod, und endlich in weiterer Entfernung von ihrem Anfangssinn bezeichnet sie Übergang, Zustandsveränderung überhaupt. Dazu stimmt es dann, wenn eine Frau, die den Wunsch nicht überwunden hat, ein Mann zu sein, so häufig von Brücken träumt, die zu kurz sind, um das andere Ufer zu erreichen.
Im manifesten Inhalt der Träume kommen recht häufig Bilder und Situationen vor, die an bekannte Motive aus Märchen, Sagen und Mythen erinnern. Die Deutung solcher Träume wirft dann ein Licht auf die ursprünglichen Interessen, die diese Motive geschaffen haben, wobei wir aber natürlich nicht an den Bedeutungswandel vergessen dürfen, der im Laufe der Zeiten dieses Material betroffen hat. Unsere Deutungsarbeit deckt sozusagen den Rohstoff auf, der häufig genug im weitesten Sinne sexuell zu nennen ist, aber in späterer Bearbeitung die verschiedenartigste Verwendung fand. Solche Zurückführungen pflegen uns den Zorn aller nicht analytisch gerichteten Forscher einzutragen, als ob wir alles, was sich an späteren Entwicklungen darüber aufgebaut, leugnen oder geringschätzen wollten. Nichtsdestoweniger sind solche Einsichten lehrreich und interessant. Das gleiche gilt für die Ableitung gewisser Motive der bildenden Kunst, wenn z. B. J. Eisler (1919) nach der Anleitung von Träumen seiner Patienten den mit einem Knäblein spielenden Jüngling, der im Hermes des Praxiteles dargestellt ist, analytisch deutet. Nur noch ein Wort, aber ich kann es mir nicht versagen zu erwähnen, wie häufig gerade mythologische Themen durch die Traumdeutung Aufklärung finden. So läßt sich z. B. die Labyrinthsage als Darstellung einer analen Geburt erkennen; die verschlungenen Gänge sind der Darm, der Ariadnefaden die Nabelschnur.
Die Darstellungsweisen der Traumarbeit, ein reizvoller und kaum zu erschöpfender Stoff, sind uns durch eingehendes Studium immer vertrauter worden; ich will Ihnen auch davon einige Proben geben. So z. B. stellt der Traum die Relation der Häufigkeit durch die Vervielfältigung von Gleichartigem dar. Hören Sie den sonderbaren Traum eines jungen Mädchens an: Sie tritt in einen großen Saal ein und findet in ihm eine Person auf einem Stuhl sitzend, sechs-, achtmal, noch öfter wiederholt, die aber jedesmal ihr Vater ist. Das versteht sich leicht, wenn man aus den Nebenumständen der Deutung erfährt, daß dieser Raum den Mutterleib vorstellt. Dann wird der Traum gleichwertig mit der uns wohlbekannten Phantasie des Mädchens, das schon im Intrauterinleben mit dem Vater zusammengetroffen sein will, wenn er während der Schwangerschaft dem Mutterleib einen Besuch abstattete. Daß etwas im Traum umgekehrt, das Eintreten vom Vater auf die eigene Person verschoben ist, darf Sie nicht beirren; es hat übrigens noch seine besondere Bedeutung. Die Vervielfältigung der Vaterperson kann nur ausdrücken, daß der betreffende Vorgang sich wiederholt ereignet hat. Eigentlich müssen wir auch zugestehen, daß der Traum sich nicht viel herausnimmt, wenn er Häufigkeit durch Häufung ausdrückt. Er hat nur auf die Urbedeutung des Wortes zurückgegriffen, das uns heute eine Wiederholung in der Zeit bezeichnet, aber von einer Ansammlung im Raum hergenommen ist. Aber die Traumarbeit setzt überhaupt, wo es angeht, zeitliche Beziehungen in räumliche um und stellt sie als solche dar. Man sieht etwa im Traum eine Szene zwischen Personen, die sehr klein und weit entfernt erscheinen, als ob man sie durch das umgekehrte Ende eines Opernglases betrachten würde. Die Kleinheit wie die räumliche Entfernung bedeuten hier das gleiche, es ist die Entfernung in der Zeit gemeint, es soll verstanden werden, daß es eine Szene aus weit zurückliegender Vergangenheit ist. Ferner, Sie erinnern vielleicht, daß ich Ihnen schon in den früheren Vorlesungen gesagt und an Beispielen gezeigt habe, wir hätten gelernt, auch rein formale Züge des manifesten Traums für die Deutung zu verwerten, also in Inhalt aus den latenten Traumgedanken umzusetzen. Nun wissen Sie ja, daß alle Träume einer Nacht in denselben Zusammenhang gehören. Aber es ist nicht einmal gleichgültig, ob diese Träume dem Träumenden als ein Kontinuum erscheinen oder ob er sie in mehrere Stücke gliedert und in wie viele. Die Anzahl dieser Stücke entspricht oft ebensoviel gesonderten Mittelpunkten der Gedankenbildung in den latenten Traumgedanken oder miteinander ringenden Strömungen im Seelenleben des Träumers, von denen jede in einem besonderen Traumstück vorherrschenden, wenn auch nie ausschließlichen Ausdruck findet. Ein kurzer Vortraum und ein langer Haupttraum stehen oft zueinander in Beziehung von Bedingung und Ausführung, wovon Sie ein sehr deutliches Beispiel in jenen alten Vorlesungen finden können. Ein Traum, den der Träumer als irgendwie eingeschoben bezeichnet, entspricht wirklich einem Nebensatz in den Traumgedanken. Franz Alexander hat (1925) in einer Studie über Traumpaare gezeigt, daß zwei Träume einer Nacht sich nicht selten derart in die Erfüllung der Traumaufgabe teilen, daß sie zusammengenommen eine Wunscherfüllung in zwei Etappen ergeben, was jeder Traum für sich nicht leistet. Wenn der Traumwunsch etwa eine unerlaubte Handlung an einer bestimmten Person zum Inhalt hat, so erscheint diese Person unverhüllt im ersten Traum, die Handlung aber wird nur schüchtern angedeutet. Der zweite Traum macht es dann anders. Die Handlung wird unverhüllt genannt, aber die Person unkenntlich gemacht oder durch eine indifferente ersetzt. Das macht doch wirklich den Eindruck von Schlauheit. Eine zweite und ähnliche Relation zwischen den beiden Teilen eines Traumpaares ist die, daß der eine die Bestrafung darstellt, der andere die sündige Wunscherfüllung. Also gleichsam: Wenn man die Strafe dafür auf sich nimmt, dann darf man sich das Verbotene erlauben.
Ich kann Sie nicht länger bei ähnlichen Kleinfunden aufhalten, auch nicht bei den Diskussionen, die sich auf die Verwertung der Traumdeutung in der analytischen Arbeit beziehen. Ich kann annehmen, daß Sie ungeduldig sind zu hören, welche Änderungen sich in den Grundanschauungen über Wesen und Bedeutung des Traumes vollzogen haben. Sie sind bereits darauf vorbereitet, daß gerade darüber wenig zu berichten ist. Der bestrittenste Punkt der ganzen Lehre war wohl die Behauptung, daß alle Träume Wunscherfüllungen sind. Den unvermeidlichen, immer wiederkehrenden Einwand der Laien, daß es doch so viele Angstträume gibt, haben wir bereits in den früheren Vorlesungen, ich darf es sagen, voll erledigt. Mit der Einteilung in Wunsch-, Angst- und Strafträume haben wir unsere Lehre aufrechterhalten.
Auch die Strafträume sind Wunscherfüllungen, aber nicht solche der Triebregungen, sondern der kritisierenden, zensurierenden und strafenden Instanz im Seelenleben. Wenn wir einen reinen Straftraum vor uns haben, so gestattet uns eine leichte Gedankenoperation, den Wunschtraum wiederherzustellen, auf den der Straftraum die richtige Entgegnung ist, der für den manifesten Traum durch diese Zurückweisung ersetzt wurde. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß das Studium des Traums uns zuerst zum Verständnis der Neurosen verholfen hat. Sie werden es auch begreiflich finden, daß unsere Kenntnis der Neurosen späterhin unsere Auffassung des Traums beeinflussen konnte. Wie Sie hören werden, haben wir uns genötigt gesehen, im Seelenleben eine besondere kritisierende und verbietende Instanz anzunehmen, die wir das Über-Ich heißen. Indem wir nun auch die Traumzensur als eine Leistung dieser Instanz erkannten, wurden wir angeleitet, den Anteil des Über-Ichs an der Traumbildung sorgfältiger zu beachten.
Gegen die Wunscherfüllungstheorie des Traumes haben sich nur zwei ernsthafte Schwierigkeiten erhoben, deren Erörterung weitab führt, allerdings noch keine voll befriedigende Erledigung gefunden hat. Die erste ist durch die Tatsache gegeben, daß Personen, die ein Schockerlebnis, ein schweres psychisches Trauma durchgemacht haben, wie es so oft im Krieg der Fall war und sich auch als Begründung einer traumatischen Hysterie findet, vom Traum so regelmäßig in die traumatische Situation zurückversetzt werden. Das sollte nach unseren Annahmen über die Funktion des Traumes nicht der Fall sein. Welche Wunschregung könnte durch dieses Rückgreifen auf das höchst peinliche traumatische Erlebnis befriedigt werden? Das ist schwer zu erraten. Mit der zweiten Tatsache treffen wir in der analytischen Arbeit fast täglich zusammen; sie bedeutet auch keinen so gewichtigen Einwand wie die andere. Sie wissen, es ist eine der Aufgaben der Psychoanalyse, den Schleier der Amnesie zu lüften, der die ersten Kinderjahre verhüllt und die in ihnen enthaltenen Äußerungen des frühkindlichen Sexuallebens zur bewußten Erinnerung zu bringen. Nun sind diese ersten Sexualerlebnisse des Kindes mit schmerzlichen Eindrücken von Angst, Verbot, Enttäuschung und Bestrafung verknüpft; man versteht, daß sie verdrängt worden sind, aber dann versteht man nicht, daß sie einen so breiten Zugang zum Traumleben haben, daß sie die Muster für so viele Traumphantasien hergeben, daß die Träume von Reproduktionen dieser Infantilszenen und von Anspielungen an sie erfüllt sind. Ihr Unlustcharakter und die Wunscherfüllungstendenz der Traumarbeit scheinen sich doch schlecht miteinander zu vertragen. Aber vielleicht sehen wir in diesem Fall die Schwierigkeit zu groß. An denselben Kindheitserlebnissen haften ja alle die unvergänglichen, unerfüllten Triebwünsche, die durchs ganze Leben die Energie für die Traumbildung abgeben, denen man es wohl zutrauen kann, daß sie in ihrem gewaltigen Auftrieb auch das Material peinlich empfundener Begebenheiten an die Oberfläche drängen können. Und anderseits ist in der Art und Weise, wie dieses Material reproduziert wird, die Bemühung der Traumarbeit unverkennbar, die die Unlust durch Entstellung verleugnen, Enttäuschung in Gewährung verwandeln will. Bei den traumatischen Neurosen ist es anders, hier laufen die Träume regelmäßig in Angstentwicklung aus. Ich meine, wir sollen uns nicht scheuen zuzugestehen, daß in diesem Falle die Funktion des Traumes versagt. Ich will mich nicht auf den Satz berufen, daß die Ausnahme die Regel bestätigt; seine Weisheit erscheint mir recht zweifelhaft. Aber wohl hebt die Ausnahme die Regel nicht auf. Wenn man eine einzelne psychische Leistung wie das Träumen zum Zweck des Studiums aus dem ganzen Getriebe isoliert, hat man es sich möglich gemacht, die ihr eigenen Gesetzmäßigkeiten aufzudecken; wenn man sie wiederum ins Gefüge einsetzt, muß man gefaßt sein zu finden, daß diese Ergebnisse durch den Zusammenstoß mit anderen Mächten verdunkelt oder beeinträchtigt werden. Wir sagen, der Traum ist eine Wunscherfüllung; wenn Sie den letzten Einwänden Rechnung tragen wollen, so sagen Sie immerhin, der Traum ist der Versuch einer Wunscherfüllung. Für keinen, der sich in die psychische Dynamik hineinversetzen kann, haben Sie dann etwas anderes gesagt. Unter bestimmten Verhältnissen kann der Traum seine Absicht nur sehr unvollkommen durchsetzen oder muß sie überhaupt aufgeben; die unbewußte Fixierung an ein Trauma scheint unter diesen Verhinderungen der Traumfunktion obenan zu stehen. Während der Schläfer träumen muß, weil der nächtliche Nachlaß der Verdrängung den Auftrieb der traumatischen Fixierung aktiv werden läßt, versagt die Leistung seiner Traumarbeit, die die Erinnerungsspuren der traumatischen Begebenheit in eine Wunscherfüllung umwandeln möchte. Unter diesen Verhältnissen ereignet es sich, daß man schlaflos wird, aus Angst vor dem Mißglücken der Traumfunktion auf den Schlaf verzichtet. Die traumatische Neurose zeigt uns da einen extremen Fall, aber man muß auch den Kindheitserlebnissen den traumatischen Charakter zugestehen und braucht sich nicht zu verwundern, wenn sich geringfügigere Störungen der Traumleistung auch unter anderen Bedingungen ergeben.