Hermokrates an Cephalus
Du glaubst also im Ernste, das Ideal des Wissens könnte wohl in irgend einer bestimmten Zeit in irgend einem Systeme dargestellt erscheinen? Du glaubst sogar, dies Ideal sei jetzt schon wirklich geworden, und es fehle zum Jupiter Olympius nichts mehr als das Piedestal? Vieleicht! Besonders, nachdem man das letztere nimmt! Aber wunderbar wär es dann doch, wenn gerade diese Art des sterblichen Strebens ein Vorrecht hätte, wenn gerade hier die Vollendung, die jedes sucht und keines findet, vorhanden wäre?
Ich glaubte sonst immer, der Mensch bedürfe für sein Wissen, wie für sein Handeln eines unendlichen Fortschritts, einer Grenzenlosen Zeit, um [sich] dem Grenzenlosen Ideale zu nähern; ich nannte die Meinung, als ob die Wissenschaft in einer bestimmten Zeit vollendet werden könnte, oder vollendet wäre, einen scientivischen Quietismus, der Irrtum wäre, in jedem Falle, er mochte sich bei einer individuell bestimmten Grenze begnügen, oder die Grenze überhaupt verleugnen, wo sie doch war, aber nicht sein sollte, (sehr unrichtig und so gefährlich wäre, als der Quietismus der alten Heiligen, die natürlicherweise nichts tun konnten und nichts denken, weil sie alles getan hatten und gedacht, die auch ihren gläubigen Schülern schlechterdings nicht erlauben durften, mehr zu thun und zu denken, als sie, denn sie waren ja die Vollkommnen, und außerhalb des Vollkommnen liegt nur das Böse und Falsche).
Das war aber freilich nur unter gewissen Voraussetzungen möglich, die du mir zu seiner [Zeit] mit aller Strenge in Anspruch nehmen sollst. Inzwischen lass mich nur fragen, ob denn wirklich die Hyperbel mit ihrer Asymtote vereinigt, ob der Übergang vom ——————