Über das Gesetz der Freiheit
Es gibt einen Naturzustand der Einbildungskraft, der mit jener Anarchie der Vorstellungen, die der Verstand organisierte, zwar die Gesetzlosigkeit gemein hat, aber in Rücksicht auf das Gesetz, durch das er geordnet werden soll, von jenem wohl unterschieden werden muss.
Ich meine unter diesem Naturzustande der Einbildungskraft, unter dieser Gesetzlosigkeit die moralische, unter diesem Gesetze das Gesetz der Freiheit.
Dort wird die Einbildungskraft an und für sich, hier in Verbindung mit dem Begehrungsvermögen betrachtet. In jener Anarchie der Vorstellungen, wo die Einbildungskraft theoretisch betrachtet wird, war zwar eine Einheit des Mannigfaltigen, Ordnung der Wahrnehmungen möglich, aber zufällig.
In diesem Naturzustande der Phantasie, wo sie in Verbindung mit dem Begehrungsvermögen betrachtet wird, ist zwar moralische Gesetzmäßigkeit möglich, aber zufällig.
Es gibt eine Seite des empirischen Begehrungsvermögens, die [als] Analogie dessen, was Natur heisst, am auffallendsten ist [und] ans Sittengesetz zu Grenzen scheint, wo das Notwendige mit der Freiheit, das Bedingte mit dem Unbedingten, das Sinnliche mit dem Heiligen sieh zu verbrüdern scheint, eine natürliche Unschuld, man möchte sagen eine Moralität des Instinkts, und die ihm gleichgestimmte Phantasie ist himmlisch.
Aber dieser Naturzustand hängt als ein solcher auch von Naturursachen ab.
Es ist ein bloßes Glück, so gestimmt zu sein.
Wäre das Gesetz der Freiheit nicht, unter welchem das Begehrungsvermögen zusamt der Phantasie stünde, so würde es niemals einen vesten Zustand geben, der demjenigen gliche, der so eben angedeutet worden ist, wenigstens würde es nicht von uns abhängen, ihn festzuhalten. Sein Gegenteil würde eben so stattfinden, ohne dass wir es hindern könnten.
Das Gesetz der Freiheit aber gebietet, ohne alle Rücksicht auf die Hülfe der Natur. Die Natur mag zu Ausübung desselben förderlich sein, oder nicht, es gebietet. Vielmehr setzt es einen Widerstand in der Natur voraus, sonst würde es nicht gebieten. Das erstemal, dass das Gesetz der Freiheit sich an uns äußert, erscheint es strafend. Der Anfang all’ unsrer Tugend geschieht vom Bösen. Die Moralität kann also niemals der Natur anvertraut werden. Denn wenn die Moralität auch nicht aufhörte Moralität zu sein, so bald die Bestimmungsgründe in der Natur und nicht in der Freiheit liegen, so wäre doch die Legalität, die durch bloße Natur hervorgebracht werden könnte, ein ser unsicheres, nach Zeit und Umständen wandelbares Ding. So wie die Naturursachen anders bestimmt würden, würde diese Legalität —————————