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§ 28. Präsumtive Evidenz der Welterfahrung. Welt als Korrelatidee einer vollkommenen Erfahrungsevidenz

Noch in einer anderen Weise verweisen Evidenzen auf Unendlichkeiten von Evidenzen hinsichtlich desselben Gegenstandes, und in sehr viel komplizierterer Weise, nämlich stets da, wo sie ihren Gegenstand in einer Einseitigkeit zur Selbstgegebenheit bringen. Das betrifft nichts minderes als die gesamten Evidenzen, durch die für uns eine reale objektive Welt als ganze und nach irgendwelchen Einzelobjekten unmittelbar anschaulich da ist. Die ihnen zugehörige Evidenz ist die äußere Erfahrung, und es ist als Wesensnotwendigkeit einzusehen, daß für derartige Gegenstände keine andere Weise der Selbstgebung denkbar ist. Andererseits ist aber auch einzusehen, daß zu dieser Evidenzart wesensmäßig die Einseitigkeit, genauer gesprochen, ein vielgestaltiger Horizont unerfüllter, aber erfüllungsbedürftiger Antizipationen gehört, also Gehalte bloßer Meinung, die auf entsprechende potentielle Evidenzen verweisen. Diese Unvollkommenheit der Evidenz vervollkommnet sich in den verwirklichenden synthetischen Übergängen von Evidenz zu Evidenz, aber notwendig so, daß keine erdenkliche solche Synthesis zu einer adäquaten Evidenz abgeschlossen ist, vielmehr immer wieder unerfüllte Vormeinungen und Mitmeinungen mit sich führt. Zugleich bleibt es immer offen, daß der in die Antizipation hineinreichende Seinsglaube sich nicht erfüllt, daß das im Modus des Es selbst Erscheinende nun doch nicht ist oder anders ist. Gleichwohl ist äußere Erfahrung wesensmäßig für ihre Gegenstände, für alle objektiven Realitäten die einzige bewährende Kraft, aber freilich nur so lange, als die passiv oder aktiv fortlaufende Erfahrung die Form der Synthesis der Einstimmigkeit hat. Daß das Sein der Welt in dieser Art dem Bewußtsein, und auch in der selbstgegebenen Evidenz, transzendent ist und notwendig transzendent bleibt, ändert nichts daran, daß es das Bewußtseinsleben allein ist, in dem jedwedes Transzendente als von ihm Unabtrennbares sich konstituiert und das speziell als Weltbewußtsein in sich unabtrennbar den Sinn Welt und auch diese wirklich seiende Welt trägt. Letztlich ist es die Enthüllung der Erfahrungshorizonte allein, die die Wirklichkeit der Welt und ihre Transzendenz klärt und sie dann als von der Sinn und Seinswirklichkeit konstituierenden transzendentalen Subjektivität untrennbar erweist. Die Verweisung auf einstimmige Unendlichkeiten weiterer möglicher Erfahrung von jeder weltlichen Erfahrung aus, wo doch wirklich seiendes Objekt nur Sinn haben kann als im Bewußtseinszusammenhang vermeinte und zu vermeinende Einheit, die als sie selbst in einer vollkommenen Erfahrungsevidenz gegeben wäre, besagt offenbar, daß wirkliches Objekt einer Welt und erst recht eine Welt selbst eine unendliche, auf Unendlichkeiten einstimmig zu vereinender Erfahrungen bezogene Idee ist — eine Korrelatidee zur Idee einer vollkommenen Erfahrungsevidenz, einer vollständigen Synthesis möglicher Erfahrungen.