§ 3. Empirischer und reiner Begriff


Der Begriff ist entweder ein empirischer oder ein reiner Begriff (vel empiricus vel intellectualis). — Ein reiner Begriff ist ein solcher, der nicht von der Erfahrung abgezogen ist, sondern auch dem Inhalte nach aus dem Verstande entspringt.

Die Idee ist ein Vernunftbegriff, deren Gegenstand gar nicht in der Erfahrung kann angetroffen werden.

Anmerk. 1. Der empirische Begriff entspringt aus den Sinnen durch Vergleichung der Gegenstände der Erfahrung und erhält durch den Verstand bloß die Form der Allgemeinheit. — Die Realität dieser Begriffe beruht auf der wirklichen Erfahrung, woraus sie, ihrem Inhalte nach, geschöpft sind. — Ob es aber reine Verstandesbegriffe (conceptus puri) gebe, die, als solche, unabhängig von aller Erfahrung lediglich aus dem Verstände entspringen, muß die Metaphysik untersuchen.

2. Die Vernunftbegriffe oder Ideen können gar nicht auf wirkliche Gegenstände führen, weil diese alle in einer möglichen Erfahrung enthalten sein müssen. Aber sie dienen doch dazu, durch Vernunft, in Ansehung der Erfahrung und des Gebrauchs der Regeln derselben in der größten Vollkommenheit, den Verstand zu leiten oder auch zu zeigen, daß nicht alle mögliche Dinge Gegenstände der Erfahrung seien, und daß die Prinzipien der Möglichkeit der letztern nicht von Dingen an sich selbst, auch nicht von Objekten der Erfahrung, als Dingen an sich selbst, gelten.

Die Idee enthält das Urbild des Gebrauchs des Verstandes, z. B. die Idee vom Weltganzen, welche notwendig sein muß, nicht als konstitutives Prinzip zum empirischen Verstandesgebrauche, sondern nur als regulatives Prinzip zum Behuf des durchgängigen Zusammenhanges unsers empirischen Verstandesgebrauchs. Sie ist also als ein notwendiger Grundbegriff anzusehen, um die Verstandeshandlungen der Subordination entweder objektiv zu vollenden, oder als unbegrenzt anzusehen. — Auch läßt sich die Idee nicht durch Zusammensetzung erhalten; denn das Ganze ist hier eher, als der Teil. Indessen gibt es doch Ideen, zu denen eine Annäherung statt findet. Dieses ist der Fall mit den mathematischen, oder den Ideen der mathematischen Erzeugung eines Ganzen, die sich wesentlich von den dynamischen unterscheiden, welche allen konkreten Begriffen gänzlich heterogen sind, weil das Ganze nicht der Größe (wie bei den mathematischen), sondern der Art nach von den konkreten Begriffen verschieden ist. —

Man kann keiner theoretischen Idee objektive Realität verschaffen oder dieselbe beweisen, als nur der Idee von der Freiheit; und zwar, weil diese die Bedingung des moralischen Gesetzes ist, dessen Realität ein Axiom ist. — Die Realität der Idee von Gott kann nur durch diese und also nur in praktischer Absicht, d. i. so zu handeln, als ob ein Gott sei, — also nur für diese Absicht bewiesen werden.

In allen Wissenschaften, vornehmlich denen der Vernunft, ist die Idee der Wissenschaft der allgemeine Abriß oder Umriß derselben; also der Umfang aller Kenntnisse, die zu ihr gehören. Eine solche Idee des Ganzen — das erste, worauf man bei einer Wissenschaft zu sehen und was man zu suchen hat, ist architektonisch, wie z. B. die Idee der Rechtswissenschaft. —

Die Idee der Menschheit, die Idee einer vollkommenen Republik, eines glückseligen Lebens u. dgl. m. fehlt den meisten Menschen. — Viele Menschen haben keine Idee von dem, was sie wollen, daher verfahren sie nach Instinkt und Autorität.


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