Gelehrte


[B 21] Der Pöbel ruiniert sich durch das Fleisch das wider den Geist, und der Gelehrte durch den Geist, dem zu sehr wider den Leib gelüstet.

 

[B 219] Leute werden oft Gelehrte so wie manche Soldaten werden, bloß weil sie zu keinem andern Stand taugen, ihre rechte Hand muß ihnen Brot schaffen, sie legen sich, kann man sagen, wie die Bären im Winter hin und saugen aus der Tatze.

 

[B 327] Die ganz gemeinen Leute brauchen dasjenige, was ihnen Gott zum Gebrauch in die Hände gegeben hat, gewiß zweckmäßiger als wir vornehmen Leute. Ich meine nicht das bißchen Vermögen, das ihnen der liebe Gott darbietet, das ihnen die großen Herren mit ihren langen Händen wegnehmen, ehe sie es recht brauchen können, sondern, was ich meine, ist eigentlich Leib und Seele. Der Gelehrte sollte so in seiner Haushaltung denken wie der gemeine Mann in der seinigen, er denkt ohne zu wissen, dass er etwas tut, was die Gelehrten als ein sicheres Specificum gegen Fehler und Irrtümer anraten, wofür aber die meisten als für einem bitteren Tränkgen Abscheu tragen. Die Studierten machen ein Gewerbe aus einem Ding, das eine Pflicht ist, und bilden sich ein, wenn sie über das denken, was sie tun, sie hätten einen Lohn im Himmel verdient, da es doch nicht um ein Haar mehr verdienstlich ist als bei seiner Frau zu schlafen.

 

[D 254] Wenn unsere jetzt im Schwang gehende registerartige Gelehrsamkeit nicht bald zu ihrem Winterstillstand kommt, so ist allerdings viel zu befürchten. Der Mensch lebt allein um sein und seines Mitmenschen Wohl so sehr zu befördern als es seine Kräfte und seine Lage erlauben. Hierin kürzer zu seinem Endzweck zu gelangen, nützt er die Versuche seiner Vorfahren. Er studiert. Ohne jene Absicht studieren, bloß um sagen zu können, was andere getan haben, das heißt die letzte der Wissenschaften, solche Leute sind so wenig eigentliche Gelehrte, als Register Bücher sind. Nicht bloß wissen, sondern auch für die Nachwelt tun, was die Vorwelt für uns getan hat, heißt, ein Mensch sein. Soll ich um nichts noch einmal zu erfinden, was schon erfunden ist, mein Leben über der Gelehrten-Geschichte zubringen? Sagt man ja Dinge vorsätzlich 2 mal, und man nimmt es einem nicht übel, wenn nur die Einkleidung neu ist. Hast du selbst gedacht, so wird deine Erfindung einer schon erfundenen Sache gewiß allemal das Zeichen des Eigentümlichen an sich tragen.

 

[F 232] Diejenigen unter den Gelehrten, denen es an Menschen-Verstand fehlt, lernen gemeiniglich mehr als sie brauchen, und die vernünftigen unter ihnen können nie genug lernen.

 

[F 437] Die meisten Gelehrten sind abergläubischer als sie selbst sagen, ja als sie selbst glauben. Mann kann üble Gewohnheiten nicht so leicht ganz loswerden, sie vor der Welt verbergen und die schädlichen Folgen hindern, das kann man.

 

[L 69] Der Mann, der nicht aus dem Stegreif zu räsonieren weiß über Materien seines Fachs, der erst in seine Excerpta steigen muß oder in seine Bibliothek, ist gewiß ein Artefakt. Man hat heut zu Tage eine Kunst berühmt zu werden, die war den Alten unbekannt, die wurdens durch Genie. Pasten sind unsere meisten berühmten Gelehrten, keine Edelsteine. Allein sehr weit wird es auch mit ihrem Ruhm nicht gehen. Ihre Werke werden vergessen, wie die Poesie des Cicero, die sogar [seine] der Ewigkeit entgegengehende Prosa nicht einmal zu erhalten im Stande war.

 

[L 163] Es macht allemal einen sonderbaren Eindruck auf mich, wenn ich einen großen Gelehrten oder sonst einen wichtigen und gesetzten Mann sehe, dabei zu denken, dass doch einmal eine Zeit war, da er den Maikäfern ein Liedchen sang, um sie zum Auffliegen zu ermuntern.

 


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