Judentum
Gerade beim Juden aber hat sich der Wortfetischismus in einer Richtung entwickelt, die für unsere Anschauungsweise sehr lehrreich ist. Er kennt die nach Wortlaut und Melodie genau vorgeschriebene Anrufung des jüdischen Gottes, er kennt sogar die Abart des Wortaberglaubens, die wiederum den Namen Gottes bei Strafe nicht auszusprechen wagt; aber er hat auch den entsprechenden Gegensatz sehr scharf ausgebildet, indem nämlich die offenbarte Religion für das authentische Wort Gottes gilt. Da nun mit der Vernichtung des jüdischen Staates der alte Kultus mit seinen Opfern u. s. w. aufhörte, so wurde das Judentum schließlich zu einer Wortreligion, zu einer Beschäftigung mit dem Worte Gottes. Und diese scholastische Beschäftigung mit den Worten der Bibel und des Talmud, diese religiöse Andacht für das Lernen und Lehren ist noch heute eine Eigentümlichkeit des Judentums. Vielleicht hat sie zu einer gewissen einseitigen Schärfung des jüdischen Geistes beigetragen, vielleicht rührt daher eine gewisse schriftstellernde Neigung so vieler Juden. Wir aber sehen da den Wortfetischismus in einer neuen Gestalt. Der dingliche Fetisch im Tempel half auf übernatürliche Weise gegen Geschenke, die man ihm darbrachte, in Jerusalem so gut wie im innersten Afrika. Was der Fetisch fraß, das verdauten die Priester. Die alten Fetische sind verschwunden. Man bringt z. B. den Cherubim, den geflügelten Ochsenköpfen, keine materiellen Opfer mehr dar. Die "richtigen'" Worte der Bibel sind an die Stelle getreten, und die talmudische Logik verarbeitet z. B. den Satz, daß man das Zicklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen dürfe, zu einem ganzen System von Speisegesetzen. Das Opfer der Intelligenz wird dem neuen Wortfetisch gebracht, und niemand ist mehr da, der es verdaue.