"rebus"
Die meisten Menschen leiden an dieser geistigen Schwäche, zu glauben, weil ein Wort da sei, müsse es auch das Wort für Etwas sein; weil ein Wort da sei, müsse dem Worte etwas Wirkliches entsprechen. Wie wenn jede Verwitterung in einem Steine der Abdruck einer Pflanze sein müßte! Oder wie wenn zufällig von einem Narren hingekritzelte Linien immer ein auflösbares Rebus sein müßten!
Ja es wird die Sprache allgemein so gebraucht. Nicht nur gemeine Leute und die — wie man sagt — Halbgebildeten schnappen unverstandene neue oder fremde Worte auf, um sie beim Sticken ihrer Geschwätzmuster ziervoll oder geziert anzubringen, sondern auch Gelehrte und Forscher und Denker haben seit jeher an alten, verwitterten Wortlauten herumgedeutelt, um ein Rätsel zu lösen, das sie hineinfragten. Man hat einst in den Zeichnungen einzelner Blüten wie in den Skeletten von Fischköpfen Rebusse zu finden und zu lösen geglaubt. Das waren aber doch noch halbbewußte Spielereien. Man hat uramerikanische Zieratlinien mit Hilfe hebräischer Charaktere deuten wollen. Das waren Narreteien. Man hat aber von jeher — und man tut es noch — das angestrengteste Denken lebendiger Menschen, d. h. die Assoziationen ihrer ebendigen Erfahrungen, angewandt auf längst verklungene Wortreste verstorbener Geschlechter, man hat von jeher mit den Saften lebendiger Verdauungsorgane die Exkremente der Ahnen zu neuer Nahrung verwandeln wollen. Und da tut man doch nichts anderes, als wenn man durchaus einen Rebus lösen wollte, der gar keiner ist, oder dessen Sprache man nicht versteht. Wie z. B. wenn ganz moderne Forscher immer noch die Seele, den Zweck, den Organismus, das Leben, den Tod, oder aber die Sprache, die Kategorien, die Wurzeln zu definieren suchen, bloß weil die Worte vorhanden sind.
Übrigens muß ein ausgemachter Tor gewesen sein, wer das Spielzeug der Rebusse in unsere Unterhaltungsblätter einführte. Schön wäre es freilich, mit Tatsachen zu reden anstatt mit Worten, rebus anstatt verbis. Aber der Rebusrater versimpelt nur die bequeme Buchstabenschrift. Ich glaube im Ernste, daß es Geisteskranke sein müssen, die unsere entsetzlichen Rebusse (Scherze ausgenommen) verfassen; und daß es nur Kinder sind, welche — nach alter Zusammengehörigkeit — sich mit den Werken dieser Narren abgeben.
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