Schiller
Bezeichnend für den Aberglauben, daß Worte, das heißt Denken, dem Handeln gegenüber das Höhere seien, sind (wie Schillers "Glocke" überhaupt) ganz besonders die Verse, in denen er gewissermaßen die Form dieses Gedichts erklärt und vielleicht entschuldigt. Ein weniger denkender Dichter hätte die gewollten Stimmungen erreicht, indem er die Kirchen-glocke klingen ließ. Schiller gibt sehr gewissenhaft und lückenlos anstatt einer Darstellung die Beschreibung der Herstellung. Und der seltene Glockengießer muß während des Gusses, der seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen sollte, Schillerisch reflektieren. Der Dichter ist so freundlich, uns zu seinem Gedicht gleich den Anlaß zu geben, und den Anlaß nicht etwa in einer trockenen Fußnote, sondern in Reimen. Und er sagt gleich zu Anfang: Zum Werke, das wir ernst bereiten, geziemt sich wohl ein ernstes Wort; Wenn gute Reden sie begleiten, dann fließt die Arbeit munter fort.
Da wäre nun unabsichtlich zugegeben, was eigentlich die Aufgabe des Denkens oder Redens beim Leben oder Handeln ist. Eine Art musikalischer Begleitung. Nicht wie die Matrosen singen, wenn sie die Segel aufziehen. Denn das wäre engste Verbindung zwischen Arbeit und Rhythmus, die ja (nach K. Büchers hübscher Untersuchung) urälteste Volkspoesie gewesen ist. Nein, eine unrhythmische musikalische Begleitung, wie der Soldat flucht oder Hurra ruft, wenn er schießt und vorstürmt, und wie endlich eben Schillers Waschfrauen in Loschwitz bei der Arbeit mit Recht geschnattert haben. Dann aber sagt Schiller seine eigentliche Meinung mit den Versen
"Den schlechten Mann muß man verachten,
Der nie bedacht, was er vollbringt."
Der denkende Dichter, den sein Denken von der dramatischen Pracht der Räuber bis zu den Maskenreden der Brautvon Messina geführt hat, findet das Vollbringen erst schön, wenn es reichlich bedacht, das heißt beschwatzt und bepredigt ist. Man kann hierbei sehen, wie der crkenntnistheoretische Irrtum, der das Denken und Reden für wissensmehrend hält, bei Kant und seinen Schülern auch für wesentlich gehalten wird nach der praktischen oder ethischen Seite hin.
Nicht zu übersehen ist, daß nach Schiller die Rede begleiten, der Mann bedenken soll. Die Silbe "be" deutet da schon auf das Nebensächliche, das (wie Berliner Kinder sagen könnten) "Drumrumige": sie bedeutet.
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