3) Art und Dauer
Nehme man bei der vorzuschreibenden Art und Dauer der Bewegung die sorgfältigste Rücksicht auf Alter, Geschlecht, Temperament, Konstitution, Krankheit, Stand, Gewerbe, Jahreszeit und Witterung. — Soll die Bewegung als diätetisches Mittel für Gesunde und Kranke dienen, so darf sie nie zu einer wirklichen Anstrengung werden.
Dies ist die Hauptregel, welche hierbei zu berücksichtigen ist. — Es wird z. B. das Kind, der Brustkranke nicht so weit zu Fuß gehen können, als der Erwachsene; der Hypochonder, das weibliche Geschlecht, das sanguinische Temperament, die schwächliche Konstitution verlangt schwächere und kürzer dauernde körperliche Bewegungen, als das männliche Geschlecht, das phlegmatische Temperament, die athletische Konstitution; der Gelehrte würde nicht die Dauer und die Art der körperlichen Bewegung zu ertragen vermögen, bei welcher der Frachtfuhrmann sich wohl und munter fühlt; im heißen Sommer wird man zur körperlichen Bewegung nicht das „Holzhacken“, in einem regnerischen Frühjahr oder Herbst nicht Fußreisen wählen dürfen u. s. w.
Aber kein Alter, kein Geschlecht, kein Temperament, keine Konstitution, kein Stand und Gewerbe, keine Jahreszeit und Witterung verbieten körperliche Bewegung. In allen Lagen und Verhältnissen ist sie möglich und von dem höchsten Nutzen. Sie muss jedoch in jedem dieser Verhältnisse verschieden sein, der Art nach, wie der Dauer. — Dringendes Erfordernis ist die körperliche Bewegung aber für kranke und gesunde Mädchen und Frauen, da gerade diese von früher Jugend auf zu einer mehr sitzenden Lebensart, durch unsere Sittengesetze verdammt sind, was den wesentlichsten Nachteil auf ihre Gesundheit übt, und ein Grund mit ist der Schwäche des heutigen Menschengeschlechts, und dass es mit immer mehr Krankheiten behaftet täglich heraufwächst. —
"Auch Krankheiten im Allgemeinen“ — sagt Hofmann (a. a. O. S. 65) „verbieten körperliche Bewegung nicht. Im Gegenteil ist sie, gehörig geregelt, oft heilsamer, als alle Arzneimittel, und wirkt häufig Wunder. Nur besondere Krankheiten, z. B. mehrere Brustleiden, heftige Blutflüsse u. s. w. erfordern absolute Ruhe, andere erlauben wieder nur passive Belegung, z. B. Lähmungen, und wieder andere nur eine besondere Art, wie z. B. bloßes Strecken und Beugen der Glieder u. s. w. Hierbei ist zu bemerken, dass absolute Ruhe nur für Lungensüchtige im letzten Stadium der Krankheit erforderlich ist. Dagegen sahen wir im Sommer 1842 alle noch nicht so schlimme Lungensüchtige sich bei täglichem, stundenlangem, langsamem Reiten am Seestrand zu Travemünde ausgezeichnet wohler befinden, was der reinen Seeluft zuzuschreiben ist.
Man höre schließlich was Cheyne sagt (s. Dessen Schrift: On long life, übers. Leipz. 1823): „Gelehrte, Schwächliche, Nervenkranke, mit Denken Beschäftigte müssen, wenn sie nach Gesundheit und langem Leben trachten, die Bewegung in gewisser Art zu einem Teile ihrer Religion machen. Wenn es die Umstände erlaubten, befahl ich Kranken, sich so viel Bewegung als möglich zu machen, viel in der freien Luft zu leben, und wo möglich ihren Geist von keiner Unruhe behelligen, von keiner Anstrengung erschöpfen zu lassen.“
"Die Witterung sollte nie als Einwurf gegen die Bewegung, diese so wesentliche Regel zur Gesundheit, gelten; denn gegen Kälte und Nässe kann man sich durch Kleidung schützen, und bei ganz schlechtem Wetter kann man sich Bewegung in der Stube machen, deren Fenster offen stehen, indem man lebhaft auf- und abgeht.“ —
Gegen die durch übermäßige Bewegung bewirkte Erschöpfung dienen im Allgemeinen als diätetische Mittel Ruhe, lauwarme Bäder und kräftig nährende Kost, welches Verfahren auch als Vorbereitung zweckmäßig ist und dienen kann in den Fällen, wo man wegen Krankheit u. s. w. sich genötigt sieht, systematisch von körperlicher Bewegung, Behufs der Heilung, Gebrauch zu machen.