Fliederblumen
Fliederblumen (Flores Sambuci). Die Blumen des Flieder- oder Holunderbaums (Sambucus nigra L.) sind als Tee, warm getrunken, ein herrliches, auch allgemein beliebtes Hausmittel, um nach Erkältung in Schweiß zu gelangen. Dass aber der Fliedertee, sowohl warm, als kalt getrunken, auch ein herrliches nervenstärkendes und krampfstillendes Mittel sei, selbst gegen Hysterie, Kinderkrämpfe, nervösen Rheumatismus, Migräne, und Gesichtsschmerz (in den letzteren Übeln wochenlang getrunken); — dies weiß nicht Jedermann, und doch ist’s reine Tatsache! In jeder Hinsicht ist der Fliedertee dem Kamillentee weit vorzuziehen, und dennoch wird letzterer mit Unrecht dem ersteren so häufig substituiert oder für wirksamer gegen Krämpfe, Erkältung etc. gehalten, als der Fliedertee. Der berühmte holländische Arzt Boerhaave schätzte den Flieder so hoch, dass er vor jedem Fliederbusche den Hut zog. Die Blumen, das destillierte Wasser und das eingedickte Muss von den reifen Beeren des Fliederbaums (Flores, Aqua et Roob Sambuci) sind unschätzbare Mittel zu Anfange aller jener, aus Erkältung entstandenen Krankheiten: Husten, Schnupfen, katarrhalische Bräune, Grippe, leichte Nervenfieber, leichte Masern- und Scharlachkrankheit.
Gegen die Augenliderentzündung der Neugebornen macht der fortgesetzte Gebrauch eines starken Aufgusses von Fliedertee mittelst eines Schwämmchens auf die Augen appliziert, nach Osiander (a. a. O. S. 333) die meisten anderen Mittel entbehrlich. Indessen ist der Gebrauch des reinen, lauen Wassers, nach Raimann, in solchen Fällen auch schon recht wirksam, wie dieses im Wiener Findelhause Öfters wahrgenommen wurde.
Gegen die Gesichts- und Gliederrose sind Kräutersäckchen, worin Flieder- und Kamillenblumen, mit Roggenmehl vermischt, allen anderen, oft schädlichen Mitteln, namentlich den feuchten, vorzuziehen. Eben so ist’s der Fall bei frischen rheumatischen und katarrhalischen Augenentzündungen, wo Flieder- und Kamillenblumen, mit Krausemünze, zu gleichen Teilen, in einem Kräutersäckchen, das um den Kopf mittelts eines Bandes befestigt ist und nur lose über dem Auge hängt, angewandt wird. Dass darneben auch der innerliche Gebrauch des warmen Fliedertees, zu drei bis vier Tassen, jeden Abend, hier, wie bei allen anderen, durch Erkältung des Körpers (nasse Füße) in feuchter, kalter, stürmischer Witterung entstandenen Übeln: Halsweh, Schnupfen, Husten, Gliederreißen etc. sehr nützlich sei, ist leicht einzusehen. Noch wirksamer und kräftiger wird hier der Zweck einer vermehrten Hautausdünstung bewirkt, wenn zu jeder Tasse Tee noch ein bis zwei Teelöffel voll Fliedermuss, d. i. der eingedickte Saft der reifen Beeren, genommen wird. Dieser Succus Sambuci inspissatus s. Roob Sambuci ist, mit Roob Juniperi vermischt, auch in der Wassersucht nützlich. (S. oben Arundo Calamagrostis.) Dass auch die innere Rinde und die Blätter vom Sambucus nigra, so wie vom Attich (Sambucus Ebulus L.) gelinde vomieren und purgieren, ist schon oben gesagt worden. (S. Butternuss.) Gleiche Wirkung hat die innere Rinde der Wurzel (s. Cortex Radicis Sambuci), welche daher in leichten Fällen von Wassersucht, so wie als blutreinigendes Mittel Beachtung der Ärzte verdient, da das Volk sie lange schon dagegen rühmt.
Gegen katarrhalische Bräune, geschwollene Mandeln, Zäpfchen, so wie bei noch nicht geöffnetem Zahngeschwür ist ein Mund- und Gurgelwasser aus Fliederblumen mit kochender Milch infundiert, ein beliebtes und gutes Hausmittel.