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Persönliche Providenz

277.

Persönliche Providenz. – Es gibt einen gewissen hohen Punkt des Lebens: haben wir den erreicht, so sind wir mit all unsrer Freiheit, und so sehr wir dem schönen Chaos des Daseins alle fürsorgende Vernunft und Güte abgestritten haben, noch einmal in der größten Gefahr der geistigen Unfreiheit und haben unsere schwerste Probe abzulegen. Jetzt nämlich stellt sich erst der Gedanke an eine persönliche Providenz mit der eindringlichsten Gewalt vor uns hin und hat den besten Fürsprecher, den Augenschein, für sich, jetzt wo wir mit Händen greifen, daß uns alle, alle Dinge, die uns treffen, fortwährend zum Besten gereichen. Das Leben jedes Tags und jeder Stunde scheint nichts mehr zu wollen, als immer nur diesen Satz neu beweisen; sei es was es sei, böses wie gutes Wetter, der Verlust eines Freundes, eine Krankheit, eine Verleumdung, das Ausbleiben eines Briefs, die Verstauchung eines Fußes, ein Blick in einen Verkaufsladen, ein Gegenargument, das Aufschlagen eines Buches, ein Traum, ein Betrug: es erweist sich sofort oder sehr bald nachher als ein Ding, das „nicht fehlen durfte“ – es ist voll tiefen Sinns und Nutzens gerade für uns! Gibt es eine gefährlichere Verführung, den Göttern Epikurs, jenen sorglosen Unbekannten, den Glauben zu kündigen und an irgendeine sorgenvolle und kleinliche Gottheit zu glauben, welche selbst jedes Härchen auf unserm Kopfe persönlich kennt und keinen Ekel in der erbärmlichsten Dienstleistung findet? Nun – ich meine trotzalledem! wir wollen die Götter in Ruhe lassen und die dienstfertigen Genien ebenfalls und uns mit der Annahme begnügen, daß unsere eigene praktische und theoretische Geschicklichkeit im Auslegen und Zurechtlegen der Ereignisse jetzt auf ihren Höhepunkt gelangt sei. Wir wollen auch nicht zu hoch von dieser Fingerfertigkeit unserer Weisheit denken, wenn uns mitunter die wunderbare Harmonie allzusehr überrascht, welche beim Spiel auf unsrem Instrumente entsteht: eine Harmonie, welche zu gut klingt, als daß wir es wagten, sie uns selber zuzurechnen. In der Tat, hier und da spielt einer mit uns – der liebe Zufall: er führt uns gelegentlich die Hand, und die allerweiseste Providenz könnte keine schönere Musik erdenken, als dann dieser unserer törichten Hand gelingt.