Prophezeiung
Natürlich kommt noch mal die Stinnes-Zeit:
mit Streikverboten, Posten an den Ecken,
mit Schwarz-Weiß-Rot und den Etappenrecken –
das kommt bestimmt. Nur ists noch nicht so weit.
Hoch oben Landwirtschaft und Industrie.
Handlangerdienste tut der kleine Bürger.
Der Großknecht war noch stets ein guter Würger
(nach unten hin) – er liebt die Monarchie.
Wie bläht sich dann der kleine Mittelstand!
Geschwollen blickt er auf zum Reichsverweser.
»Die Pazifisten? Und die ›Vorwärts‹–Leser?
Die Kerle müssen alle an die Wand!«
Potsdam steht auf. Hervor kraucht Prinz an Prinz.
Wer nicht pariert, der fliegt. Und es setzt Hiebe!
Jetzt bin ich Gottseidank Herr im Betriebe!
Der kleinste Koofmich fühlt: Ich bins! Ich bins!
Hol aus dem Mottenschrank die Uniform!
Für Klassenurteil, Haft, für feiles Morden
gibts Titel, Stellen, Rang und schöne Orden …
»Der Adler Erster« – so was hebt enorm!
Du, Proletarier, bist der tiefste Stein.
Auf dir wird immer feste druff getreten.
Das putzt die Stiefel sich an dem Proleten –
Und jeder, jeder will ein Cäsar sein.
Poincaré? Wir ziehen übern Rhein!
Und über die Verfassung (altes Möbel!)
grinst bayerisch-preußischer Soldatenpöbel.
Und dann das schöne Plus, das da erzielt wird!
Wann, Deutschland, siehst du ein, was hier gespielt wird?
He, Republik –!
Sie fährt empor, nickt, döst und schlummert wieder ein.
Die Weltbühne, 16.02.1922, Nr. 7, S. 157.