Rathenau
Du bist doch schon daran gewöhnt!
Du weißt doch, wie das ist, wenn deinen jungen
Deutschnationalen so ein Ding gelungen.
Sie schießen. Karlchen Helfferich, der höhnt.
Das ist seit Jahren deine Politik –
Du Republik!
Du hast doch darin Übung, junge Frau!
Glatt gehn dir von der Hand die Totenfeiern.
Proteste gellen. Nekrologe leiern.
Und hinterher bist du genau so schlau.
Wie lange siehst du Helfferich noch zu?
Derselbe, der aus Moskau, als man putschte,
mit vollen Hosen in die Heimat rutschte,
hat jetzt den zweiten Menschen ungerochen
ins Grab gehetzt, geflucht, gesprochen.
Und während eine alte Mutter bebt,
sitzt das im Parlament.
Und lebt.
Das war doch nicht das erste Mal!
Du hörst die Bonzen der Partein
im Reichstag und im Landtag schrein:
»So geht das nicht mehr weiter! Ein Skandal!«
War es das letzte Mal?
Steh einmal auf! Schlag mit der Faust darein!
Schlaf nicht nach vierzehn Tagen wieder ein!
Heraus mit deinem Monarchistenrichter,
mit Offizieren – und mit dem Gelichter,
das von dir lebt, und das dich sabotiert,
an deine Häuser Hakenkreuze schmiert.
Schlag du in Stücke die Geheimverbände!
Bind Ludendorff und Escherich die Hände!
Laß dich nicht von der Reichswehr höhnen!
Sie muß sich an die Republik gewöhnen.
Schlag zu! Schlag zu! Pack sie gehörig an!
Sie kneifen alle. Denn da ist kein Mann.
Da sind nur Heckenschützen. Pack sie fest –
dein Haus verbrennt, wenn dus jetzt glimmen läßt.
Zerreiß die Paragraphenschlingen.
Fall nicht darein. Es muß gelingen!
Vier Jahre Mord – das sind, weiß Gott, genug.
Du stehst vor deinem letzten Atemzug.
Zeig, was du bist. Halt mit dir selbst Gericht.
Stirb oder kämpfe!
Drittes gibt es nicht.
Die Weltbühne, 29.06.1922, Nr. 26, S. 653.